Das Trio der ungleichen Gleichen
Die FDP-Bundesrats-Anwärter Cassis, Moret und Maudet stellen sich vor – und lassen alle Fragen offen.

Drei Freisinnige wollen den Sitz von Bundesrat Didier Burkhalter erben. Ihr Ehrgeiz treibt sie an – die erste, aber nicht die letzte Gemeinsamkeit, die Ignazio Cassis, Isabelle Moret und Pierre Maudet charakterisiert. Cassis ist «gewillt und fähig, sich durchzusetzen», zumindest hat das eine Grafologin dem Anwärter im Blick kürzlich attestiert; Moret ist «irgendwie originell» und sogar «intelligent genug», um in der Landesregierung mitzuhalten; und Maudet zeigt die «nötige Dynamik und Energie», ein Departement zu führen.
Zwar sind ihre Lebensläufe ziemlich unterschiedlich. Cassis (56), Tessiner, verheiratet, katholisch, kinderlos, der Vater Versicherungsvertreter, wollte als Kind Tramchauffeur werden; er entschied sich dann aber für den Arztberuf.
Moret (46), Waadtländerin mit Wurzeln in der Nordwestschweiz (die Grosseltern stammten aus Basel), getrennt lebend, zwei Kinder (sechseinhalb und elf Jahre alt), katholisch, sah sich im Kindesalter als Bäuerin, als Jugendliche schwebte ihr Anwältin vor – sie wurde tatsächlich Advokatin.
Maudet (39), Genfer, verheiratet, drei Kinder (sechs, acht und elf Jahre alt), protestantisch, erkannte im Feuerwehrmann seinen Traumjob. Er studierte aber Recht und wurde Jurist.
Politisch jedoch gleichen sich die drei so sehr, dass man mühsam nach Spurenelementen von Differenz in ihren politischen Positionen suchen muss, wie ein Forensiker, der unter dem Mikroskop Material vom Tatort analysiert. Fündig zu werden, ist schwer. Cassis, Moret und Maudet – alle sind sie laut der Wahlplattform Smartspider für eine «offene Aussenpolitik», für eine «liberale Wirtschaftspolitik» und eine «restriktive Migrationspolitik». Für Umweltschutz sind sie natürlich ebenfalls, wobei ökologische Anliegen bei Moret eine etwas höhere Priorität haben als bei Cassis und Maudet.
Küsschen, Küsschen
Cassis ist freisinnig, Moret ist freisinnig, Maudet ist freisinnig – ein Festival der Freisinnigkeit entfaltet sich vor einem, wenn man ihre politischen Standpunkte untersucht. Nur ganz, ganz wenig, quasi im Millimeterbereich, weichen sie vom Durchschnittsprofil der FDP-Fraktion im Bundeshaus ab.
Können sich die Bundesrats-Bewerber voneinander abgrenzen? Sie müssten es – sie müssten ihr Profil schärfen, wollen sie von der Vereinigten Bundesversammlung Ende September gewählt werden.
Die FDP Basel-Stadt unternahm den löblichen Versuch, herauszufinden, worin sich Cassis, Moret und Maudet unterscheiden. Sie lud das Trio der ungleichen Gleichen zu einem öffentlichen Anlass ins Hotel Merian.
Gestern Abend finden sich also dort, wo sich jedes Jahr die drei Kleinbasler Ehrenzeichen zum Gryffemähli treffen, die drei FDP-Kandidaten ein, um sich vom Basler FDP-Regierungsrat Baschi Dürr befragen zu lassen. Im Saal sitzen rund achtzig, vorwiegend ältere Zuhörer. Cassis kommt als Erster, «buona sera», das Tessiner Wappen ans Revers geheftet, ein Siegerlächeln auf den Lippen, die Gestik kontrolliert; er scheint sich bereits in eine Aura des Magistralen zu hüllen. Es folgen, leicht verspätet, «der öffentliche Verkehr ist auch nicht mehr, was er einmal war», Isabelle Moret und Pierre Maudet, man kennt sich, Küsschen, Küsschen.
Tee und Beatles
Die Runde fängt frisch an. Dürr fragt Moret, welcher Typ sie sei: «Kaffee oder Tee?» – «Tee, grün!», sagt Moret. An Maudet gerichtet, lautet die Frage: «Beatles oder Rolling Stones?» – «Beatles», sagt Maudet. Dann fragt Dürr Cassis: «Hubacher oder Blocher?» Cassis murmelt etwas von «unfaire Frage!», Gelächter im Publikum.
Derart munter geht es leider bald schon nicht mehr weiter. Welches ihr Motiv sei, Bundesrat zu werden, fragt Dürr seine Parteikollegen. «Unserem schönen Land dienen», sagt Cassis, «mitmachen statt nachvollziehen», sagt Maudet, «für etwas kämpfen und nachher trotzdem kompromissfähig sein», sagt Moret. Von «Lösungen finden» ist die Rede, von «Pragmatismus statt Ideologie», von «Allianzen schmieden». Cassis sagt, er wolle «Bundesrat werden aus Leidenschaft». Das Bekenntnis trägt er etwas matt vor, vielleicht liegt es an der Hitze im Saal.
Von Dürr gefragt nach den Beziehungen zu Europa, zum geplanten Rahmenabkommen Schweiz–EU, zur Zukunft der bilateralen Verträge und zur Umsetzung der Masseneinwanderungs-Initiative, wird das Echo aus der Runde ein kleines bisschen konkreter, aber nur ein kleines bisschen. Cassis, Moret und Maudet sagen genau das, was man sagen darf, ohne links oder rechts anzuecken.
Sie sagen etwa, das «institutionelle Abkommen», Lieblingsprojekt des abtretenden Bundesrats Didier Burkhalter, sei nicht mehrheitsfähig. Sie betonen gleichzeitig, es brauche ein «Rahmenabkommen» mit der EU, denn «die Bilateralen bringen viel Bürokratie mit sich, deshalb brauchen wir eine Vereinfachung», so Cassis. Alle bekräftigen, die «rote Linie» seien «fremde Richter». Moret fügt noch an, die Basler Zeitung habe kürzlich geschrieben, sie sei Mitglied der Neuen Europäischen Bewegung, doch das stimme nicht.
So erfährt man an diesem Abend nicht wirklich Überraschendes, aber doch einiges über die Psyche der Anwärter. Moret ist mitunter schrill, mit Hang zum Überdrehen. Maudet hat natürliche Autorität. Cassis ist wendig, kombiniert mit der Fähigkeit, es sich mit niemandem zu verscherzen. Einer der drei wird sich durchsetzen. Oder auch nicht.
Dieser Artikel wurde automatisch aus unserem alten Redaktionssystem auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: community-feedback@tamedia.ch