Der linke Querschläger
Der Aargauer Nationalrat Geri Müller, Stadtammann von Baden, Weltverbesserer und Gerechtigkeitsapostel, verärgert beim Freihandelsabkommen mit China seine Partei.

Die Winterthurer SP-Nationalrätin Jacqueline Fehr hatte während der Debatte zum Freihandelsabkommen mit China den Antrag gestellt, den Vertrag dem fakultativen Referendum zu unterstellen, «und zwar schlicht und einfach, weil er wirtschaftlich zwar massiv überschätzt wird, politisch aber ein sehr bedeutender Vertrag ist», so Fehr. Dann ging der Grüne Nationalrat Geri Müller ans Mikrofon, dessen Fraktion eigentlich Jacqueline Fehr unterstützen wollte, und polterte gegen den Antrag der Zürcherin, weil sie einen Vergleich mit dem Apartheitsregime im früheren Südafrika gewagt hatte. Und weil sich gemäss Müller die Menschenrechtssituation in China in den letzten 25 Jahren wesentlich verbessert habe.
«Das ist ein riesiges System, das im Übrigen nicht in Strategien von vier Jahren denkt, sondern Strategien für 500 Jahre hat.» In den Bankreihen der Grünen runzelte Co-Präsidentin Regula Rytz die Stirn, andere griffen sich an den Kopf. Aber so ist er nun einmal, der 53-jährige Aargauer Politiker Geri Müller: unberechenbar, sprunghaft und von seiner Mission beseelt, mit der Ungerechtigkeit in der Welt aufzuräumen. Und manchmal auch derart bundesratsgläubig, dass es seinen Mistreitern im grünen Lager beinahe schon weh tut.
Mit schrägen Geschichten aufgefallen
Wie zum Beispiel, als der ehemalige Herrscher Libyens, Muammar al-Ghadhafi, ab Herbst 2008 zwei Schweizer Geiseln monatelang festhielt. Müller war zu dem Zeitpunkt Präsident der Aussenpolitischen Kommission des Nationalrates (APK) und verteidigte damals Bundespräsident Hans-Rudolf Merz gegenüber den Medien, als wäre bei diesem Geiseldrama gar nichts schief gelaufen. Die «NZZ am Sonntag» bezeichnete den Grünen Müller damals als Merz' verlässlichste Stütze. Müller wehrte sich später in Interviews, er habe nicht Verständnis für Merz gehabt – aber für die «Reaktion des Bundesrates und jene Aktivitäten, welche die Schweiz in den 14 Monaten seit der Ausreisesperre für die beiden Schweizer gemacht hat.»
Der Aargauer ist seit 2003 Nationalrat, davor war er Grossrat im Aargauer Kantonsparlament. Dort fiel er offenbar durch konzentrierte Arbeit und Konsequenz – bis hin zur Aufsässigkeit –, aber auch durch Kompromissbereitschaft auf. Er habe sich seit seinem Eintritt ins Kantonsparlament 1995 auch bei bürgerlichen Fraktionen Respekt verschafft, sagte man über ihn. In Bern ist Müller in den letzten 10 Jahren aber hauptsächlich mit schrägen Geschichten aufgefallen, so etwa, als er einen Vertreter der Hamas im Bundeshaus empfing. Und Spott und Häme erntete Müller, als durchsickerte, dass er einen Termin beim deutschen Finanzminister Peer Steinbrück verpasst hatte, weil der Billig-Flieger EasyJet Verspätung hatte.
Sein Image als Weltverbesserer kommt gut an
Politischen Schaden erlitt Müller trotz seiner vielen skurilen Episoden nicht – auch nicht, weil er als Grüner an zahlreiche Veranstaltungen auf der Welt jettete. Sein politisches Profil als naiver Weltverbesserer und Gerechtigkeitsapostel kommt besonders bei einem jüngeren Publikum gut an, auch wenn sich einzelne seiner Kolumnen wie Elaborate von Verschwörungstheoretikern lesen. Die Badener Stimmbürger wählten Müller, der als APK-Präsident für seine chaotische Führung berüchtigt war, sogar zum Chef der Stadtregierung. Und dies, obwohl eine massive Kampagne gegen ihn lief, mit der man ihn als Antisemiten und Hamas-Freund entlarven wollte.
Auch Müllers jüngstes, etwas schräges Engagement für den Freihandelsvertrag mit China fusst letztlich auf seinem simplen Weltbild: hier der böse Westen mit den USA. Und da die guten Araber, Palästinenser und eben auch Chinesen, die den USA entgegenhalten. Gleiche Massstäbe in der Aussenpolitik forderte Müller einmal in einer seiner Kolumnen in der «Aargauer Zeitung». Die Schweiz unterhalte zu den USA enge Wirtschaftsbeziehungen – obwohl diese wegen Guantanamo international in der Kritik stünden. Und darum findet Geri Müller nun, dass man auch mit China Freihandel betreiben könne – zumal sich seiner Meinung nach die Menschenrechtslage in dem Land verbessert hat.
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