Der Exit vom Brexit ist ohne weiteres möglich
Es gibt den Weg zurück, und er ist nicht einmal so hürdenreich wie gedacht: Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat gestern entschieden, dass Grossbritannien den Brexit vor dem Austrittstermin am 29. März 2019 noch stoppen und Mitglied der Europäischen Union bleiben könnte. Die Regierung könnte den Entscheid einseitig treffen, ohne die europäischen Partner zu fragen.
Die Richter in Luxemburg entschieden im Eilverfahren und auf Antrag des obersten schottischen Zivilgerichts. Konkret ging es um die Interpretation des Artikels 50 im EU-Vertrag, der den Austritt eines Landes aus der EU regelt. Nach dem Votum für den Austritt im Juni 2016 hatte die britische Regierung am 29. März 2017 die übrigen EU-Staaten offiziell darüber informiert, dass das Land die EU verlassen will. Das war der Startschuss für das zweijährige Austrittsverfahren. Die Richter in Luxemburg interpretierten nun im Umkehrschluss, dass die Regierung in London den Austrittswunsch innerhalb der zweijährigen Frist auch wieder zurückziehen könnte. Grossbritannien bliebe dann zu unveränderten Bedingungen Mitglied der EU. Die Briten könnten also etwa ihren umstrittenen Rabatt auf den Mitgliedsbeitrag und ihre zahlreichen «Opt out»- Regelungen beibehalten.
Rückzieher einfacher
Die Schwelle für einen Rückzieher vom Austritt ist also niedriger als ursprünglich gedacht. Kein Wunder, ist das Urteil eine grosse Aufmunterung für die Gegner des Brexit in Grossbritannien. Manche Beobachter waren davon ausgegangen, dass es für den Verbleib der Briten in der EU die Zustimmung aller europäischen Partner brauchen würde. Entsprechend hatten die EU-Kommission und die Ländervertretung vor dem obersten Gericht argumentiert. Brüssel befürchtet, dass bei einem einseitigen Widerrufsrecht ein Mitgliedsstaat den Austrittsartikel 50 missbrauchen könnte, um bessere Bedingungen herauszuholen. So könnte ein Land immer kurz vor Ablauf der zweijährigen Verhandlungsfrist den Austrittswunsch zurückziehen und wenig später wieder einreichen.
Tatsächlich stiess das Urteil gestern ausser bei den britischen «Remainern» auf wenig Begeisterung. Auch für Theresa May macht es der Entscheid aus Luxemburg nicht einfacher. Wer ihren Austrittsdeal mit Brüssel ablehne, riskiere den chaotischen Brexit, hatte die Premierministerin argumentiert. Dank der Richter in Luxemburg steht der Verbleib der Briten in der EU nun plötzlich als einfache dritte Option im Raum. Wenn ein Staat die Notifizierung zurückziehen wolle, sei dies eine souveräne Entscheidung, den Status als Mitglied der EU beizubehalten, schreiben die Richter in ihrem Urteil.
Neue Volksabstimmung
Einzige Bedingung: Der Widerruf müsse im Rahmen eines «demokratischen Prozesses und in Übereinstimmung mit den nationalen Verfassungsbestimmungen» erfolgen. Konkret dürfte dies bedeuten, dass nach Auffassung des EuGH analog zum Votum für den Brexit ein Rückzug des Austrittswunsches in einer Volksabstimmung abgesegnet werden müsste.Stephan Israel
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