Das Klima wird zur Gesundheitsgefahr
Hitzewellen, Feinstaub, Infektionen: So drastisch wirkt sich der Anstieg der Temperaturen auf die Gesundheit der Menschen aus.

Der globale Klimawandel ist nicht nur eine Bedrohung für künftige Generationen, sondern hat bereits heute gravierende Folgen für die Gesundheit der Weltbevölkerung. Davor warnt eine Kommission aus hochrangigen Klimaforschern, Medizinern und Ökonomen. Für den Bericht «The Lancet Countdown» untersuchte die Kommission aus 24 Partnern, darunter die Weltgesundheitsorganisation WHO, Universitäten und die Weltbank, schon jetzt spürbare Auswirkungen – und kam zu beunruhigenden Ergebnissen.
Ein Gesundheitsrisiko, das die Menschen auch in Europa spüren, ist die Hitze. Der Bericht zeigt, dass aufgrund der Klimaerwärmung Häufigkeit, Dauer und Intensität von Hitzewellen gestiegen sind. Im Vergleich zum langjährigen Schnitt (1986–2008) nahm die Zahl der Menschen über 65 Jahre, die weltweit Hitzewellen ausgesetzt waren, bis 2016 um 115 Millionen zu.
Gerade in dieser Altersgruppe können die gesundheitlichen Auswirkungen bei Höchsttemperaturen schwer sein, etwa für das Herz-Kreislauf-System oder die Nieren, wenn der Körper zu wenig Flüssigkeit bekommt. Bis 2050 könnte die Zahl der Menschen, die direkt an den Folgen von Hitzewellen leiden, eine Milliarde erreichen, schätzen die Forscher.
Welche Gefahr von heissen Perioden ausgeht, zeigte sich etwa im Sommer 2003, als zahlreiche Temperaturrekorde gebrochen wurden und es über längere Zeit selbst nachts kaum abkühlte. 70'000 Menschen starben alleine in Westeuropa an den Folgen der extremen Hitze. Für genaue Aussagen über Todesfälle als Folge steigender Temperaturen sind laut dem Bericht weitere Studien nötig.
Erwiesen ist aus Sicht der Forscher, dass die steigenden Temperaturen zu einem Rückgang der Arbeitsproduktivität in ländlichen Gebieten geführt haben. Zwischen 2000 und 2016 hat diese um 5,3 Prozent abgenommen. Besonders in wärmeren Regionen ist es an immer mehr Tagen zu heiss, um draussen zu arbeiten. «Das ist gerade in landwirtschaftlich geprägten Gegenden von Bedeutung», sagt Anthony Costello, einer der WHO-Direktoren. «Die Stadien für die Fussballweltmeisterschaft in Katar werden nachts unter Flutlicht gebaut, das geht in der Landwirtschaft in Afrika nicht.»
Eine Folge davon ist Unterernährung. Der weltweite Hunger ist laut der Analyse die grösste gesundheitliche Auswirkung des Klimawandels im 21. Jahrhundert. Mit jedem Grad, das die Temperatur ansteigt, verringern sich die globalen Weizenerträge um 6 Prozent und die Erträge aus Reisfeldern gar um 10 Prozent. Ausserdem bedrohten wärmere Ozeane die Fischbestände. Und so kehrt sich der Trend bei der Zahl der Hungernden, die weltweit gesehen ab 1990 zunächst deutlich zurückging, seit einigen Jahren wieder um. In dreissig besonders armen und vom Klimawandel betroffenen Ländern Asiens und Afrikas hat sich die Zahl der unterernährten Menschen seit 1990 sogar um 6 Prozent auf 422 Millionen erhöht. Weltweit sind 1,4 Milliarden Menschen in Gefahr der Unterversorgung.
Die Europäer kennen dieses Problem kaum, spüren aber andere Auswirkungen des Klimawandels wie die Ausbreitung verschiedener Infektionskrankheiten. Aufgrund der steigenden Temperaturen kommen krankheitsübertragende Mücken in immer mehr Gebieten vor. So hat sich die Zahl der Dengue-Fälle seit 1990 jede Dekade verdoppelt. Damit ist das tropische Fieber die sich weltweit am schnellsten verbreitende Krankheit. Seit den 90er-Jahren stieg das Potenzial von Dengue-Übertragungen durch Moskitos wie die ägyptische Tigermücke (Aedes aegypti) um 6 Prozent. 2013 steckten sich 58,4 Millionen Menschen mit Dengue an, mehr als 10'000 starben.
Ein weiteres grosses Problem ist die zunehmende Luftverschmutzung, die gleichzeitig einer der wesentlichen Treiber für den Klimawandel ist. Alleine für 2015 gehen die Studienautoren von 803'000 vorzeitigen und vor allem vermeidbaren Todesfällen in 21 asiatischen Ländern aus. Zudem würden in 87 Prozent der Städte weltweit die Feinstaub-Grenzwerte der WHO regelmässig überschritten. «Wir reden also nicht mehr über Tausende oder Millionen betroffene Menschen, sondern über Milliarden», sagt Nick Watts, Geschäftsführer von «The Lancet Countdown».
Die Wissenschaftler warnen ausserdem davor, dass Stürme, Fluten und Hitzewellen in den nächsten Jahren nicht nur zunehmen, sondern auch schlimmer werden könnten. In den Jahren zwischen 2007 und 2016 gab es durchschnittlich 306 extreme Wetterereignisse pro Jahr. Verglichen mit ähnlichen Messungen zwischen 1990 und 1999 ist das ein Anstieg um 46 Prozent.
Trotz der dramatischen Befunde gebe es allerdings auch hoffnungsvolle Zeichen, betonen die Experten. So würde weltweit eine ganze Reihe von Ländern den Ausstieg aus der Kohleenergie vorbereiten, die für einen Grossteil der Treibhausgase und Luftverschmutzung verantwortlich ist. Hinzu kämen der wachsende Anteil erneuerbarer Energien und die intensivierte Forschung im Bereich Elektromobilität. «Rund um den Globus wird mehr und mehr nach Antworten gesucht, was aber nicht schnell genug geht», erläutert Watts. Der Klimaschutz müsse deutlich intensiviert werden, um einen weltweiten medizinischen Notfall zu vermeiden.
*mit Material der SDA
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