Eymann reagiert auf linke KritikPolizei leistet an 1.-Mai-Demo 3600 Stunden Überzeit
Die Sicherheitsdirektorin beantwortet Fragen aus dem Parlament. Die Emotionen sind stark, der gemeinsame Nenner klein.

Der Grosse Rat von Basel-Stadt hat am Mittwoch eine erste Aufarbeitung der Geschehnisse vom 1. Mai vorgenommen. Sicherheitsdirektorin Stephanie Eymann (LDP) bezog Stellung zu diversen politischen Vorstössen. Im Zug dessen gab sie auch die Kosten für den Polizeieinsatz bekannt: Diese belaufen sich gemäss ihren Angaben auf rund 600’000 Franken.
Die Mitglieder der Kantonspolizei hätten an diesem Tag über 3600 Stunden Überzeit geleistet. Der Einsatz des Helikopters, der auch für den Kanton Zürich im Einsatz war, habe 11’300 Franken gekostet.
22 Personen zeitweise in Gewahrsam
Insbesondere in der politischen Linken steht der strikte Polizeieinsatz in der Kritik. Die Einsatzkräfte umstellten den Schwarzen Block, doch auch friedlich Demonstrierende befanden sich im sogenannten Kessel.
Wie Eymann am Mittwoch ausführte, hatte die Polizei vor und während der Kundgebung insgesamt 317 Personen kontrolliert. 72 Demonstrierende bekamen einen Platzverweis: Sie «mussten zugeführt werden», weil sie sich «trotz des mehrfachen Aufrufs» der freiwilligen Kontrolle verweigert hätten. Die Polizei habe 22 Personen auf eine Wache gebracht und vorübergehend in Gewahrsam genommen.
Das 1.-Mai-Komitee hat diesen Mittwoch angekündigt, «in zahlreichen Fällen» Rechtsmittel gegen die Kantonspolizei Basel-Stadt zu ergreifen. Das Komitee will am Donnerstag an einem Medienanlass genauer über die juristischen Schritte informieren. Bei den Forderungen gehe es unter anderem darum, «die gesammelten Fälle von Freiheitsbeschränkungen und Freiheitsentzüge zu klären, die polizeilich erhobenen Personen-, Film- und Fotodaten der Betroffenen zu löschen und die zugefügten Nachteile wieder gutzumachen».
Solidarisierung habe Einsatz erschwert
Doch zurück in den Ratssaal. Eymann bestätigt, dass es am 1. Mai zu keinen Sprayereien oder anderen Sachbeschädigungen gekommen sei. Sie stellt sich auf den Standpunkt, dass der Polizeieinsatz «sicherlich schneller und mit geringerem Aufwand hätte beendet werden können», wenn sich die übrigen Demonstrierenden von den Vermummten getrennt hätten.

Wie ein Mantra wiederholt Eymann jeweils einleitend die allgemeinen Ausführungen, wobei sie von Mal zu Mal unmotivierter wirkt. Sie stellt «ein verfassungsmässiges Demonstrationsrecht» fest und erklärt, dass ihr Justiz- und Sicherheitsdepartement zwar strategische Vorgaben mache, vor Ort aber die Kantonspolizei die operativen Entscheidungen treffe. Weiter begründet sie die Vorgehensweise der Polizei mit den bereits bekannten Erklärungen: Die Polizei hatte den Verdacht, dass Sachbeschädigungen oder Gewalttätigkeiten geplant waren.
Eymann musste insgesamt sechs Vorstösse beantworten. Zwei Interpellanten sind gegenüber dem Polizeieinsatz positiv gestimmt. SVP-Grossrat Joël Thüring glaubt, dass ein Grossteil der Bevölkerung den Einsatz für «gut und richtig» halte. Thomas Widmer-Huber von der EVP empfiehlt den Gewerkschaften und linken Parteien, «über die Bücher zu gehen» und sich von den Vermummten zu distanzieren.
«Diese Art von Staat will ich nicht.»
Die übrigen Politikerinnen und Politiker, die Vorstösse eingereicht haben, kritisieren Polizei und Sicherheitsdirektorin jedoch scharf. SP-Grossrätin und Gewerkschafterin Toya Krummenacher scheint zeitweise den Tränen nahe: «Diese Art von Staat will ich nicht.» Der Dialog vor Ort habe nicht funktioniert, die Organisatorinnen und Teilnehmer hätten mit keinem einsatzbefugten Polizisten sprechen können. «Ja, es gab ein Dialogteam, aber das wusste nicht viel und konnte nichts entscheiden.»
Oliver Bolliger (Basta) hofft, dass dies nicht der neue Massstab der Polizei werde, und Tonja Zürcher (Basta) äussert den Verdacht, dass Eymann bewusst Stimmung gegen Demonstrierende machen wolle.
Aus Zufall im Kessel
Fleur Weibel (Grüne) war selbst nicht an der Kundgebung. Sie berichtet von einer Passantin, die eigentlich wandern gehen wollte, aber zufällig in den Polizeikessel geraten sei und diesen erst nach über drei Stunden habe verlassen können. Dabei sei sie fotografiert und abgetastet worden und habe die Personalien angeben müssen. Was nun mit diesen Daten passiere, fragt Weibel.
Die Grossrätin ist «zutiefst besorgt, dass es offenbar in immer grösseren und breiteren Kreisen normal wird, Verletzungen der körperlichen und psychischen Unversehrtheit von Personen als legitime Kollateralschäden von Polizeieinsätzen hinzunehmen». Man müsse aus dieser «Gewalteskalation» rausfinden.
Stephanie Eymann sagt dazu, es seien «aufgrund der unübersichtlichen Situation leider auch Demonstrierende kontrolliert worden, die keine gewalttätigen Absichten hatten». Ansonsten verteidigt sie die Einsatzkräfte. Diese hätten vereinzelt Pfefferspray und Gummischrot eingesetzt, weil Druck auf die Polizeikette ausgeübt worden sei. Die Polizisten seien nicht nur verbal, sondern auch physisch mit «Schlägen, Tritten und Wurfgegenständen angegriffen» worden. Bei den Kontrollen seien Vermummungsmaterial, Schutzbrillen, Farbstifte, Spraydosen, Tränengasspray, Feuerwerkskörper und lange Stangen sichergestellt worden.
Messer statt «Rettungsgurtschneider»
Wenn auch dazu aufgefordert, entschuldigte sich Eymann nicht dafür, dass ein Polizist eben doch ein Messer einsetzte und nicht, wie ursprünglich kommuniziert, einen «Rettungsgurtschneider». Es habe sich später herausgestellt, dass es «tatsächlich ein Tool der Marke Leatherman» war, sagt die Sicherheitsdirektorin. Damit habe der Polizist ein Transparent, das gegen die Polizeikette eingesetzt worden sei, am unteren Rand angeschnitten, um es anschliessend von Hand zerreissen zu können.
Nach anderthalb Stunden ist klar: Der 1. Mai ist nicht nur juristisch, sondern auch politisch noch nicht erledigt. Als kleinsten gemeinsamen Nenner war immerhin von beiden Seiten zu hören, dass der Dialog weitergeführt werden müsse.
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