Der Hype um Beto ist wieder da
Seine bisher grösste Leistung ist, eine Wahl nur knapp verloren zu haben. Trotzdem lässt Beto O'Rourkes Kandidatur die Demokraten wieder träumen.

Es geht jetzt also in Amerika wieder um Hände. Nicht mehr um die kleinen von Donald Trump, über die sie im letzten Wahlkampf redeten, sondern um jene des Mannes, der Trump aus dem Weissen Haus verdrängen will. Am Donnerstag kündigte Beto O'Rourke an, für die Präsidentschaft zu kandidieren.
Er tat es in einer Videobotschaft, von der dem aktuellen Präsidenten nur eines in Erinnerung blieb: die Art und Weise, wie O'Rourke dabei mit den Händen gestikulierte, von links nach rechts, von oben nach unten. «Ich habe noch nie solche Handbewegungen gesehen», sagte Trump zu Journalisten. «Ist er verrückt, oder tut er nur so?» Das war als Stichelei gemeint, aber es verstärkte natürlich nur den Grad an medialer Aufmerksamkeit, die O'Rourke seit seiner Ankündigung erhalten hat: maximal.
Mehr als ein Dutzend Demokraten sind es jetzt schon, die ihre Bewerbung für die Nomination der Partei bekannt gegeben haben. Keiner der anderen Kandidatinnen und Kandidaten hat dabei einen derartigen Hype ausgelöst wie O'Rourke, der 46-jährige frühere Kongressabgeordnete aus El Paso.
Das begann schon Anfang Jahr, als sich O'Rourke in ein Auto setzte und einen Roadtrip durch Amerikas Südwesten unternahm, den er über Facebook live übertrug und dabei sinnierte, ob er nun antreten solle oder nicht. Es ging weiter mit einem Auftritt am Hipster-Festival «South-by-Southwest» in Austin, wo er zur Premiere eines sehr wohlwollenden Dokumentarfilms über seinen letzten Wahlkampf in Texas erschien, der ihn in den Senat hätte führen sollen.
«Geboren, dabei zu sein»
Und die Aufregung setzte sich diese Woche fort mit einer Titelgeschichte im Magazin «Vanity Fair», für das die Starfotografin Annie Leibovitz die Bilder schoss. O'Rourke beim Pfannkuchenessen mit der Familie, O'Rourke beim Musizieren mit seinen Kindern, O'Rourke auf einer staubigen Strasse in Texas, die Hände in den Gesässtaschen seiner Bluejeans. Nach seinen Absichten für die Präsidentenwahl 2020 gefragt, sagte er: «Mann, ich bin dafür geboren, dabei zu sein.»
Niemand mehr war also überrascht, als O'Rourke am Donnerstag in einem Café im Vorwahlstaat Iowa offiziell seine Kandidatur ankündigte. Und bereits feierten linksliberale Zeitungen wie die «New York Times» wieder die «Rockstar-Instinkte» des ehemaligen Schlagzeugers und Bassisten.
All dies bleibt erstaunlich für einen wie O'Rourke, dessen bisher grösster politischer Erfolg darin besteht, eine Senatswahl nur knapp zu verlieren. Zuvor hatte er als Abgeordneter im Repräsentantenhaus sechs Jahre verbracht, die sich bestenfalls als unauffällig beschreiben lassen. Was Führungserfahrung betreffe, erschöpfe sich seine Bilanz im Vorsitz eines Unterausschusses im Ausschuss für Angelegenheiten von Veteranen, bemerkte das Magazin «The Atlantic».
Unscharf blieb O'Rourkes Profil auch nach den Medienauftritten von dieser Woche. Im Gegensatz zu seinen demokratischen Konkurrenten verzichtete er auf konkrete politische Forderungen; er blieb inhaltlich vage, vielleicht auch, um seinen Ruf als Moderater nicht zu gefährden.
Die Macht des Ungefähren
Genau in diesem Ungefähren liegt aber womöglich seine Stärke. Schon in seinem Senatswahlkampf im vergangenen Jahr bestand seine Botschaft vor allem aus einem hochfliegenden, optimistischen Appell an die Menschen: Lasst uns an das Gute in Amerika glauben, lasst uns den politischen Gegner wieder respektieren.
«Wenn du Republikaner bist, bist du hier am richtigen Ort», sagte O'Rourke bei seinen Auftritten oft. «Wenn du Demokrat bist, bist du am richtigen Ort. Alles, was zählt, ist, dass wir gemeinsam hier sind.» Das waren natürlich floskelhafte Sätze, aber in Zeiten, in denen im Weissen Haus einer sitzt, der alles und jeden mit Wut und Spott überzieht, klingen sie für viele Amerikaner wohltuend anders.
Für O'Rourke spricht zudem nach Ansicht vieler in der Demokratischen Partei, dass er in der Hauptwahl gegen Trump bei entscheidenden Wählergruppen gut abschneiden könnte. In Texas holte er überdurchschnittlich viele Stimmen bei Frauen, bei gut ausgebildeten Wählern in den Vororten und bei jungen Wählern. Als weisser Mann, so ein weiteres Kalkül, wäre er zudem auch gut positioniert, um zumindest einen Teil der Trump-Anhänger zurückzugewinnen, die den Demokraten beim letzten Mal davongelaufen sind.
Die letzten drei Präsidenten der Demokraten waren Neulinge, Projektionsflächen für die Hoffnungen ihrer Anhänger.
Doch bevor er gegen Trump antreten kann, muss O'Rourke erst alle anderen Demokraten in den Vorwahlen ausschalten. Das ist eine andere Ausgangslage als noch in Texas, wo er mit dem erzkonservativen Senator Ted Cruz einen Gegner hatte, der in weiten Teilen der Wählerschaft unbeliebt war. Es gibt Schwierigeres, als neben Cruz als Sympathieträger dazustehen.
Bei den Republikanern glaubt man, die grösste Schwachstelle O'Rourkes bereits ausfindig gemacht zu haben: seine Haltung zum Grenzschutz. Er sei nicht nur gegen den Bau neuer Mauerabschnitte, sagte O'Rourke vor einigen Wochen an einer Kundgebung, er sei dafür, bestehende Mauern abzureissen.
Seither ist er für Trump und seine Partei ein «Extremist». Wahrer sei, schrieb hingegen das konservative «Wall Street Journal», dass man schlicht überhaupt nicht wisse, wofür O'Rourke stehe. «Wer ist Beto?», fragte deshalb die Zeitung. Die Antwort gab sie gleich selbst: einer wie Jimmy Carter, Bill Clinton und Barack Obama. Schon die letzten drei Präsidenten der Demokraten waren politische Neulinge, Projektionsflächen für die Hoffnungen ihrer Anhänger. Vielleicht sei O'Rourke der nächste.
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