Wahlkampf in MexikoDer Politiker, der aus dem Sarg stieg
Carlos Mayorga beginnt seine Kampagne mit einem Leichenzug. Dieser stehe symbolisch für die leidgeprüfte Stadt Ciudad Juárez.

Surreal, originell, gruselig, geschmacklos, mutig. In den sozialen Medien weiss das mexikanische Publikum offensichtlich nicht so recht, was es von der Aktion des Lokalpolitikers Carlos Mayorga halten soll.
Sie beginnt so: Ein Leichenwagen fährt durch Ciudad Juárez, die mexikanische Millionenstadt an der Grenze zu Texas. Begleitet wird der Zug von angeblich Trauernden, von Klageliedern und Musik. Ein Vertreter des Partido Encuentro Social (Partei der sozialen Begegnung) behauptet, die Inszenierung symbolisiere die ganze Stadt. «Ciudad Juárez wurde in den letzten Jahren verletzt, sie war sogar tot.»
Ermordete und verschwundene Mädchen
Damit spielt er auf die vielen Opfer des Drogenkrieges an, auf die ermordeten und verschwundenen Mädchen und Frauen, auf die Migranten aus Zentralamerika, die ihre Hoffnungen auf ein neues Leben in den USA in Ciudad Juárez begraben haben.
Als der Redner in die Menge ruft, die leidgeprüfte Stadt brauche neue Helden, hieven Parteianhänger den Sarg aus dem Leichenwagen. Es entsteigt ihm Carlos Mayorga. Ciudad Juárez werde wieder auferstehen, sagt der Kandidat für einen Sitz im nationalen Abgeordnetenhaus, genauso wie ganz Mexiko wieder auferstehen werde.
In Lateinamerika haben bizarre Kandidaturen und abstruse Wahlkampfauftritte eine lange Tradition, was auch daran liegt, dass ihre Protagonisten nicht selten gewählt werden. Das sagt viel aus über das gebrochene Verhältnis von Politikern, Wählerinnen und Wählern zu Staat und öffentlichen Institutionen.
Ein Schimpanse aus dem Zoo erreichte am drittmeisten Stimmen.
In Brasilien erhielt vor einigen Jahren der Clown Tiririca landesweit am meisten Stimmen, mit dem Slogan: «Für Tiririca sollt ihr stimmen, die anderen sind die wirklich Schlimmen.» Bevor er auf seinem Sessel im nationalen Parlament Platz nahm, musste er nachweisen, dass er lesen und schreiben kann.
Und einmal erreichte ein Schimpanse aus dem Zoo bei den Bürgermeisterwahlen in Rio de Janeiro mit fast einer halben Million – allerdings ungültiger – Stimmen den dritten Platz.
Carlos Mayorga versucht es nun am nördlichen Rand Lateinamerikas mit derselben Taktik. Paradoxerweise nutzt er sie, um seine Ernsthaftigkeit zu beteuern. Denn während andere Politiker auf ihre Familie schwören oder vor laufender Kamera notariell beglaubigte Rettungspläne unterzeichnen, sagt Mayorga schlicht und makaber: «Wenn ich nicht liefere, was ich verspreche, dann dürft ihr mich lebendig begraben.»
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