Der Fallschirm reisst in München
Etliche Male hat sich 1860 München mit grösster Mühe gerettet, nun steigt der Club aus der 2. Bundesliga ab. Viele Fans zeigen sich von ihrer schlechten Seite.
Es war zur Tradition geworden, dass die Fröttmaninger Arena am Saisonende, wenn das Damoklesschwert ganz nahe über ihr schwebt, plötzlich auch bei einem Heimspiel des TSV 1860 München gut gefüllt ist. Da kamen sie in Scharen, die Löwenfans, die es ja doch noch gibt, Dicke, Dünne, Grosse, Kleine, Kinder, Rentner, Investorenfreunde, die von der Champions League träumen, Traditionalisten, die für eine selbstbestimmte Zukunft gerne in die Bayernliga gehen würden, und die ob der Clubpolitik zerrissenen Ultras.
Einfach alle (ausser natürlich die Arenaverweigerer, die es ja auch gibt). 62'200 Menschen sorgten diesmal für einen Rekord in einem Relegationsspiel zwischen zweiter und dritter Liga sowie, nun ja, für Champions-League-Atmosphäre. Sie waren es gewohnt, dass es hintenraus dann doch immer was zu feiern gab.
Aufgebrachte Fans, schlechte Löwen
Doch diesmal war alles anders. Der dritte Versuch hintereinander, eine verkorkste Saison auf den letzten Drücker zu retten, ging nicht mehr gut. Die vielen Menschen mit den entsetzten, traurigen und wütenden Gesichtern bildeten ein Gemälde, auf dem abgebildet war, was bei diesem Verein in den vergangenen Jahren systematisch ruiniert worden ist. Und die Fratze des wütenden Löwen, als die aufgebrachten Fans aus der Nordkurve zehn Minuten vor Schluss den Platz stürmen wollten und eine lange Spielunterbrechung verursachten. Die Polizei rückte mit einem Grossaufgebot an, um den Weg zu versperren; Assistenztrainer Daniel Bierofka eilte zur Beruhigung herbei. «Ausser Biero könnt ihr alle geh'n», war die gesangliche Antwort.
1860 verlor 0:2 (0:2) - mit dem portugiesischen Trainer Vitor Pereira, Zugängen aus aller Welt und Altgedienten ohne Perspektive war diesmal zu viel kaputt gegangen, um es hintenraus noch schnell zu kitten. «Wir waren nicht so zu 100 Prozent eine Mannschaft, wie man es sein sollte, wir haben nie zu 100 Prozent so auf dem Platz gestanden, wie man es sollte», erklärte Mittelfeldspieler Michael Liendl hinterher. «Zudem haben wir über die zwei Relegationsspiele nie unser Niveau erreicht, haben immer wieder individuelle Fehler gemacht, waren immer wieder nicht nah genug am Mann.» Die über 5000 mitgereisten und alle in Rot gekleideten Regensburger durften feiern, der Jahn ist mit neu gebauter Arena im Eiltempo in die zweite Liga zurückgekehrt.
Heiko Herrlich, der Störenfried
Als seine Spieler ihn in der Pressekonferenz mit Bier überschütten wollten, entschuldigte sich Jahn-Trainer Heiko Herrlich geradezu: «Die Spieler haben da kein Gefühl dafür. Mir tut es im Herzen weh, was hier bei Sechzig passiert. Unter den Rahmenbedingungen ist es unglaublich schwer, hier zu arbeiten.» Sein Kollege Pereira, der einst mit Porto und Olympiakos Meister wurde, erklärte in einer emotionalen Rede quasi seinen Rücktritt, indem er sich von allen verabschiedete. «Wir sind nicht in diesen zwei Spielen abgestiegen, da waren wir sowieso schlechter. Sondern vorher, als wir die Möglichkeiten hatten, Punkte zu holen. Es geht auf meine Kappe, es war ein Risiko-Projekt, das ich angenommen habe, und leider hat es nicht gereicht.»
Nach 41 Minuten stand es in dieser Partie 0:2. Sechzig, das zu Spielbeginn noch keinen eigenen Treffer zum Erfolg benötigt hatte, brauchte nun drei Tore. Die Jahn-Fans dominierten die Atmosphäre, überall sonst machte sich das Entsetzen breit. «Scheiss auf den Scheich, Scheiss auf sein Geld», sangen die Münchner Ultras trotzig. Die Stimmung kippte, irgendwann wurden Sitzschalen und Stangen aufs Feld geworfen wurden. Nach Spielschluss blieb das Szenario noch lange bestehen, während die Löwen-Spieler verstreut auf dem Platz kauerten.
«Natürlich ist das übertrieben, ich befürworte das nicht, das ist eine Katastrophe in dem Ausmass», sagte Mittelfeldspieler Liendl, der den Club vermutlich wie so viele andere verlassen wird. Der Österreicher dankte aber auch dem friedlichen Teil der Anhänger: «Es ist überragend, wie uns die Fans die Saison über immer unterstützt haben. Es werden heute noch viele sagen, wie leid es ihnen für sie tut.» Nach den gezeigten Leistungen fiel es nur schwer, das zu glauben.
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