Das Medienmonopol der IS-Terroristen
Fotografen vor Ort sind ihrer Zensur unterworfen, ihre eigenen Videos hingegen schaffen es sogar ins «10 vor 10». Der Westen scheint gegenüber der IS-Propaganda hilflos.

Nicht nur im realen Kampf in Syrien oder Irak, sondern auch auf virtueller Ebene sind die IS-Jihadisten unheimlich effizient. Dass kaum Journalisten vor Ort über die Geschehnisse berichten, gibt der Terrorgruppe fast uneingeschränkte Möglichkeiten der Propaganda. Die Behörden sind dagegen weitgehend machtlos.
Die Schreckensbilder, die wir tagtäglich im Fernsehen, in Zeitungen und vor allem im Internet zu sehen bekommen, stammen zu einem grossen Teil vom Islamischen Staat (IS) selber.
So griff zum Beispiel das SRF-Nachrichtenmagazin «10 vor 10» für Beiträge über die Terrorherrschaft der Jihadisten wiederholt auf – auch so deklarierte – IS-eigene Videos zurück. Auch zahlreiche nationale und internationale Webseiten benutzen immer wieder IS-Propaganda-Bilder zur Illustration ihrer Artikel.
Professionelle Medienzentren
Mit dem Al Hayat Media Center und al-Furqan Media verfügen die Jihadisten über eigene, professionelle Medienstellen, die für die Öffentlichkeitsarbeit des IS verantwortlich sind. Doch damit nicht genug: Wie das US-Magazin Foreign Policy unlängst berichtete, müssen sich auch gewisse lokale Fotografen, die für die grossen Agenturen Bilder liefern, der Zensur des IS unterwerfen.
Die Dschihadisten haben somit praktisch ein Monopol darüber, welche Bilder über sie in Umlauf gebracht werden. Noch kritischer wird es, wenn IS parallel dazu über Soziale Medien wie Facebook, Twitter oder Youtube, ihre Propaganda ungehindert weltweit verbreiten kann.
So gibt es neben den erschreckenden Gewaltvideos für jedermann aufrufbar professionell produzierte Filmchen mit ausländischen IS-Kämpfern zu sehen, die auf Englisch, Niederländisch, Indonesisch oder Deutsch alle Muslime in ihren Ländern aufrufen, sie im Kampf gegen die Ungläubigen zu unterstützen.
Doch wie kann es sein, dass Gewaltvideos und Aufrufe zu Gewalt in vielen Ländern strafrechtlich geahndet werden können, der IS seine Botschaft des Hasses gegen alle Andersgläubigen aber ungehindert verbreiten kann? Vor allem wenn man in Betracht zieht, dass sich immer mehr Jihadisten aus der ganzen Welt der Organisation anschliessen?
«Riesige Schweinerei»
Der Schweizer Datenschutzbeauftragte Hanspeter Thür nimmt kein Blatt vor den Mund. Es sei «verwerflich und absolut niederträchtig», dass Videos mit offensichtlich menschenverachtendem Inhalt frei verfügbar seien. Doch die Verantwortung dafür liege bei den jeweiligen Firmen. Und gegen diese vorzugehen, sei praktisch unmöglich. «Man könnte Youtube sperren», sagt Thür. Aber das sei ja auch keine Option
Youtube, respektive deren Besitzerin Google, ist schon lange nicht mehr in der Lage, seine Inhalte systematisch zu überprüfen. Denn «pro Minute werden mittlerweile weltweit 100 Stunden Videomaterial hochgeladen», sagt ein Sprecher auf Anfrage.
Zwar würden Konten von bekannten Terror-Organisationen gelöscht. Doch das Unternehmen ist in vielen Fällen auf die Nutzer angewiesen, bedenkliche Inhalte zu melden. Diese würden dann «unverzüglich geprüft und gegebenenfalls gelöscht». In der Tat wurden einige der Videos und Konten mit kritischem Inhalt gelöscht, nachdem Google darauf aufmerksam gemacht wurde.
Auch Twitter reagierte nach einem im Internet veröffentlichten Video der Enthauptung eines US-Journalisten schnell und suspendierte Konten, «die im Zusammenhang diesen drastischen Aufnahmen» stehen. Doch das Video war auch danach unter anderem auf Youtube weiterhin problemlos auffindbar.
Denn für die Medien-Profis unter den Jhadisten dürfte es kein Problem sein, sich unter einem anderen Namen neu anzumelden oder die IP-Adresse zu wechseln. Daneben verfügen die Jihadisten nach Einschätzung von US-Geheimdienstexperten allein auf Twitter über Tausende Sympathisanten, die ihre Nachrichten weiterleiten.
Automatische Zensur nicht möglich
Spezielle Algorithmen, wie sie zur Zensur von pornografischen Inhalten eingesetzt werden, stossen bei Filmen mit Gewalt und Blut an ihre Grenzen. Denn das Programm kann gemäss Experten nicht erkennen, ob ein Kopf abgetrennt erscheint oder am Körper.
Noch schwieriger wird es bei Inhalten, wie zum Beispiel Aufrufen zur Gewalt. Da sei Youtube auf die Überprüfung der Filme durch Mitarbeiter angewiesen, «weil eine Maschine den Kontext eines Videos nicht bewerten kann», heisst es bei Google.
Nur bei Schweizer Bezug aktiv
Der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) könnte das Bundesamt für Polizei (fedpol) auf solche Videos aufmerksam machen und von der Bundeskriminalpolizei Vorermittlungen verlangen, wie NDB-Sprecher Felix Endrich gegenüber der Nachrichtenagentur sda erklärt.
Das sei aber nur möglich, «wenn Schweizer Bürger involviert seien oder die Filme aus der Schweiz raufgeladen wurden». «Gegen ausländische Aktivitäten sind wir machtlos», gibt Endrich zu.
Auch beim Bundesamt für Polizei spricht man im Zusammenhang mit dem Verbot von Jihadisten-Videos im Internet von einem «Fass ohne Boden». fedpol oder die Schweizerische Koordinationsstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität (KOBIK) würden zwar aktiv, sobald eine Spur in die Schweiz führe, sagt fedpol-Sprecherin Danièle Bersier.
Und es stehe jedem frei, Strafanzeige einzureichen. Aber «wenn es keinen Schweizer Bezug gibt, ist der rechtliche Handlungsspielraum sehr eingeschränkt», sagt Bersier.
Die Verfügbarkeit solcher Videos sei leider eine Begleiterscheinung des Internets. Denn Youtube sei ein US-amerikanischer Dienst und unterstehe darum den Gesetzen der USA. «Dort wird das Recht auf freie Meinungsäusserung sehr hoch gewertet. Und auch Gewaltdarstellungen sind grundsätzlich nicht verboten», sagt Bersier.
SDA/kpn
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