Der Agglo-Bschiss
Abbau statt Ausbau: Autofahrer finanzieren die Vernichtung ihrer Strassenflächen über die Mineralölsteuer.

Wer in der Region beruflich unterwegs ist, bekommt es tagtäglich zu spüren: Staus im Leimental, Stau bei Aesch, überhaupt im Birstal. Stau auf der Autobahn. Und ein Stehverkehr in der Stadt. Man könnte sich nun über die Bereitschaft des Bundesamts für Raumentwicklung freuen. Es zeigt sich willens, im reichlichen Ausmass Gelder – 107 Millionen Franken für die priorisierten Projekte und für die Behebung der Verkehrsprobleme – in die Region Basel zu leiten. Gelder, die die Autofahrer beim Tanken über die Mineralölsteuer in den Nationalstrassen- und Agglomerationsverkehrsfonds (NAF) einbezahlt haben. Neben Projekten zum Ausbau von Velo- und Fussgängerwegen und Verbesserung des ÖV-Angebots sind immerhin neun Projekte zugunsten des sogenannten motorisierten Individualverkehrs, sprich für die Autofahrer, ausgeschieden worden.
«Eine Frechheit», fasst aber der ACS-Geschäftsführer, Christian Greif, den Verwendungszweck dieser Geldmittel zusammen, nachdem er die Liste der unterstützenden Auto-Projekte unter die Lupe genommen hat. Es beginnt schon bei der Kategorisierung der eingereichten Projekte durch die Kantone: Der Doppelspurausbau für den 10er an der Heuwaage wird begleitet von Worten wie «ÖV-Priorisierung, Velomassnahmen, Verbreiterung der Trottoirs, hindernisfreier Zustieg zum ÖV beim Zoo, Tempo 30 und Birsigstrasse nur noch für Quartierverkehr». Trotzdem verkaufen die Behörden das Projekt als «für den motorisierten Verkehr».
Veloprojekt wird Autoprojekt
Wo die einseitige Einteilung wie im Fall Heuwaage vom Bau- und Verkehrsdepartement unter Regierungsrat Hans-Peter Wessels (SP) nicht schon auf Kantonsebene vorgenommen wurde, hat das Amt für Raumentwicklung beim Bund (ARE), unter Leitung der linken Baslerin Maria Lezzi (SP), nachgeholfen. Vier der neun Projekte, die selbst beim Kanton unter ÖV oder Langsamverkehr figurieren, sind in Bern umgewidmet worden und stehen nun auf der Liste «für die Autofahrer».
Wer die Projekte genau anschaut, erkennt schnell, dass hier die Autofahrer für dumm verkauft werden, die Verlierer sind und an Verkehrsfläche einbüssen. Die Beispiele: Der Veloweg zwischen Augst und Giebenach ist vom Verein Agglo Basel – er arbeitet die Projekte zur Entscheidungsreife für den Bund aus – noch plausibel als «Langsamverkehrsprojekt» deklariert. Als «Optimierungen für die Fussgänger und Velofahrer» beschreibt er es.
Beim Bundesamt für Raumentwicklung ist es zum Projekt für motorisierten Individualverkehr geworden. Als Auto-Projekte gelten dann auch plötzlich die geplanten Kaphaltestellen fürs Tram an der Burgfelderstrasse-Missionsstrasse-Spalenvorstadt mit Öffnung für die Velos. Nach der Umwidmung in Bern hat auch die «Fahrplanstabilität der Busse BL» im Bereich Hardwald/Schweizerhalle kurioserweise mit Individualverkehr zu tun. In der Region wurde es noch als ÖV-Projekt deklariert.
Das erstaunt. Denn offiziell sind Projekte auf der Liste für den «motorisierten Individualverkehr» Vorhaben, «die zur Verbesserung der Effizienz» des Autoverkehrs dienen. Der Bund konkretisiert: Behebung von Engpässen und von negativen Auswirkungen des Autos für das Verkehrsmanagement. Für ÖV- und Fussgängerprojekte sind extra andere Kategorien geschaffen worden. Eine scharfe Abgrenzung ist zugegebenermassen bei Projekten mit mehreren Zielgruppen schwierig.
Neue Schikanen für Autofahrer
Am Telefon schwadroniert Isabelle Scherrer, Leiterin Programm Agglomerationsverkehr beim Bund, ihre Neukategorisierung habe damit zu tun, dass die Projekte auf Strassen umgesetzt würden. Die Frage, weshalb umgekehrt Projekte wie die Busverbindung übers Bruderholz oder das Tramprojekt Clarastrasse (die ebenso auf Strassen stattfinden) dann doch ÖV-Projekte geblieben sind, kann sie nicht erklären. Später schickt die PR-Abteilung des Bundes folgende Erläuterung: «Die Zuteilung zu den verschiedenen Kategorien erfolgt nach standardisierten Kriterien. Weicht die vom Bund vorgenommene Kategorisierung von derjenigen der Agglomeration ab, liegt das am Inhalt der Massnahme.»
Wohl um den Anschein zu erwecken, man tut etwas für die Autofahrer, ist auch die Verlegung der Naustrasse in Laufen aufgeführt. Das Projekt wurde aber vom Volk vor einem Jahr an der Urne beerdigt. Dann gäbe es auch weitere Worte zu den von den Kantonen deklarierten Projekten «motorisierter Individualverkehr» zu verlieren – etwa zum Projekt Freiburgstrasse. Es zeichnet sich durch Parkplatzabbau und neue Schikanen für die Autofahrer beim Zoll aus. «Von den neun Projekten zugunsten des motorisierten Verkehrs profitiert der Autofahrer nach meiner Einschätzung gerade von einem einzigen», sagt Christian Greif – «dem Zubringer Dornach/Aesch an die A18.» Wobei einschränkend gesagt werden muss, dass der Gewinn mittels Beschränkungen im Ortszentrum gleich wieder kompensiert wird.
Ideologisch geführtes Bundesamt
Ausgerechnet das für die Staubekämpfung in der Region gewinnbringendste eingereichte Projekt – der Vollanschluss Aesch – hat der Bund auf der Prioritätenliste nach hinten gesetzt. Immerhin hat sich Agglo Basel in seiner Stellungnahme nun für die Priorisierung dieses Projektes starkgemacht.
Wie kommt es dazu? Nationalrat Thierry Burkart (FDP), Mitglied der nationalrätlichen Kommission für Verkehr- und Fernmeldewesen, wird deutlich: «Das ist ein Bubentrickli.» Das Amt für Raumentwicklung in Bern sei dafür bekannt, dass der motorisierte Verkehr nicht zu seinen Prioritäten gehöre. «Die Kantone sind vom Amt für Raumentwicklung bereits so erzogen worden, dass sie ohnehin in erster Linie ÖV-lastige Projekte einreichen, weil nur die eine Chance haben», so Burkart.
Der Verein Agglo Basel unter Patrick Leypolt hat in diesem Spiel grundsätzlich gute Arbeit geleistet. Im Gegensatz zu den meisten anderen Kantonen haben sie Verkehrsprojekte in der Region so entscheidungsreif aufbereitet, dass der Bund bereit ist, 40 Prozent der Kosten zu übernehmen. Das haben von 36 Agglomerationen nur acht geschafft. «Wenn auf diese Weise Geld in die Region fliesst, sind fast alle glücklich und nehmen leider in Kauf, dass die Autofahrer die Verlierer sind», sagt Christian Greif etwas verzweifelt.
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