Gewalt, Drohungen, MobbingDer schwierige Alltag der Basler Sekundarlehrer
Zwei Drittel der basel-städtischen Lehrerinnen und Lehrer geben in einer Umfrage an, in den vergangenen fünf Jahren Beschimpfungen und Beleidigungen erfahren zu haben.

Die Lehrerinnen und Lehrer werden von vielen Seiten unter Druck gesetzt. Von Erziehungsberechtigten, die ihre Kinder ungerecht behandelt sehen. Von Schülern, die den Unterricht torpedieren. Von Arbeitskolleginnen und Arbeitskollegen, die sie ausschliessen – und von Schulleitungen, die sie mobben.
Nachdem der Dachverband Lehrerinnen und Lehrer Schweiz (LCH) im Januar die grosse Studie zum Thema «Gewalterfahrungen von Lehrpersonen im schulischen Kontext» präsentiert hatte, wollte die Freiwillige Schulsynode Basel-Stadt (FSS) wissen, wie der Stadtkanton im Vergleich zur Restschweiz dasteht. Das Ergebnis der 588 an der LCH-Studie teilnehmenden Lehrerinnen und Lehrer des Kantons Basel-Stadt liegt der BaZ vor. Es sei dieses vor allem auf der Sekundarstufe «alarmierend», schreibt der FSS-Präsident Jean-Michel Héritier in der am Dienstag erschienenen Ausgabe des «Schulblatts».
So sagten 66 Prozent der befragten Basler Sekundarlehrerinnen und Sekundarlehrer, in den vergangenen fünf Jahren Opfer von Beleidigungen oder Beschimpfungen geworden zu sein. Das sind rund 50 Prozent mehr als im schweizerischen Durchschnitt. Überdurchschnittlich viele gaben an, «absichtlich ignoriert oder ausgeschlossen» worden zu sein. Ebenfalls häufiger als im Schweizer Schnitt seien sie Opfer von Diebstählen (25 Prozent), von sexuellen Belästigungen (13 Prozent) oder von Handgreiflichkeiten (3 Prozent) geworden.
Akademiker sind nicht besser
«Ob Kriminalitätsstatistik, Sozialhilfequote oder Gewalt an den Schulen: Basel belegt im nationalen Vergleich jeweils einen Spitzenplatz. Diese traurigen Bestwerte müssen uns zu denken geben», schreibt Héritier im «Schulblatt». Er führt die Umfrageergebnisse zumindest teilweise auf das urbane Umfeld zurück. «In der Stadt gibt es mehr sogenannte Risikofamilien als auf dem Land», sagt er. Will heissen: Mehr Menschen gehören der sogenannten Unterschicht oder der Oberschicht an. Das spiegelt sich in der überdurchschnittlichen Maturitätsquote und darin, dass vergleichsweise wenige Schüler eine Lehre absolvieren. Kurzum: Es fehlt die Mittelschicht. Héritier spricht von einem «explosiven Cocktail».
Zu den unrühmlichen Umfrageergebnissen tragen demnach nicht nur die «Ausländerquartiere» wie das Klybeck und Kleinhüningen bei, die gemeinhin als schwieriges Pflaster für den Schulunterricht gelten. Auch vonseiten der Akademikereltern gibt es einen hohen Druck. Auf die Schulkarriere der eigenen Kinder, aber auch auf die Lehrerinnen und Lehrer. Schneiden die Schüler schlecht ab, werden vonseiten der bildungsnahen Eltern oft die Lehrer verantwortlich gemacht und bisweilen auch beschimpft.

Doch zeigen die Umfrageergebnisse auch, dass die Erziehungsberechtigten und Schüler nicht die Einzigen sind, die für den Leidensdruck unter den Lehrerinnen und Lehrern verantwortlich sind. In 36 Prozent der Fälle geben die Lehrer an, sie hätten in den vergangenen fünf Jahren aus dem Arbeitsumfeld psychische Gewalt erfahren – was am ehesten mit dem Begriff Mobbing umschrieben werden dürfte (im Schweizer Durchschnitt waren es 20 Prozent). 3 Prozent der Basler Sekundarlehrerinnen und Sekundarlehrer waren in den vergangenen fünf Jahren ausserdem handgreiflich angegangen worden (CH-Schnitt: 2 Prozent).
Gereizt wegen der Platznot
Als Grund dafür, dass die Schulatmosphäre in Basel-Stadt gereizter ist als in anderen Kantonen, nennt Héritier auch den Schulraummangel («Wenn alle aufeinandersitzen, führt das immer wieder zu Problemen») sowie die tiefe Sonderschulquote, die seit längerem innerhalb der Lehrerschaft kritisiert wird. Den Lehrern bereitet vor allem die Integration der verhaltensauffälligen Schülerinnen und Schüler Mühe, weswegen sie im Stadtkanton eine Initiative zur Einführung von Förderklassen lanciert haben.
Die FSS hat derweil die Umfrageergebnisse der Basler Lehrerinnen und Lehrer dem Erziehungsdepartement geschickt und die «sofortige Bildung einer Taskforce» angeregt, wie dem «Schulblatt» zu entnehmen ist. Um die Lehrerinnen und Lehrer zu schützen, brauche es auch vom Kanton eine stärkere Unterstützung – sei es durch ein besseres Beratungsangebot für die Opfer psychischer und physischer Gewalt; oder ein Bedrohungsmanagement zur präventiven Früherkennung von Gewalttaten.
Damit sollen auch Extremsituationen verhindert werden. Denn immerhin ist in den vergangenen fünf Jahren gemäss Umfrage keine Lehrperson mit einer Waffe bedroht oder verletzt worden – das soll auch so bleiben.
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