
Es geht um schwer traumatisierte Kinder, die für zehnstündige Drehtage vor die Kamera gezerrt wurden. Um ignorierte Warnsignale. Um Suizidandrohungen eines kleinen Buben. Dass das TV-Niveau so stark gesunken ist, dass man sich trotz alledem fragt, ob einen der jüngste Sat-1-Skandal überhaupt noch berührt, ist ein Armutszeugnis fürs deutsche Fernsehen.
Der Held der Geschichte: ein Mann, der sich Ikke Hüftgold nennt und auf Mallorca Lieder wie «Dicke Titten Kartoffelsalat» grölt. Dass ebenjener Ikke Hüftgold im Skandal um die Sendung «Plötzlich arm, plötzlich reich» zum Vertreter der Moral und Vernunft wurde, grenzt an schlechte Satire.
Und doch: Der Fall berührt, es geht immerhin um Kinder. Doch wie oft haben sich Zuschauer über geistig Behinderte lustig gemacht und sich am Leid anderer aufgegeilt, nur weil ein Fernsehsender die Ausnutzung der Schwächsten massentauglich verpackt hat? Vielleicht sind manche unter uns dazu auch so schnell bereit, weil die eigenen Probleme klein wirken, wenn man einer Familie beim Kampf ums Überleben zuschauen kann.
Und das «Im Vergleich dazu geht es mir gar nicht so schlecht»-Programm ist gross. Im Sortiment: überforderte Mütter im Frauentausch, psychisch labile Kinder bei der Super Nanny, gedemütigte Kandidaten bei DSDS, gefallene Sternchen im Dschungelcamp. Die Liste ist lang. Kürzlich ergänzte sie RTL um eine weitere Perle namens «Erziehe dein Kind wie einen Hund».
Sat 1 hat sich nach dem Shitstorm – den muss es ja immer geben, bevor TV-Sender ihre Fehler erkennen – zwar entschuldigt, doch ist es wohl nur eine Frage der Zeit, bis die deutsche Fernsehlandschaft die ethischen Grenzen des Darstellbaren wieder austestet. Und so bleibt die Macht beim Konsumenten: Den moralischen Kompass sollte der Zuschauer in festem Griff bei sich behalten, anstatt ihn quotengeilen Produktionsfirmen zu überlassen.
Trash-TV? Wenns denn sein muss. Aber nur, solange die Bedürftigkeit anderer nicht ausgenutzt wird.
Fehler gefunden?Jetzt melden.
Kommentar zu Sat-1 – Das verdorbene Medium
In der deutschen Fernsehlandschaft jagt ein Skandal den nächsten. Spätestens beim jüngsten Sat-1-Eklat muss man den moralischen Kompass wieder in die eigene Hand nehmen.