Eishockey-Agent Joël WüthrichDer Basler, der bei den Montreal Canadiens einen Stammplatz hat
Joël Charles Wüthrich arbeitet seit zehn Jahren im Schweizer Eishockey als Spielervermittler. Sein Arbeitsbereich geht jedoch über das reine Transferieren von Akteuren hinaus.

Foto: Nicole Pont
Joël Charles Wüthrich sagt, es gehe ihm nicht ums Geld. Zumindest in seiner Tätigkeit als Sportagent im Eishockeybereich nicht. Was zunächst nach einem viel gehörten, aber wenig bedeutenden Satz wirkt, wird nachvollziehbarer, wenn der 56-Jährige mehr über seinen Job erzählt – oder besser gesagt, seinen Nebenjob. So nimmt seine Beschäftigung als Agent 30 bis 40 Prozent seines Pensums in Anspruch. Der Rest besteht aus der Führung und Inhaberschaft einer PR-Agentur in Basel und einer Tätigkeit als Dozent an Höheren Fachschulen sowie als Co-Verleger der «Jazztime AG», eines Publikationsnetzwerkes für die Schweizer Blues- und Jazzszene.
Obwohl er nicht Vollzeit als Agent arbeitet, ist Wüthrich mit ganzer Leidenschaft am Werk. Beinahe täglich steht er in engem Kontakt mit seinen Klienten, berät, hört zu, organisiert. Egal, ob es sich um private oder berufliche Angelegenheiten handelt: Wüthrich versucht stets, die optimale Lösung für seine Kunden zu finden, zu denen Spieler, aber auch Trainer gehören. «Es ist eine Ganzjahresbetreuung», betont er. Und: «Um jeden kümmere ich mich gleich.» Unabhängig davon, welchen Status der Klient derzeit gerade hat.
So scheut Wüthrich auch nicht davor zurück, Topspielern die Aufnahme in sein Portfolio zu verweigern, wenn die Chemie nicht stimmt. «Das kann noch so ein Superstar sein», erzählt er. «Passt er nicht in meine Philosophie, sage ich Nein.» Der Spielervermittler kann es sich aufgrund des Teilpensums also offenbar leisten, so selektiv bei seiner Kundenakquise zu sein: «Ich bin nicht abhängig von Provisionen.» Vielmehr müsse er seine Spieler mögen, dann sei er auch gewillt, alles für sie zu tun.
Spieler in allen Ligen
Dass dem Agentenbusiness Provisionsgier nachgesagt wird und dessen Reputation in der Sportbranche dadurch beschädigt wurde, stört Wüthrich ohnehin: «Gute Agentinnen und Agenten leisten sehr viel mehr als das, was man als Aussenstehender sieht. Viel mehr.» So bekräftigt er: «Bei uns steht das Wohl des Klienten im Vordergrund.»
Mit uns meint Wüthrich die Sportagentur «Sportagon», deren Schweizer Dépendance er leitet. Er arbeitet einerseits eng mit Peter Meier zusammen, der für den deutschen Markt verantwortlich ist, andererseits auch mit Partneragenturen in Skandinavien und Nordamerika. «Wir haben Spieler in allen Ligen», sagt der 56-Jährige. Und über den nordamerikanischen Partner auch solche Spieler wie Ryan Nugent-Hopkins im Portfolio, der im NHL-Draft 2011 von den Edmonton Oilers an erster Stelle gezogen wurde.
Jener Peter Meier war es auch, der ihn vor rund zehn Jahren ins Boot holte. Seit 1988 im Eishockeybereich tätig, war Wüthrich unter anderem jahrelanger Chefredaktor beim Hockey-Magazin «Slapshot». Zudem war er mitverantwortlich für die Entwicklung der Crossmedia-Strategie des Spengler-Cups, für das PR-Konzept und das Markenmanagement. Über die Jahre hinweg erarbeitete sich Wüthrich so ein umfangreiches Netzwerk in der Welt des Hockeys. Ein Netzwerk, das Meier dazu veranlasste, ihm vorzuschlagen, in der Schweiz eine «Sportagon»-Niederlassung aufzutun. Angetan von dieser Idee, sagte Wüthrich: «Ich möchte das aber so machen, wie ich das für richtig halte.»
Auf diese Weise entwickelte sich dieses Geschäftsmodell, das sich im Vergleich zu anderen Agenturen eben auch auf sogenannte «Schwellenspieler» spezialisiert hat. Das sind Akteure, die sozusagen sportlich an der Schwelle zwischen den Ligen stehen. Aber es geht ebenfalls um jene, die während ihrer Karriere nicht genug Geld verdienten, als dass sie bei ihrem Rücktritt ausgesorgt hätten. «Viele Agenturen wollen gewisse Spieler nicht betreuen, weil sie mit ihnen nicht genug Geld verdienen. Wir glauben aber an sie und vertreten sie mit vollem Engagement. Das gilt auch für die Karriere nach der Karriere.» So hilft die Agentur von Wüthrich diesen Spielern dabei, schon während der aktiven Sportlerkarriere Eintritt in die Arbeitswelt zu finden, sei dies in der Privatwirtschaft oder auch in einer anderen Funktion innerhalb des Sports.
Wüthrichs Drähte glühen
Des Weiteren betätigt sich «Sportagon» in den Bereichen des Scoutings und – logischerweise – der Spielervermittlung. So nahm auch der EHC Basel die Dienste Wüthrichs schon oft in Anspruch. Der derzeitige Topskorer der Basler beispielsweise – Jakob Stukel – wurde von Wüthrichs Agentur gescoutet, als Klient gewonnen und an die Verantwortlichen um den damaligen Cheftrainer Christian Weber (auch ein «Sportagon»-Klient) und Sportchef Olivier Schäublin herangetragen. Gemeinsam wurde die Neuverpflichtung des Kanadiers realisiert, die sich, wie man nun weiss, für den EHC bereits jetzt ausgezahlt hat.
Transfers wie diese sorgen dafür, dass Wüthrichs Drähte glühen: Derzeit geht es für die Schweizer Eishockeyvereine – besonders für die aus der National League – darum, für die Playoffs ein vollständiges Kader zu haben. Dafür konnten sie bis zur Deadline am 31. Januar Spieler aus der Swiss League holen und mit B-Lizenzen ausstatten. Im Falle eines Ausscheidens aus den dort momentan laufenden Playoffs wären diese Akteure bei Bedarf bis Saisonende verfügbar. Zudem ist es für die Clubs wichtig, stets ihr Ausländerkontingent auszufüllen. Der Sportagent versucht intensiv, diese Wünsche in Erfüllung gehen zu lassen – auch im Hinblick auf die bereits laufende Personalplanung für die kommende Spielzeit.
Für Wüthrich stellen diese komplexen Aufträge aber keine Anstrengung dar. Im Gegenteil: «Dieser Beruf ist für mich ein Privileg.» Denn Eishockey ist Wüthrichs grösste Passion: Er hat Familie in Montreal, wo der Sport nochmals eine andere Bedeutung hat, und ist leidenschaftlicher Fan der Montreal Canadiens. In der Heimspielstätte des Vereins, im «Centre Bell», hat Wüthrich einen fixen Presseplatz. Obwohl er selbst nie Profispieler war, ist die Hauptmotivation für seine Tätigkeit eng mit der Sportart verknüpft: «Ich gebe dem Eishockey nur das zurück, was es mir persönlich und beruflich gegeben hat.»
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