«Das Krim-Szenario droht nun in Transnistrien»
Wladimir Putin hat in einer Grundsatzrede die Annexion der Krim verteidigt und den Westen attackiert. Was dies für den weiteren Verlauf des Konflikts bedeutet, erklärt Russland-Expertin Zita Affentranger.

Wladimir Putin hat im russischen Parlament eine Grundsatzrede zum Anschluss der Krim gehalten. Was war seine zentrale Botschaft? Putin hat klargemacht, dass der Anschluss der Krim an Russland von niemandem verhindert werden kann und dass die Krim nur schon aus historischen Gründen Teil von Russland sein muss. Insgesamt war die Rede von Putin nicht überraschend. Allerdings zeigte er, im Unterschied zu früheren Reden, eine sehr harte Haltung gegenüber dem Westen. Er warf diesem vor, eine unehrliche Politik zu betreiben und Russland attackieren und schaden zu wollen. Diese Vorwürfe waren bei Putin schon immer unterschwellig vorhanden, diesmal hat er aber Klartext gesprochen.
Nach seiner im Fernsehen übertragenen Rede an die Nation unterzeichnete Putin sofort den Vertrag über die Aufnahme der Krim in die Russische Föderation. Dieses Tempo bei der Krim-Annexion ist wohl kein Zufall? Nein. Jetzt geht alles sehr schnell. Putin will Fakten schaffen. Und er fordert den Westen auf, die Fakten, die er geschaffen hat, auch anzuerkennen. Putin verlangt vom Westen, dass die Interessen Russlands respektiert werden. Und falls der Westen das Vorgehen Russlands nicht akzeptieren möchte, ist es Putin eigentlich egal.
In seiner Rede sagte Putin, dass es auf der russischen Krim drei Amtssprachen geben werde: Russisch, Ukrainisch und Tatarisch. Kann dies als Geste der Versöhnung gedeutet werden? Putin sagte nur, was man in solchen Situationen eben sagt. Er wollte zeigen, dass Russland es gut meine mit den Menschen auf der Krim und alle gleich behandeln wolle.
Inwiefern liess Putin durchblicken, was er in der Ostukraine zu tun gedenkt? Die Ostukraine hat er in seiner Rede nur kurz gestreift. Putin sagte, dass die Interessen der russischen Bürger in der Ukraine immer ein Thema der russischen Politik sein würden. Er wolle aber keine Teilung der Ukraine. Putin rief die Ukraine auf, ihre Probleme selber zu lösen. Das könnte als Schritt in Richtung Deeskalation gedeutet werden. Dass Russland in die Ostukraine einmarschiert, ist die allerletzte Variante. Ein militärisches Eingreifen ist für die Russen nicht sehr verlockend.
In seiner Rede markierte Putin den harten Mann, und er teilte gegen den Westen aus. Was bedeutet dies für den weiteren Verlauf des Konflikts zwischen Russland und der Ukraine und dem Westen? Der Konflikt wird im Moment eher nicht auf der ukrainischen Schiene weiterlaufen. Das Krim-Szenario droht nun in Transnistrien. Die abtrünnige moldauische Republik will Russland beitreten, wie russische Medien heute berichten. Transnistrien stimmte bereits vor acht Jahren in einem Referendum für den Anschluss an Russland, die Zustimmung war ähnlich hoch wie am letzten Sonntag auf der Krim. In Transnistrien leben rund 300'000 Russischsprachige, dort sind auch russische Soldaten stationiert. Transnistrien lehnt das Assoziierungsabkommen ab, das die Republik Moldau mit der EU abgeschlossen hat. Ein Assoziierungsabkommen mit der EU war auch der Hintergrund für die politischen Unruhen in der Ukraine.
Das Referendum in Transnistrien liegt schon einige Jahre zurück. Warum wurde Transnistrien noch nicht von Russland aufgenommen? Russland war 2006 weniger stark, es verfolgte damals keinen Konfrontationskurs mit dem Westen. Jetzt könnte sich Russland auf den Standpunkt stellen, dass der Fall Transnistrien genau gleich ist wie der Fall Krim. Und es könnte Transnistrien aufnehmen. Der Fall Krim zeigt, wie weit Russland inzwischen bereit ist zu gehen. Russland hätte die Kontrolle über die Krim bekommen können, selbst wenn die Halbinsel den Status eines unabhängigen Staates gehabt hätte. 2008 nach dem Krieg in Georgien hatte das Moskau noch gereicht: Die abtrünnigen Regionen Abchasien und Südossetien wurden von Russland als unabhängig anerkannt, aber nicht als Teil Russlands aufgenommen.
Die EU und die USA haben Einreise- und Kontosperren gegen Angehörige der russischen Führung beschlossen. Können solche Sanktionen Putin beeindrucken? Nein. Umso mehr, als diese Sanktionen gar nicht die entscheidenden Leute treffen. Zudem dürften die meisten Betroffenen ihre Vermögen längst nicht mehr im Ausland haben. Putin hatte schon vor einer Weile Regierungsmitglieder, hohe Beamte und Parlamentarier aufgefordert, ihre Vermögen nach Russland zurückzuführen. In Russland macht man sich lustig über die Sanktionen. Wladislaw Surkow zum Beispiel, einer der Putin-Berater, sagte, dass es ihn ehre, auf der Liste der Personen, die mit Sanktionen belegt wurden, zu stehen. Dies belege, wie gut er dem Land diene.
Gibt es in der russischen Führung noch Ansätze einer kritischen Haltung gegenüber Präsident Putin? Bisher gab es quasi ein Politbüro mit zwölf Personen unterschiedlicher Strömungen, denen Putin vertrauen konnte. Der wirtschaftsfreundliche Teil der Führung wollte, nicht zuletzt wegen persönlicher Interessen, Sanktionen des Westens verhindern. Diese Leute haben offenbar nichts mehr zu sagen. Entschieden hat Putin zuletzt in einem kleinen Machtzirkel, dem sehr enge Mitstreiter aus Geheimdiensten und Militär angehören. Ihnen sind die Sanktionen egal, da sie ohnehin nicht davon betroffen sind.
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