«Der Gewerbeverband hat blank und bewusst gelogen»
SP-Regierungsrat Hans-Peter Wessels rechnet nach gewonnener Abstimmung mit dem Verband ab. Basel müsse nun den ÖV und die S-Bahn sowie das Velonetz ausbauen.

Vertreter der rot-grünen Parteien lagen sich in den Armen, als Vize-Regierungssprecher Marco Greiner um 12 Uhr die Resultate verkündete. Die Basler Stimmbevölkerung lehnt die beiden Initiativen des Gewerbeverbands deutlich ab. Die Initiative «Parkieren für alle Verkehrsteilnehmer» mit 58 Prozent und die Initiative «Zämme fahre mir besser!» mit rund 65 Prozent. Der Gegenvorschlag zu letzterer Initiative erfuhr mit 53 Prozent eine knappe Mehrheit. Ausgedeutscht auf die Initiativen «Parkieren für alle Verkehrsteilnehmer» bedeutet das, dass die Regierung weiterhin oberirdisch Parkplätze auf der Allmend aufheben kann. Die Initiative wollte im Gesetz verankern, dass für jeden aufgehobenen Parkplatz im Umkreis von 200 Metern ein Ersatz hätte geschaffen werden müssen.
Bei «Zämme fahre mir besser!» wollten der Gewerbeverband, Wirtschaftsverbände sowie bürgerliche Parteien erreichen, dass der motorisierte Individualverkehr nicht mehr gegen andere Verkehrsteilnehmer wie Trams, Velofahrer oder Fussgänger ausgespielt wird. Dies sollte zur Verhinderung von Spurabbau wie jüngst am Wasgen- oder Luzernerring führen. Ebenso wollte die Initiative verhindern, dass Dosierstellen mit langen Wartezeiten an Rotlichtern geschaffen werden, um die Autos an einer raschen Einfahrt in die Stadt zu hindern. Darüber hinaus sollte das Reduktionsziel von minus zehn Prozent Autofahrten aus dem Umweltschutzgesetz gestrichen werden.
Den Gegenvorschlag, den die rot-grünen Parteien im Grossen Rat zusammen mit der GLP geschmiedet haben, hat die Basler Stimmbevölkerung mit 53 Prozent Ja-Stimmen knapp angenommen. Zwar streicht auch er die minus zehn Prozent aus dem Gesetz, verlangt aber eine Stagnation beim Verkehrsaufkommen von Autos und Lastwagen in der Stadt. Der Autoverkehr muss bis 2050 umweltschonend erfolgen.
Zürich als Vorbild nehmen
Dieser letzte Abschnitt führte in den Abstimmungsdebatten zu feurigen Diskussionen. Die Befürworter der Initiativen legten dar, dass der Gegenvorschlag Autos mit Benzin- und Dieselmotoren künftig verbieten wolle und dass Einzelpersonen Autos nicht mehr besitzen dürften. SP-Bau- und Verkehrsdirektor Hans-Peter Wessels, dessen Verwaltung diesen Gegenvorschlag umsetzen muss, sagt, dass diese Aussagen «blank und bewusst gelogen» seien. «Jeder, der das Abstimmungsbüchlein oder die NZZ gelesen hat, weiss, dass das nicht stimmt.» Wessels interpretiert die Ablehnung so, dass die Basler Bevölkerung es nicht gewünscht habe, dass der Gewerbeverband einen «Kleinkrieg gegen die städtische Bevölkerung führe». «Ich denke, dass in den zerrütteten Verkehrsdebatten jetzt wieder ein Wille da ist, die verschiedenen Kräfte an einen Tisch zu bringen und nach konsensfähigen Lösungen zu suchen.»
Mit Hinblick auf die Umsetzung des Gegenvorschlags, der eine Stabilisierung des automobilen Verkehrsaufkommens trotz Wachstumsprognosen von plus 40000 Arbeitsplätzen und 20000 Einwohnern in den nächsten Jahren fordert, sagt Wessels: «Ein Blick auf Zürich genügt um zu beantworten, wie wir das umsetzen können. Wir müssen den ÖV und die S-Bahn ausbauen sowie die Velofahrer fördern, dann können wir dieses Wachstum bewältigen, ohne dass der Autoverkehr wächst.» Das sei eigentlich nichts neues, als dass die Verkehrspolitik in Basel während der letzten zehn Jahre verfolgt habe.
Zu den Zielen, bis 2050 nur noch umweltfreundliche Antriebsarten zuzulassen, sagt Wessels: «Wir müssen Anreize schaffen, damit die Leute auf andere Antriebsformen umsteigen. Es ist eigentlich simpel. Wir müssen das weiter verfolgen, was wir bei den BVB mit der Forderung nach Elektrobussen bis 2027 umsetzen oder beim Projekt ‹Wirtschaft unter Strom›, wo das Gewerbe mit Gelder an Elektroautos subventioniert wird.» Zudem müsse man wie angedacht Ladestationen für Elektroautos auch auf öffentlichem Grund fördern.
Initianten des Gegenvorschlags beim Wort nehmen
Für Lisa Mathys, SP-Grossrätin und Co-Präsidentin im Komitee des Gegenvorschlags, zeigt die Ablehnung der Initiativen und die Annahme des Gegenvorschlags, dass die Bevölkerung sich Lebensqualität wünsche. «Die Leute sagen, dass der Platz ihnen gehört und nicht parkierten Autos.» Sie sieht das Resultat als eine Bestätigung der rot-grünen Verkehrspolitik. Dass der Gegenvorschlag durchgekommen sei, bedeute, dass jetzt innovative Modelle wie Autosharing gefördert werden müssten. Die Autos müssten besser ausgelastet sein. Es sei erklärtes Ziel, dass die Leute nicht auf ein eigenes Auto angewiesen seien. «Das gilt es mit Modellen derart zu fördern und zu lenken, dass in diese Richtung ein Wandel stattfinden kann. Verbote, wie die Initiativbefürworter das erzählt haben, streben wir aber sicher nicht an.»
Der Gewerbeverband Basel-Stadt will Mathys hier beim Wort nehmen. Wie er in einer Mitteilung schreibt, fordert er eine «moderate» Umsetzung des Gegenvorschlags. Die Versprechung, dass Privateigentum von Autos und die individuelle Nutzung von Motorfahrzeugen nicht eingeschränkt würden, müsse eingehalten werden. Ebenso gehörten Elektroautos oder Fahrzeuge mit Wasserstoffantrieb zu den «umweltfreundlichen» Verkehrsmitteln.
«Gegner haben besser mobilisiert»
SVP-Grossrat Felix Wehrli sieht das anders. «Mit diesem Gegenvorschlag wird es in Basel-Stadt künftig schwierig, ein Auto zu besitzen und irgendwohin fahren zu können.» Aber natürlich gelte es diesen Volksentscheid zu respektieren. Wehrli hat das Gefühl, dass die Befürworter der Initiativen zu wenig gut hätten mobilisieren können. «Das ist den Gegnern einfach besser gelungen.» Ihn ärgere diese Niederlage.
Der andere Co-Präsident des Gegenvorschlag Komitees, GLP-Grossrat David Wüest-Rudin, sieht in der Abstimmung einen Grundsatzentscheid, der die Verkehrspolitik in Basel-Stadt in den nächsten zehn bis 15 Jahren prägen werde. «Ich denke, dass wir nun in diese Richtung arbeiten können, ohne ständig über die Bücher zu müssen. Dieser Entscheid stärkt der Regierung den Rücken beim Weg, den sie in der Verkehrspolitik eingeschlagen hat.» Als ein Beispiel nennt Wüest-Rudin das Carsharing-Angebot von Mobility-Go, wo die Mitglieder die Autos in sämtlichen Zonen der Stadt parkieren können. Die Regierung hat das ermöglicht, indem sie den Autos Parkieren in allen Zonen der Stadt erlaubt hat. Anwohner beispielsweise dürfen Parkkarten für zwei Zonen lösen. Diese müssen aneinander angrenzen und entweder im Klein- oder im Grossbasel liegen.
Der Gewerbeverband nimmt auch Wüest-Rudin in die Pflicht. So ist mit dem Gegenvorschlag auch die Bevorzugung des ÖV und der Velos gegenüber dem Auto gestrichen worden. Die Befürworter des Gegenvorschlags müssten nun dafür sorgen, dass alle Verkehrsteilnehmer, auch die Autofahrer, vor «vermeidbaren Gefährdungen und Behinderungen geschützt werden».
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