«... das macht einen US-Militärschlag wahrscheinlich»
Nach dem Angriff Israels gegen das Assad-Regime droht noch ein Vergeltungsschlag der USA. Kommt es zu einer Eskalation in Syrien? Dazu Nahost-Experte Günter Meyer.
Der syrische Luftwaffenstützpunkt Tiyas (T-4) in der Provinz Homs ist letzte Nacht von mehreren Raketen getroffen worden, wobei 14 regierungstreue Kämpfer getötet wurden. Syrien und Russland machen Israel für die Attacke verantwortlich. Ist das glaubwürdig?
Nur Israel und die USA sind in der Lage, einen solchen Angriff durchzuführen. Nachdem die US-Regierung den Angriff bestritten hat, kommt nur die israelische Luftwaffe dafür infrage. Die Angaben der russischen Regierung, dass zwei israelische F-15-Kampfflugzeuge die Raketen über dem Libanon abgefeuert haben, ohne in den syrischen Luftraum einzudringen, erklären die anfängliche Unsicherheit bei der Zuordnung des Angriffs.
Israels Angriff auf den syrischen Militärflughafen T-4 erfolgte zwei Tage nach einem mutmasslichen Giftgasangriff auf die letzte Bastion der Rebellen in Ostghouta. Warum hat Israel dieses Ziel angegriffen? Und warum gerade jetzt?
Der Grund für den Angriff ist in der wichtigen strategischen Bedeutung des T-4-Militärflughafens zu sehen. Nach einem früheren Angriff der israelischen Luftwaffe im vergangenen Februar war auf dem Rückweg ein israelischer F-16-Kampfjet abgeschossen worden. Entscheidend für den jetzigen Angriff war die wenige Stunden zuvor geäusserte Drohung von US-Präsident Donald Trump, dass Russland, der Iran und das «Tier» Assad einen «hohen Preis» für den Chemiewaffeneinsatz in Douma zahlen würden. Der jetzige Zeitpunkt erschien der Militärführung in Israel offenbar als optimal, um zumindest in der westlichen Welt Verständnis für einen solchen Angriff auf die T-4-Basis zu finden.
Wird sich Israel noch stärker in den Syrien-Krieg verstricken?
Der Angriff auf Tiyas ist für die weitere Kriegsentwicklung kaum von Bedeutung. Das ist nur ein weiteres Beispiel für die inzwischen mehr als 100 Angriffe, die von Israels Streitkräften in den letzten Jahren auf syrischem Gebiet durchgeführt worden sind.
Bilder: Chlorgasangriff in Syrien
Nach dem mutmasslichen Giftgasangriff in Douma erwägt US-Präsident Trump eine Vergeltungsaktion. Wie hoch schätzen Sie die Wahrscheinlichkeit ein, dass die USA wie schon vor einem Jahr tatsächlich Syrien angreifen?
Trump hat – wie auch der französische Präsident Emmanuel Macron – den Einsatz von Chemiewaffen durch die Assad-Regierung als rote Linie für einen Vergeltungsschlag angekündigt. In den USA ist der öffentliche Druck auf Trump sehr gross, seinen Worten Taten folgen zu lassen. Auf der anderen Seite wächst die Skepsis in einigen Ländern, gerade auch in Deutschland. Insbesondere in der Berichterstattung des ZDF wird darauf hingewiesen, dass es sich bei der Chlorgas-Attacke in Douma um einen «Angriff unter falscher Flagge» handeln könnte.
Was halten Sie von dieser These?
Alles deutet darauf hin, dass das Giftgas von den Jihadisten der «Armee des Islam» (Jaysh al-Islam) eingesetzt wurde, um dafür die Assad-Truppen verantwortlich zu machen und so den USA und Frankreich einen Grund zum militärischen Eingreifen zu geben. Warum sollten die Regierungstruppen ausgerechnet in Douma, das unmittelbar vor der Eroberung steht, Giftgas einsetzen? Das widerspricht jeder Logik. Die einfache Frage, wem ein solcher Angriff nützt, macht deutlich, dass nur die Assad-Gegner davon profitieren können.
US-Präsident Trump macht das Assad-Regime für den Chemiewaffeneinsatz verantwortlich.
Die russische Regierung hatte seit Wochen vor einem Chemiewaffeneinsatz «unter falscher Flagge» als Vorwand für einen US-Angriff auf militärische Einrichtungen in Syrien gewarnt. Es ist offen, ob Trump seinen bisherigen Kurs unbeirrt fortsetzt – oder ob sich tatsächlich der gesunde Menschenverstand durchsetzt. Die Geschütze, die gegenwärtig im UNO-Sicherheitsrat von US-Seite gegen Russland und die syrische Regierung aufgefahren werden, machen einen Militärschlag wahrscheinlich.
Wie würde Russland auf US-Angriffe gegen Syrien reagieren?
Moskau hat mit Vergeltungsschlägen gegen die USA gedroht, wenn solche Angriffe stattfinden und dabei russische Berater getötet werden. Dies gilt besonders, wenn das syrische Verteidigungsministerium in Damaskus, wo viele russische Militärangehörige tätig sind, durch Marschflugkörper angegriffen wird. Der Tod russischer Soldaten durch US-Militärschläge würde eine direkte militärische Konfrontation zwischen Russland und den USA bedeuten. Das würde zu einer massiven Eskalation des Stellvertreterkriegs in Syrien mit völlig ungewissem Ausgang führen.
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