Feuer in Bagdader SpitalDem verheerenden Brand folgen Wut und Verzweiflung
Nach der Katastrophe in einer Intensivstation für Corona-Patienten im Irak verspricht die Staatsführung, die Schuldigen zu bestrafen. Doch die Menschen glauben nicht daran.

Der irakische Premierminister Mustafa al-Kadhimi zeigte sich entschlossen: «Nachlässigkeit in solchen Angelegenheiten ist kein Fehler, sondern ein Verbrechen», sagte er am Sonntag in Bagdad. Und jeder, der sich Nachlässigkeit habe zuschulden kommen lassen, müsse dafür zur Verantwortung gezogen werden. Der Regierungschef gab den Behörden 24 Stunden, um Untersuchungsergebnisse zum Brand im Ibn-al-Khatib-Spital im Südosten der Hauptstadt vorzulegen.
Mindestens 82 Menschen sind dort in den Flammen gestorben. Mehr als 100 wurden verletzt; zum Teil erlitten sie schwere Verbrennungen und Rauchgasvergiftungen. Die Opferzahl könnte noch weiter steigen. Das Feuer war von einer Intensivstation für Covid-19-Patienten ausgegangen. In dem Spital wurden die schwersten Fälle behandelt; 30 Patienten lagen auf der Station in den Betten, bewegungsunfähig an Beatmungsgeräte angeschlossen.
Ärzte und Pfleger sprangen aus den Fenstern
Zuerst soll eine Sauerstoffflasche wegen eines Unfalls explodiert sein. Dann folgte eine tödliche Kettenreaktion: Weitere Flaschen mit dem lebensrettenden Gas flogen in die Luft, eine Feuerwand frass sich durch die Räume. Ärzte und Pfleger sprangen aus den Fenstern im zweiten Stock, um sich zu retten. Angehörige stürmten in das brennende Spital, um ihre Verwandten vor dem Feuertod zu retten.
Was der Chef des Zivilschutzes in der Hauptstadt, General Kadhim Bohan, nach der Höllennacht berichtete, wird die Wut der Menschen entfachen: Eine Decke war nicht feuerfest, ein Sprinklersystem oder Löschschläuche gab es nicht in dem Spital, genauso wenig Rauchmelder.
Versprechen, die Zahl der Intensivbetten zu erhöhen, hat der Gesundheitsminister ebenso wenig erfüllt wie die Zusagen, im Februar mit Impfungen zu beginnen.
Das irakische Gesundheitssystem ist marode. Grassierende Korruption und jahrelange Unterfinanzierung haben dazu ebenso beigetragen wie US-Sanktionen und die Kriege, die das Land seit 2003 erschüttert haben. Viele Ärzte sind ausgewandert, in den Kliniken fehlt es oft schon an einfacher Ausstattung. Das fügt sich in das Bild eines Staates, der nicht imstande ist, seinen Bürgern grundlegende Dienstleistungen bereitzustellen, etwa eine zuverlässige Stromversorgung oder vielerorts auch sauberes Trinkwasser.

Dagegen waren die Iraker schon 2019 auf die Strassen gegangen; sie wollten das System stürzen, in dem Milliarden Petrodollars versickern. Ministerien sind im Irak oft nach politischem Proporz vergeben worden, auf den sich die Vertreter von Religions- und Volksgruppen verständigt haben. Die Amtsinhaber nutzen ihre Position nicht selten, um ihrem Gefolge Vorteile zu verschaffen. Dabei vernachlässigen sie ihre eigentlichen Aufgaben, für die sie zudem oft gar nicht kompetent sind.
Gesundheitsminister Hassan al-Tamimi war bereits vergangenes Jahr wegen seines Corona-Managements in die Kritik geraten. Aktivisten hatten damals eine Online-Kampagne gestartet, mit der sie seine Entlassung forderten, nachdem die Infektionszahlen im Irak rapide gestiegen waren. Versprechen, die Zahl der Intensivbetten zu erhöhen, hat der Minister ebenso wenig erfüllt wie die Zusagen, im Februar mit den Impfungen zu beginnen.
Auch derzeit ist die Situation kritisch. Mehr als eine Million der 40 Millionen Bewohner hat sich laut der WHO seit Ausbruch der Pandemie angesteckt, 15’000 sind gestorben. Zuletzt wurden mehr als 8000 Neuinfektionen pro Tag gezählt. Viele Menschen meiden die Spitäler, auch lassen sich nur wenige Iraker testen, weil sie das soziale Stigma fürchten, das mit einer Infektion einhergeht.
Präsident Barham Salih geisselte die Katastrophe bei Twitter als «Ergebnis von Korruption und Missmanagement», damit seien die staatlichen Institutionen zerstört worden. «Schmerz und Sympathie mit unseren Märtyrern» seien nicht genug, ohne die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. Derartige Forderungen aber haben die Iraker schon zu oft gehört, um ihnen noch zu glauben.
Fehler gefunden?Jetzt melden.