Der böse Hai lauert wieder
In «The Meg» ist der Hai für den Menschen wieder Fressfeind Nummer 1. Meeresbiologen und Haischützer freut das wenig.
Die gefletschten Zähne voran taucht der Hai aus dem Dunkel des Ozeans auf, so will es die Filmtradition. Zielgerichtet wie ein Torpedo schwimmt er gen Wasseroberfläche, wo ein armes Menschlein versucht, verzweifelt kraulend seiner unglücklichen Position in der Nahrungskette zu entkommen. Ja, der Hai als grösster Fressfeind des Menschen ist zurück in den Kinos. «The Meg» heisst der Horror diesmal, die Poster erinnern an den Klassiker «Jaws». Nur ist alles noch viel schlimmer. Denn der Megalodon, ein Hai aus Urzeiten, lauert jetzt den Schwimmenden auf. Und mit seinen zwanzig Metern lässt er den Weissen Hai wie einen Zierfisch aussehen.
In den US-Kinos ist der Thriller «The Meg» fulminant gestartet. Die Warner-Studios und Kinobetreiber dürften sich darüber freuen, Meeresbiologen und Haischützer hingegen werden den Kinoerfolg mit Sorge betrachten. Denn bei keinem anderen Tier ist Artenschutz so sehr mit populärkultureller Darstellung und Medienpsychologie verzahnt, wie beim Hai.
Nach «Jaws» jagte man Haie
Den Anfang dieser unglücklichen Beziehung Hai - Populärkultur machte «Jaws» von 1975. Steven Spielbergs Klassiker verkorkste nicht nur zahlreichen Familien einen ganzen Badesommer am Meer, sondern prägte über Generationen hinweg das Bild vom Hai als rachsüchtiger Menschenjäger. Die Auswirkungen des Films haben US-Meeresbiologen ausführlich erforscht: Angespornt vom Film, töteten Sportfischer nach 1975 entlang der US-Ostküste rund 2000 Haie. Die Population mehrerer grösserer Arten sank dort in wenigen Jahren um bis zu 90 Prozent. Schliesslich waren die Haie ja böse und das Haie-Jagen somit eine heroische Tat.
Ein Viertel aller Haiarten ist heute vom Aussterben bedroht; der Weisse Hai etwa steht schon seit den 1990ern unter Schutz. Doch die Idee, dass Haie schützenswert sind, verbreitet sich nur langsam. Wie sollte sie auch. In den Jahrzehnten seit «Jaws» haben Medien und Populärkultur viel dazu beigetragen, uns den Hai weiterhin als Fressfeind Nummer 1 zu zeigen. In «Deep Blue Sea» jagen intelligente Haie Menschen, in «The Shallows» hat es ein hartnäckiger Hai gezielt auf eine Surferin abgesehen, und die «Shark Week» des Discovery Channel erweckt jährlich seit drei Jahrzehnten den Eindruck, wöchentlich fielen Dutzende Menschen Haiattacken zum Opfer.
Weniger Musik, positiveres Bild
So befassen sich auch längst nicht mehr nur Meeresbiologen mit Haien und deren Schutz, sondern auch Psychologen und Medienwissenschaftler. Studien haben gezeigt, dass nur schon die Abwesenheit von dramatischer Musik unter einer Filmsequenz die Zuschauer positiver auf Haie reagieren lässt. Und neutral gehaltene Beiträge in der «Shark Week» führten bei Probanden zu einer grösseren Bereitschaft, sich für den Schutz dieser Tiere einzusetzen.
Dass an «Jaws» und Co. nicht alles nur schlecht ist, fand schliesslich der Naturschutzbiologe und Hai-Fan David Shiffman heraus. Er hatte sich bei zahlreichen jüngeren Kolleginnen und Kollegen umgehört und entdeckt, dass nicht wenige von ihnen ihre Faszination für Haie den reisserischen Filmen der vergangenen vier Jahrzehnte zu verdanken haben. Also dann, «The Meg» läuft, die nächsten Generation von Meeresbiologinnen und -biologen kann kommen.
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