«Der Alex» darf alles
Nach den Italiener-Witzen: Dass Stadtpräsident Alexander Tschäppät so sein kann, wie er ist, liegt an den Machtverhältnissen in der Stadt Bern. Er ist ein demokratisch legitimierter Alles-Dürfer.
Man hat sich an Alexander Tschäppäts Humor gewöhnt. Sonst hätte es nicht zwei Wochen gedauert, bis die Ausländerwitze, die der Berner Stadtpräsident bei seinem Comedy-Auftritt in «Das Zelt» riss, Empörung auslöste. Während Tschäppäts bald zehnjähriger Regentschaft in der Bundesstadt hat sich die Geschmacksgrenze dessen, was ein Stadtpräsident sagen darf und was nicht, nach unten verschoben.
«Wissen Sie, warum die Italiener so klein sind? Weil die Mütter stets sagten: Wenn du mal gross bist, musst du arbeiten gehen.» Kein Oberhaupt der Stadt Bern oder einer anderen grösseren Schweizer Stadt hätte sich in früheren Jahrzehnten öffentlich und bewusst einen solchen Spruch erlaubt. Tschäppät liess es in seinem vorbereiteten Text nicht bei einem bewenden.
Grössere Aufmerksamkeit dank Youtube
«Der Alex» sei halt so, sagen die Genossen über den roten Stadtvater. Als er 2010 in einer Berner Beiz auf den Tisch stieg und seinen «Fuck Blocher»-Rap zum Besten gab, fanden das viele Linke sogar noch lustig. Doch jetzt, da die Ausländer Tschäppäts Humor zu spüren bekommen, vergeht auch ihnen das Lachen. Kommt dazu, dass vieles von dem, was der «Stapi» in den letzten Jahren scherzeshalber darbot, ohne dass ein breites Publikum via Youtube davon Kenntnis nehmen konnte, insbesondere SP-Frauen nicht sonderlich amüsierte.
Dass «der Alex» so sein kann, wie er ist, liegt an den Machtverhältnissen in der Stadt Bern. Seit 22 Jahren sagt Rot-Grün, wo es langgeht. Dass die linke Vorherrschaft dermassen zementiert ist, ist auch Tschäppäts Verdienst. Deshalb haben seine Parteifreunde keine Lust, dem «Stapi» wirksam beizubringen, was sich für einen Mann in diesem Amt gehört. Oder sie getrauen sich nicht. Einige schonen ihn, um die eigene Karriere in der Politik oder Verwaltung nicht zu gefährden. Politisch kann sich die SP die Nachsicht gegenüber Tschäppät locker leisten: Die «Ausrutscher» des redseligen «Stapi» haben der Partei bisher politisch nie spürbar geschadet.
Sittengemälde einer Stadt
Tschäppäts Ausländerwitze werden so zum Sittengemälde einer Stadt, in der die Chance gering ist, dass in absehbarer Zeit die politische Mehrheit wechselt. Wer nicht befürchten muss, dass bei den nächsten Wahlen Posten und Pfründe verloren gehen, kann sich vieles erlauben. Also auch, Neapolitaner als arbeitsscheu hinzustellen, indem man das Publikum rhetorisch fragt: «Ä Südländer wo zviu chrampfet?»
Unangefochten in der eigenen Partei, beim grünen Bündnispartner und in der Wählerschaft, ist Tschäppät gegenwärtig daran, dem rot-grünen Regime über seine Amtszeit hinaus den Stempel aufzudrücken: Provokativ zielstrebig baut er die frühere SP-Nationalrätin und heutige Gemeinderätin Ursula Wyss zu seiner Nachfolgerin im präsidialen Erlacherhof auf, im schmucken Patrizierpalais aus der Zeit des Ancien Régime. Tschäppät ist ein demokratisch legitimierter Alles-Dürfer. Er lebt vor, wohin es führen kann, wenn die politische Mehrheit immer die gleiche ist.
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