Das Vermächtnis des «Sex-Gurus»
Der umstrittene Drogentherapeut Samuel Widmer ist an Herzversagen gestorben. In Lüsslingen-Nennigkofen leben inzwischen rund 200 sogenannte Kirschblütler.

Der Psychiater und Gründer der spirituellen Kirschblütengemeinschaft, Samuel Widmer, ist am Mittwoch im Alter von 69 Jahren an einem Herzversagen gestorben, wie sein Verlag auf Facebook verkündete. Der Arzt, der sich in seinem Zentrum in Lüsslingen SO auch als spiritueller Meister und Heiler betätigte, war ein Verfechter der Drogentherapie und bildete Hunderte Drogentherapeuten aus.
Widmer war eine umstrittene Persönlichkeit. Seine Gemeinschaft wurde oft als sektenartige Organisation bezeichnet, und er machte als «Sex-Guru» Schlagzeilen. Der Psychiater, der von seinen Anhängern als Messias verehrt wurde, lebte mit zwei Frauen zusammen und zeugte mit ihnen elf Kinder. In seinen Büchern kritisierte er das Inzest-Tabu.
Die Sexualität spielte auch bei den Tantrasitzungen in Grossgruppen eine wichtige Rolle. Er gründete die «Therapeutisch Tantrisch Spirituelle Universität» und sah sich als spiritueller Weltenlehrer. Er glaubte, seine Genialität sei verkannt worden. Deshalb war er überzeugt, dass seine Arbeit erst in 200 Jahren richtig eingeschätzt werden könne. In letzter Zeit sorgte Samuel Widmer aber vor allem wegen seiner Drogentherapie (Psycholyse) für Schlagzeilen. Aussteiger aus der Kirschblütengemeinschaft berichteten, Widmer, seine beiden Frauen und Helfer hätten seit über 20 Jahren bei Gruppensitzungen LSD, Ecstasy, Meskalin und andere verbotene Substanzen abgegeben.
LSD und Ecstasy
Die Abtrünnigen schätzen, dass der verstorbene Psychiater insgesamt rund 1000 Patienten mit Drogen «therapiert» und mehrere Hundert Psycholyse-Therapeuten ausgebildet habe, die teilweise ihrerseits wieder Psycholyse-Sitzungen durchführen. Widmer behauptete hingegen, er habe die beiden legalen Mittel Ketamin und Ephedrin eingesetzt. In seinen Büchern und Vorträgen sprach er aber ausschliesslich von LSD und Ecstasy.
Widmer experimentierte über 30 Jahre lang mit psychoaktiven Substanzen, die er als Türöffner ins Unbewusste betrachtete. Er war überzeugt, dass sich mit den Drogen viele psychische Probleme bis hin zu traumatischen Prägungen effektiv therapieren liessen. Von 1986 bis 1993 besass er vom Bundesamt für Gesundheit die Bewilligung, mit LSD Forschung zu betreiben. Als die Droge nach Unfällen allgemein in Verruf geraten war, stoppten die Behörden das Projekt.
Im Lauf der Jahre zogen immer mehr Anhänger von Widmer – darunter viele Deutsche – in seine Umgebung, weshalb sich in der Bevölkerung von Lüsslingen-Nennigkofen Widerstand regte. Inzwischen leben in der Gemeinde rund 200 Kirschblütler.
Vertrag mit Sterbeverbot
Widmer durchlebte in den vergangenen zwei Jahren schwierige Zeiten. Ein ARD-Reporter hatte undercover an einer Drogensitzung teilgenommen und das Ritual mit einer versteckten Kamera gefilmt. Geleitet wurde die «Therapie» von Widmers Ehefrau. Vor der Einnahme der Drogen mussten die Klienten einen Vertrag unterschreiben, der den kuriosen Passus enthielt, sie dürften während der Veranstaltung nicht sterben. Bei einzelnen Drogentherapien war es zu Zwischenfällen gekommen. Der Reporter versteckte die beiden abgegebenen Pillen und liess sie sofort untersuchen. Es handelte sich um MDMA und Meskalin. Diese Mischung sei «lebensgefährlich», sagte ein Experte dazu.
Nach dem Eingang einer Strafanzeige führte die Staatsanwaltschaft Solothurn im Frühling 2015 eine Razzia in Widmers Zentrum und seinen Häusern durch. In Untersuchungshaft wurde aber nicht der Psychiater gesetzt, sondern einer seiner Söhne, der im Verdacht stand, gegen das Betäubungsmittelgesetz verstossen zu haben. Später ordnete der Staatsanwalt eine zweite Razzia an.
Widmer rekurrierte gegen die Beschlagnahmung von Dokumenten bis vor Bundesgericht, blitzte aber ab. In dieser Zeit erlitt er den zweiten Herzinfarkt. Alle Anzeichen sprechen dafür, dass Widmers Ehefrau Danièle Nicolet die Kirschblütengemeinschaft weiterführen wird. Aussteiger berichten, dass der verstorbene Psychiater seine Frau gezielt als seine Nachfolgerin aufgebaut habe. Schon bisher hätten die Kirschblütler Danièle Nicolet als besonderes Wesen verehrt, das aussergewöhnliche spirituelle Fähigkeiten besitze.
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