Der Rebellenführer mit der dunklen Vergangenheit
Einst gehörte Abdel Belhaj einer islamistischen Gruppe an, die gegen Demokratie in Libyen kämpfte. Dieses Kapitel sei abgeschlossen, sagt der Mann, der gegen Ghadhafi in den Krieg zog. Doch der Westen traut ihm nicht.

Abdel Hakim Belhaj ist der neue Held des libyschen Umsturzes. Er ist der Mann, der die Tripolis-Brigade anführte. Jenen Kampfverband, der die Residenz des langjährigen Machthabers Muammar al-Ghadhafi in der Hauptstadt einnahm, das Zentrum der Macht sozusagen. Doch Belhaj war einst auch der Anführer einer extremistischen Islamistengruppe und wurde nach eigenen Aussagen in einem Geheimgefängnis von CIA-Agenten gefoltert.
Fälschlicherweise hätten die USA ihn nach den Anschlägen vom 11. September in einen Topf mit Terroristen geworfen, sagte Belhaj. Doch hege er deswegen keinen Groll. Er teile das Streben des Westens nach einem freien Libyen. «Wir fordern und hoffen auf einen vom Gesetz bestimmten Rechtsstaat. Etwas, was uns unter Ghadhafi nicht vergönnt war», sagt Belhaj.
Säkulare und Religiöse kämpfen Seite an Seite
Doch Belhaj klang auch schon mal anders. 1996 schrieb er als Anführer der mittlerweile aufgelösten Libyschen Islamischen Kampfgruppe, er sage «all jenen abartigen Gruppen, die Demokratie fordern oder um ihrer Willen kämpfen» den Kampf an.
Obwohl Belhaj und viele andere, die Ghadhafi jahrzehntelang bekämpften, ihren Kampf als islamische Sache betrachten, beteiligten sich doch säkulare und religiöse Libyer gleichermassen an dem Aufstand, der zum Fall des Despoten führte. Doch vor allem die säkularen Libyer und der Westen hoffen nun, dass zutrifft, was Belhaj am 23. August nur Minuten nach seiner Ankunft in der Residenz Ghadhafis, Bab al-Azizya, erklärte: «Ihr erlebt einen historischen Moment; die Pflicht im Angesicht Gottes und der Welt, die Sicherheit eures Landes zu schützen und zu bewahren. Um Gerechtigkeit, Gleichheit und Wohlfahrt zu erlangen», sagte er dem Fernsehsender al-Jazeera.
Belhaj hat die Unterstützung des Vorsitzenden des Nationalen Übergangsrates der Rebellen, Mustafa Abdul Jalil. So begleitete er diesen Anfang der Woche nach Qatar zu einem Treffen mit Vertretern von Nato und anderen westlichen Staaten. Nur einen Tag später verkündete Mustafa Abdul Jalil, dass diese Konferenz der Beweis sei, dass es sich bei Belhaj um jemanden handele, dem der Rat trauen könne. «Er stellt keine Gefahr für die Sicherheit der Welt dar», sagte der Vorsitzende.
Kein Interesse an einer Zusammenarbeit mit al-Qaida
Tatsächlich war die Libysche Islamische Kampfgruppe kein geschlossenes Gebilde, sagt ein mit der Angelegenheit betrauter Vertreter der US-Regierung. So hätten zwar Teile der Gruppe Verbindungen zu al-Qaida im Sudan, in Afghanistan oder Pakistan unterhalten, andere wiederum hätte die Kontakte zu dem Terrornetzwerk komplett abgebrochen. Die von Belhaj geführte Gruppe habe mit al-Qaida nichts zu tun haben wollen und ihre Verpflichtung bekundet, in Libyen die Demokratie einzuführen, sagt der Vertreter. Gleichwohl würden die USA sehr genau beobachten, wie sich die Lage weiter entwickeln werde.
Belhaj selbst spielt seine Verbindungen zu den Islamisten im Interview herunter. «Wir haben niemals unterstützt und wir werden niemals unterstützen, was man Terrorismus nennt», sagte der 45-Jährige mit sanfter Stimme. Gegenüber Journalistinnen verhält sich der Vater zweier Söhne geradezu schüchtern. Er war Bauingenieur-Student und Ghadhafi-Gegner, als er in den 80er-Jahren von Libyen nach Saudiarabien floh. Später schloss er sich dem von den USA unterstützten Widerstand gegen die sowjetische Besatzung in Afghanistan an und kämpfte Seite an Seite mit jenen Extremisten, die einst al-Qaida bilden würden.
Mitglieder der Terrorgruppe hätten ihn gefragt, ob er sich ihnen nicht anschliessen wolle, sagt Belhaj. Doch er habe abgelehnt, weil er mit ihrer Ideologie vom globalen Jihad nicht einverstanden sei und sich auf die Befreiung Libyens konzentrieren wollte.
Foltervorwürfe an die CIA
In den 90er-Jahren kehrte Belhaj in seine Heimat zurück und führte die Libysche Islamische Kampfgruppe in die Auseinandersetzung mit dem Ghadhafi-Regime. Mitte der 90er-Jahre floh er erneut und zog von Land zu Land, bis er 2004 aufgegriffen und nach Thailand gebracht wurde. Dort sei er von der CIA gefoltert worden, sagt er. Der US-Geheimdienst selbst will zu den Vorwürfen Belhaj keine Stellung nehmen. Er selbst sagt, dass er davon ausgehe, seine Verhaftung sei als Reaktion auf die – wie er es nennt – «tragischen Ereignisse vom 11. September» zu sehen.
Nach den Folterungen sei er in das libysche Gefängnis Abu Salim gebracht worden, in dem das Ghadhafi-Regime viele politische Gefangene eingesperrt hatte. Doch im März 2010 liess ihn die Regierung samt 33 weiteren Mitgliedern der Libyschen Islamischen Kampfgruppe frei. Anlässlich einer Initiative des Gaddafi-Sohns Seif al Islam, schwor Belhaj der Gewalt ab. Doch als im Februar die Proteste gegen al-Ghadhafi aufkamen, da dauerte es nicht lange, bis Belhaj in den Bergen im Westen mit der Ausbildung von Kämpfern begann.
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