Der linke Sozialistenschreck
Mit seinem alternativen Programm mischt Jean-Luc Mélenchon den französischen Wahlkampf auf. Für François Hollande hat er nur Spott übrig, Nicolas Sarkozy aber könnte von seiner Popularität profitieren.

Er trägt eine knallrote Krawatte, hat eine rote Nelke im Knopfloch und singt bei seinen Kundgebungen die «Internationale»: Jean-Luc Mélenchon unterscheidet sich nicht nur durch Symbole von den anderen Politikern im französischen Präsidentschaftswahlkampf.
Der Kandidat der Linksfront hat inzwischen so viel Zulauf, dass die Sozialisten mit Sorge auf den Konkurrenten schauen. Während die Umfragewerte für den sozialistischen Kandidaten François Hollande eher sinken, klettern sie für Mélenchon weiter nach oben. Mit zuletzt 14,5 Prozent liegt der 60-Jährige in Umfragen derzeit auf dem dritten Platz.
«Ein wahrer Volkstribun»
Gestartet war er im vergangenen Sommer mit sechs Prozent. Mélenchon sei «das Ereignis des Wahlkampfes», schrieb die linksgerichtete Zeitung «Libération» – 63 Prozent der Franzosen finden, dass der Linkspolitiker den besten Wahlkampf macht.
Für europaweites Aufsehen sorgte seine Kundgebung an der Bastille in Paris, wo sich Mitte März gemäss seiner Partei rund 120'000 Anhänger versammelten – so viele, wie bisher bei keinem anderen Kandidaten. Vor einem bunt gemischten Publikum aus Arbeitern und Akademikern kritisierte der Linkspolitiker 25 Minuten lang das «durch Ungerechtigkeiten entstellte Frankreich». «Er ist ein wahrer Volkstribun», sagte eine elegante Mittsechzigerin hinterher, die nur gekommen war, um sich den Kandidaten anzuschauen.
Vertreter des «historischen Sozialismus»
Mélenchon hat ein stramm linkes Programm: Mindestlohn von 1700 Euro, hundertprozentige Besteuerung aller Monatseinkommen über 30'000 Euro, Verstaatlichung von Banken. Damit grenzt er sich von der Sozialistischen Partei (PS) ab, deren Mitglied er mehr als 30 Jahre lang war. Der Bruch kam nach dem Referendum über die EU-Verfassung 2005, als Mélenchon sich gegen den Willen der PS an die Spitze der Gegner setzte.
Im November 2008 folgte nach dem Vorbild der deutschen Linken die Gründung der Linksfront in Frankreich. «Der historische Sozialismus, für den wir stehen, hat keinen Platz mehr in einer Mitte-links-Partei», sagte Mélenchon, der zwei Jahre lang Minister einer sozialistischen Regierung war.
Er grenzt sich klar von den Sozialisten ab. Bissig geisselte der in Marokko geborene Franzose im Herbst eine schwache Vorstellung Hollandes in der Finanzkrise: «Warum soll man mitten im Sturm einen Tretbootkapitän einstellen», fragte der Europaabgeordnete, der sich gegen ein «Spardiktat» der EU stemmt.
Steigbügelhalter für Sarkozy?
Letztlich könnte Präsident Nicolas Sarkozy von der Konkurrenz im linken Lager profitieren. «Nur Mélenchon kann Sarkozy retten», heisst es in der konservativen UMP des Staatschefs. Die Sozialisten werben deshalb bei der linken Wählerschaft dafür, dass nur Hollande Sarkozy schlagen kann. Die Ablehnung Sarkozys dürfte die Mélenchon-Wähler dazu bringen, im zweiten Wahlgang für Hollande zu stimmen: Laut Umfragen sind rund 80 Prozent dazu bereit.
Mélenchon kündigte allerdings an, er wolle nicht «bedingungslos kapitulieren». «Wir werden uns nicht zu Geiseln von François Hollande machen», sagte der Vater einer erwachsenen Tochter. Welche Bedingungen er stellen will, liess der diplomierte Philosoph offen. Eines ist aber klar: Mélenchon wird sich nicht durch einen Ministerposten bestechen lassen. «Ich werde in keine Regierung gehen, ausser in eine, die ich selbst führe», sagte er.
Dieser Artikel wurde automatisch aus unserem alten Redaktionssystem auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: community-feedback@tamedia.ch