Der Maler ist Christus
Julian Schnabel widmet sich in seinem Film «Eternity's Gate» Vincent van Gogh. Aus einem eher mittelmässigen Schauspielerumfeld ragt Hauptdarsteller Willem Dafoe heraus.

Vincent van Gogh mausert sich zum meistverfilmten Künstler aller Zeiten. Nach «Lust for Life» mit Kirk Douglas (1956), «Vincent and Theo» mit Tim Roth (1990) und «Loving Vincent» mit Douglas Booth (2017), um nur einige wenige zu nennen, setzt nun der Maler und Regisseur Julian Schnabel seinen ganz persönlichen Van Gogh in Szene. Schnabel hat diesem Werk den ambitionierten und über eine blosse Biografie weit hinausweisenden Titel «Eternity's Gate» gegeben. Und in der Tat: Man wird beim Sehen dieses Films den Eindruck nicht los, dass der 67-jährige Amerikaner weniger von Van Gogh erzählt als vielmehr etwas über sich selbst. Beziehungsweise über sein romantisches Ideal eines grossartigen Künstlers, der sich ganz und gar seiner Kunst opfert.
Dafür liefert er Bilder, grandiose Landschaftsaufnahmen aus der Gegend von Arles, die von dem Maler durchstreiftwerden, dicht gefolgt von der lockeren Handkamera eines Benoît Delhomme, die uns Zuschauern die Landschaft nicht nur zeigt, sondern geradezu hautnah vermittelt. Dabei fällt auf, dass die Bilder viel lieber die herbstliche Provence zeigen und nicht die spätsommerliche mit den Sonnenblumen in voller Blüte, die der Holländer in so unvergleichlicher Intensität auf seine Leinwände bannte.
Entweder hat die Filmcrew da einfach die richtige Jahreszeit verpasst, oder man suchte und fand eine Landschaftsmetapher für jenen Herbst des Lebens, den Willem Dafoe in seiner zweifellos oscarwürdigen Verkörperung des Künstlers zu spielen hat. Er ist trotz seines fortgeschrittenen Alters – mit seinen 64 Jahren spielt er die letzten Jahre eines Künstlers, der mit 36 Jahren starb – ein grandioser Van Gogh. Der Film erzählt vom Niedergang einer genialischen Malernatur, die sich fast täglich ein neues Gemälde abringt, in Arles nur wenige Freunde findet und von den Spiessbürgern, deren Rolle in diesem Film die Kinder verkörpern, gehänselt und blossgestellt wird. Sie verpassen ihm schlussendlich jenen tödlichen Bauchschuss, den Schnabel in seiner Interpretation dieses in vielen wichtigen Details noch geheimnisumwitterten Lebens als Todesursache wählt. Es gibt auch die Theorie, dass Van Gogh Suizid beging.
Jedenfalls gibt es neben dem herausragenden Willem Dafoe und den Landschaftsbildern leider wenig Positives zu sagen – wobei das ja auch schon einen Kinobesuch wert ist. Die Nebendarsteller fallen in geradezu erschreckendem Masse gegenüber Dafoe ab. Allen voran ist da Oscar Isaac («Inside Llewyn Davis») zu nennen, der den grossen Paul Gauguin spielt. Wenn er dann aber einen seiner Auftritte hat, drückt er jede Szene auf durchschnittliches Fernsehspielniveau herab.
Auch Mathieu Amalric («Le scaphandre et le papillon») vermag nicht zu überzeugen, wenn er als Arzt mit Dafoe jenen nicht enden wollenden Dialog führt, in dem der Künstler mit Jesus verglichen wird, der sich zwar nicht für die Menschheit, aber doch für seine Kunst opfert. Das mögen durchaus Gedankengänge gewesen sein, die dem ehemaligen Priesterschüler Van Gogh durch den Kopf gegangen sind. So wie sie hier platziert werden, bekommen sie aber ein derartiges Gewicht, dass man Van Gogh zum neuen Christus ausrufen müsste.
Ab 18.4. im Kino
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