Der Minister für jede Katastrophe
Sergei Schojgu ist Russlands Mann für die Katastrophe - und das schon seit 19 jahren.
Manchmal hat Sergei Schojgu komische, vor allem aber fachfremde Ideen. Letztens forderte er ein Gesetz, das die Leugnung des sowjetischen Sieges im Zweiten Weltkrieg unter Strafe stellt. Das zielte gegen die baltischen Kritiker an Moskaus Rolle im Zweiten Weltkrieg, hat aber mit seinem Amt nichts zu tun. Sergei Schojgu, 56, ist Russlands Minister für Ausnahmesituationen, seit 19 Jahren schon. Und mag die Katastrophendichte in dieser Zeit nicht abgenommen haben, so erreicht Schojgus Beliebtheit inzwischen fast eine politisch relevante Dimension. In Umfragen über die Arbeit der Regierung liegt er zuverlässig auf dem ersten Platz.
Die Wut richtet sich selten gegen Schojgu
Wenn ein Kraftwerk havariert, wenn kaukasische Terroristen Wohnhäuser in die Luft sprengen, wenn ein Nachtclub in Flammen aufgeht, dann schlägt Schojgus Stunde. Und selbst jetzt, wo die russischen Weiten in Flammen stehen, Dörfer ausgelöscht werden und selbst Atomanlagen nicht mehr sicher sind, wo zu spät, zu unentschlossen oder gar nicht gelöscht wird, richtet sich die Wut der Menschen gegen örtliche Behörden oder abstrakte Gewalten, selten gegen Schojgu.
In all den Jahren, in denen der gelernte Bauingenieur sein Amt ausübt, hat er sich einen Ruf als Mann der Tat erarbeitet, effektiv und fern politischer Kabale. Dass er sich auf seinem Posten nie hätte halten können, wenn er seine Loyalität nicht an die wechselnden Verhältnisse im Kreml angepasst hätte – erst für die Kommunisten, dann gegen die Kommunisten –, fällt kaum ins Gewicht. Geboren in Tuwa an der russischen Grenze zur Mongolei, arbeitete er als Ingenieur in Aluminiumwerken und Baufirmen in Sibirien und hat es inzwischen nicht nur zum General gebracht, was der quasimilitärischen Organisation seines mächtigen und zum Teil bewaffneten Ministeriums entspricht, sondern auch zu allerhand Orden.
Strassen sind zu eng für Feuerwehrautos
Dass die derzeitige Brandkatastrophe zwar viele Helden unter Feuerwehrleuten und Freiwilligen hervorbringt, aber auch jede Menge Defizite in der Brandbekämpfung offenbart, räumt er nur zu gern ein. «Früher hingen in jedem Haus eine Axt oder ein Eimer, es gab Löschteiche, und zwei, drei Freiwillige haben Löschbrigaden organisiert», sagte er unlängst in einem Interview. Heute aber gebe es in vielen Datschensiedlungen weder Tümpel noch Strassen, die breit genug für ein Feuerwehrauto seien. Aber die Häuser seien Privateigentum; man könne die Eigentümer weder bestrafen noch die Siedlungen schliessen. «Da gibt es keinen Bürgermeister, kein Budget; sie leben ganz auf sich gestellt.»
Dies nun ist nach Ansicht von Kritikern nur ein Teil des Problems. Schojgus Männer sollen die Feuer im grössten Land der Erde mit vier Löschflugzeugen bekämpfen. Immerhin sollen demnächst acht weitere angeschafft werden. Unter dem Eindruck der Jahrhundertbrände denkt Schojgu, verheiratet und Vater zweier erwachsener Töchter, derzeit ohnehin in langfristigen Perspektiven. Man müsse die neue Lage erforschen und lernen, «unter ganz anderen klimatischen Bedingungen» zu leben. Sollte sich die Katastrophe im nächsten Jahr wiederholen – für Russlands obersten Retter wäre es fast ein Geschenk.
Fehler gefunden?Jetzt melden.
Dieser Artikel wurde automatisch aus unserem alten Redaktionssystem auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: community-feedback@tamedia.ch