Der abtrünnige Einzelkämpfer
Seit 2005 hat Stephan Wenk keine Duathlon-EM verpasst. Am Sonntag in Irland hofft der Zürcher auf einen siebten Start, der unter ganz neuen Vorzeichen stehen würde.
Von Deborah Bucher Es war ein langer Findungsprozess. Vollständig abgeschlossen ist er noch nicht. Aber Stephan Wenk befindet sich auf bestem Weg. Das umgekrempelte Leben behagt ihm. Im letzten Herbst siedelte er nach Maidstone über, in die Hauptstadt der Grafschaft Kent im Südosten Englands, rund 50 km von London entfernt. Statt mit den Eltern in Greifensee teilt er sich das Daheim nun mit drei Mitstudenten in einem geräumigen, aber schon etwas baufälligen Haus. Am Partnercollege der University of Greenwich hat Wenk ein Osteopathie-Studium aufgenommen, das ihn die kommenden vier Jahre auslasten wird. Er berichtet von einer «erfolgreichen Suche». Denn lange hatte er berufliche Perspektiven geprüft. Nach seinem abgebrochenen Studium in Bewegungswissenschaften vor über zwei Jahren arbeitete er zunächst im Sport-Detailhandel und lebte zuletzt fast zwölf Monate lang als Profiathlet im Ausdauerbereich. «Die neue Ausbildung deckt sich mit meinen Vorstellungen von der Zukunft», bestätigt der 28-Jährige. Zudem war er wieder hungrig nach geistiger Nahrung. Sport spielt die zweite Geige Gefunden hat Wenk auch seine Trainingsmotivation wieder, «nachdem es im Winter auf den schneebedeckten Strassen enorm harzig gelaufen ist und ich ganz auf mich allein gestellt war». Kürzlich fand er Anschluss bei einer Laufgruppe. Dort erreicht zwar niemand sein Niveau, aber der Gast ist gleichwohl dankbar für die gemeinsamen Intervall-Einheiten. Seit sich der Zürcher Oberländer ein Auto angeschafft hat, kann er auch Bahntrainings absolvieren. Dafür muss er in die nächstgelegene Stadt fahren. Denn den 150 000 Einwohnern von Maidstone sind Einrichtungen wie Tartan- oder Finnenbahnen fremd. «Dafür sind sie fanatisch nach Landhockey, Fussball, Rugby und Cricket.» Selbst beim Schweizer steht der Lauf- und Bikesport nicht mehr ganz hoch im Kurs. Der Stellenwert hat sich gewandelt, die Prioritäten wurden zugunsten des Studiums verschoben und der Aufwand mit vielleicht noch fünf Trainings pro Woche merklich reduziert. Dafür entdeckte Wenk eine andere alte Leidenschaft neu: Nach über acht Jahren Pause spielt er wieder Violine und probt in einem Sinfonieorchester. Als Inselhüpfer an die EM Seit acht Monaten und einem Trainingslager in der Türkei hat Wenks sportliche Karriere dennoch wieder etwas Schwung aufgenommen. In Eastleigh (Gb) bestritt er Ende März einen Strassenlauf über 10 000 m und unterbot in 31:29 Minuten die Selektionszeit für die Duathlon-EM um eine Sekunde. «Eine solche Punktlandung war nicht geplant. Aber erfüllt ist erfüllt», sagt er schmunzelnd. Wenk reiste als einziger Schweizer über Dublin an die kontinentalen Titelkämpfe nach Limerick (Irl) und musste hierfür als neuer Wahl-Brite nur die Insel wechseln. Sein langjähriger Teamkollege Andy Sutz, der Europameister von 2009 in Budapest, fühlt sich ausser Form und verzichtet auf das Rennen am Sonntag über die Kurzdistanz (10 km Laufen/40 km Rad/5 km Laufen). Der Zürcher hat sich sowieso daran gewöhnt, auf sich allein gestellt zu sein, auch weil er in dieser Saison seinen Platz im nationalen Elite-Kader hergeben musste. An diesem Entscheid hat der TG-Hütten-Athlet, der seit 2005 alljährlich für die Europameisterschaft und seit 2006 stets für die Weltmeisterschaft berücksichtigt wurde, nach wie vor schwer zu kauen. Sein 15. Platz im Vorjahr bei der WM in Edinburgh als letzter Eindruck genügte nicht, um den Status behaupten zu können. «Das lässt auf mangelnde Wertschätzung schliessen», ärgert sich der EM-Zehnte aus dem Jahr 2009. Argumente für eine allfällige Neubeurteilung im Zusammenhang mit dem WM-Aufgebot vom Herbst in Spanien dürfte Wenk bei der EM kaum liefern können. Denn bei den letzten Austragungen zehrte er von einer ganz anderen Basis. Zudem griff eine verschleppte Erkältung sein Immunsystem an. «Ich fühle mich seit Tagen schlapp und lasse deshalb meinen Start bis zum Schluss offen», vermeldet Wenk. Zuversicht klingt anders. Er verweist aber auch auf positive Aussichten. Nächsten Dienstag kehrt er in seinen Semesterferien in die Schweiz zurück und plant am Ostermontag in Marbach die Teilnahme an der Duathlon-SM. Obwohl er in England eine neue Herausforderung angenommen hat, bieten Besuche in der Heimat jederzeit willkommene Abwechslungen. Eine verschleppte Erkältung gefährdet Stephan Wenks EM-Start.
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