Der Prediger verschwindet durch eine Seitentür
Jella Wojacek versetzt seine Anhänger in Verzückung. Seine Kritiker kanzelt er ab.
Im Gottesdienst bei Kingdom Embassy International Von Andrea Söldi Kloten – Die Musik ist von weitem zu hören. Im Geschäftshaus im Klotener Industriequartier haben sich über 100 Gläubige verschiedenen Alters zum Gottesdienst versammelt. Die laute Popmusik der Band lässt kaum jemanden auf dem Stuhl sitzen. Es wird getanzt und mitgesungen. «Liebe, Liebe, Liebe . . .», schmettert die Sängerin in den geräumigen, festlich hergerichteten Saal. Etwa eine halbe Stunde nach Beginn der Zeremonie beginnen die Versammelten plötzlich, laut zu klatschen und zu jubeln. Langsam verstummt die Musik, die Gläubigen setzten sich, und Jella Wojacek greift sich das Mikrofon. Er schreitet zwischen den Stuhlreihen hindurch, nimmt da und dort Blick- oder Körperkontakt auf. Von Liebe ist die Rede, von Stärke und Freude. Etwas konzeptlos und unvorbereitet wirkt die Rede des Predigers. Während einer vollen Stunde spricht er, ohne je Notizen zu konsultieren. Die Gemeinde hängt an seinen Lippen, applaudiert und lacht auch bei noch so platten Sprüchen bereitwillig mit. Die Dramaturgie beherrscht Wojacek perfekt: Mal schreit er, mal flüstert er, lässt teuflisch anmutendes Gelächter ertönen. Kurz darauf stöhnt er und wirkt entrückt. Als eine Frau in Weinkrämpfe verfällt, macht er zu ihr: «Pfft, du bist frei», worauf sie aufsteht und ihn umarmt. Doch plötzlich stört ein Zwischenruf aus der hintersten Sitzreihe die Harmonie: «Du spielst Theater, das ist nicht echt», lässt ein bärtiger Mann mit Schlapphut verlauten. Nach einem kurzen Wortwechsel mit dem Prediger verlässt der Ruhestörer unter lautem «Tschüss»-Gejohle den Raum. «Wieso bin ich nicht auf diesen Geist eingegangen?», will der Prediger wissen und beantwortet seine Frage gleich selber: «Weil er mir nichts zu sagen hat.» Im gleichen Stil nimmt er mehrfach Bezug auf die Kritik vonseiten der Infosekta und der «20 Minuten»-Journalisten, welche die Vorwürfe am Freitag publik gemacht hatten. Die Leute von Infosekta bezeichnet Wojacek als «einen Haufen von depressiven Pensionierten, die nichts anderes zu tun haben, als Kacke zu schreiben». Journalisten seien aus Profitgründen scharf auf diese Geschichten. Eine geschlagene Stunde dauern die Ausführungen des Predigers. «Du wirst nie etwas falsch machen können, denn die höchste Instanz glaubt an dich», schärft er seinen Schäfchen ein: «Diese Religion macht dich reich, sehr reich.» Zum Schluss setzt nochmals Musik ein, und ein Gemeindemitglied spricht ein Gebet. Während einige noch weiter tanzen, treffen sich andere an der Bar zu einem Sandwich und pflegen Kontakte. Jella Wojacek hingegen hat sich durch eine Seitentür aus dem Staub gemacht.
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