Medienkommentare: «Urs Rohner sollte gehen»
Wie Finanzmedien im In- und Ausland auf Thiams Abgang bei der CS reagieren – die besten Schlagzeilen und Analysen.

Der Rücktritt von Tidjane Thiam als Chef der Credit Suisse beschäftigt die Medien im In- und Ausland. Die bekanntesten internationalen Finanzportale widmen den Vorgängen in Zürich am Freitagmorgen praktisch durchgehend ihre Topstory:

Bei der Financial Times dominiert das Thema den ganzen Morgen die erste Position auf der Seite. Tidjane Thiam als Credit Suisse CEO verdrängt, titelt die Londoner Wirtschaftszeitung.
Auch beim Wall Street Journal ist der Rücktritt des CS-Chefs die Topstory:

Unter dem Titel Credit Suisse CEO tritt im Zuge des Spionageskandals zurück schreibt das Wall Street Journal, dass Thiam die Bank nach monatelangem Druck des Spionageskandals verlassen habe, obwohl Aktionäre vor diesem Schritt gewarnt hatten. Der Verwaltungsrat habe keinen Grund für den Abgang genannt.
Das deutsche Handelsblatt sieht im Machtwechsel eine «Affäre mit vielen Verlierern» und kommentiert: Bei aller Kritik kann man der Führungsriege der Credit Suisse dieser Tage wenigstens eines zugutehalten: Sie kann noch immer als schlechtes Beispiel dienen, weil sie zeigt, wie man sich in Krisen tunlichst nicht verhalten soll. Monatelang sorgte die zweitgrösste Bank der Schweiz mit ihrer Spitzelaffäre für Negativschlagzeilen. Nun zieht Bankchef Tidjane Thiam endlich Konsequenzen. Er geht, aber er geht zu spät. Der Machtkampf hinterlässt viele Verlierer – auch weil Verwaltungsratschef Urs Rohner zu lange gezögert hat. Zwar unterstreicht die Credit Suisse nun, dass der Verwaltungsrat geschlossen hinter Rohner steht. Aber mit Vertrauen ist es wie mit Geld: Wer es hat, muss nicht darüber sprechen. Dass Rohner nach dem Bekanntwerden des ersten Überwachungsfalls zu seinem Vorstandschef hielt, ist nachvollziehbar. Doch spätestens, als kurz vor Weihnachten eine weitere Bespitzelung publik wurde, hätte der Verwaltungsratschef seinen Vorstandschef zur Tür geleiten müssen. Mit seinem Zögern hat Rohner der Credit Suisse zwei weitere Monate voller Negativschlagzeilen beschert – und einen peinlichen Machtkampf riskiert, der Verlierer auf allen Seiten hinterlässt. Für einen glaubwürdigen Neuanfang bei der Credit Suisse bräuchte es nicht nur einen neuen Vorstandschef, sondern auch einen Wechsel im Verwaltungsrat: Urs Rohner sollte lieber früher als später gehen.
Auch bei der Lausanner Tageszeitung Le Temps ist man der Meinung, dass es sich Präsident Urs Rohner zu leicht mache.
Für die Credit Suisse, deren Glaubwürdigkeit zusammenbrach, wurde die Situation untragbar. Aber der Abschied des CEO wird nicht das Ende der Geschichte markieren. Urs Rohner muss seine Position als Präsident hinterfragen.
Die Finanzagentur Bloomberg liefert mehrere Artikel zum Thema und spricht von einer schockierenden Kehrtwende nach dem Skandal.

Thiam, der das Vertrauen von wichtigen Aktionären besass, sei im Machtkampf verdrängt worden. Die Credit Suisse habe die Warnung der Aktionäre Harris Associates, Silchester International Investors und Emincence Capital, dass Thiam gestützt werden soll oder Rohner gehen müsse, ignoriert. In einem Interview mit Bloomberg TV sagte CS-Investor David Herro zuvor, dass die Kampagne gegen Thiam geschmacklos sei. Diese sei entweder vom Neid seiner Rivalen getrieben oder habe damit zu tun, dass Thiam nicht wie ein typischer Schweizer Banker aussehe. Er verstehe diesen Krieg gegen den CEO nicht.
Auch CNBC betont, dass die Credit Suisse mit dem Abgang von Thiam den Wünschen der Grossaktionäre getrotzt habe. Harris Associates, Silchester International und Eminent Capital hätten den CEO sehr explizit unterstützt.
Die Schweizer Wirtschaftszeitung Finanz und Wirtschaft schreibt in einer Ersteinschätzung: «Den Machtkampf an der Spitze von Credit Suisse hat der Verwaltungsrat (VR) unter Präsident Urs Rohner für sich entschieden. CEO Tidjane Thiam wird nach Präsentation der Jahreszahlen nächste Woche die Bank verlassen. Rohner und der VR haben gezeigt, wer bei CS das Sagen hat, nachdem in dieser Woche gleich drei Grossaktionäre sich noch demonstrativ hinter Thiam gestellt hatten. Hätte Rohner an dem CEO, den er einst geholt hatte, festgehalten, das oberste Gremium der Bank hätte sich als komplett zahnlos erwiesen. Am Ende war der Druck zu gross. Seit Monaten kommt CS nicht aus den Negativschlagzeilen. Der Streit zwischen Thiam und Ex-Manager Iqbal Khan, Beschattungsfälle, Ermittlungen von Staatsanwaltschaft und Finanzmarktaufsicht und mitten drin ein CEO, der von allem nichts gewusst haben will. Doch die Geschichte ist noch nicht vorbei. Rohner ist mit seinem Entscheid auf Konfrontationskurs mit dem Aktionariat gegangen. Ihm droht nun eine Abwahlkampagne zur kommenden Generalversammlung. Gut möglich, dass die Krise nicht nur Thiam den Job kostet, sondern auch Rohner alsbald die Bank verlassen wird.»

Inside Paradeplatz schreibt: Der Finanzplatz bebte heute früh. Um 7 kams zur Eruption. Tidjane Thiam landet auf Strasse, weichgebetet mit Millionen. Thomas Gottstein übernimmt, Präsident Rohner bleibt. Die Schweizer haben sich im Kampf der Titanen durchgesetzt, Thiams Angelsachsen-Freunde eine blutige Nase geholt.
Die Wirtschaftsplattform Cash befürchtet einen Aktionärsaufstand, angesichts des stark fragmentierten Aktionariats sei es aber alles andere als sicher, ob Verwaltungsratspräsident Urs Rohner dabei abgewählt werden könnte.
Das Finanzportal finews.ch analyisert in einem Text unter dem Titel «Urs Rohner siegt im Machtkampf»: Ein Rücktritt war unerlässlich. Die schönfärberische Mitteilung der CS versucht darüber hinweg zu täuschen, dass nicht erst seit den letzten Monaten und dem Bekanntwerden der Beschattungen ein eigentlicher Machtkampf zwischen Thiam und Rohner tobte. Die Beziehung zwischen CEO und Verwaltungsratspräsident war seit geraumer Zeit gestört, nachdem Thiam einen deutlich höheren Restrukturierungsbedarf der CS feststellen musste, als er dies vor seinem Amtsantritt erwartet hatte. Die Beschattungsaffäre kratzte zudem erheblich an der Glaubwürdigkeit Thiams. Rohner, der seit dem Jahr 2011 die CS präsidiert, zog seinen Kopf noch einmal aus der Schlinge und sicherte sich nun die vorläufige Unterstützung seines Verwaltungsrates. Bedingung scheint dabei zu sein, dass Rohner, wie einst vorgesehen, an der Generalversammlung in einem Jahr sein Amt an einen noch unbestimmten Nachfolger übergibt.
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