Das günstige Schulhaus
Architekt Hanspeter Oester hat das 36 Millionen Franken teure Schulhaus der Zurich International School in Adliswil entworfen. Nun plant sein Büro ein Schulhaus in Zürich-Affoltern, das 70 Millionen kostet. Für den Preisunterschied gibt es diverse Gründe.
Von Georg Gindely Adliswil/Zürich – Hanspeter Oester ist zurzeit so etwas wie der Guru des kostengünstigen Schulhausbaus. Der Architekt des Zürcher Büros AGPS Architecture war mitverantwortlich für den Bau des Oberstufenschulhauses der Zurich International School (ZIS) in Adliswil. Das 2008 eröffnete Gebäude bietet Platz für 450 Schüler und ist mit einer Dreifachturnhalle, einer Bibliothek, einer Mensa und einem Mehrzwecksaal ausgerüstet. Und: Es hat lediglich 36?Millionen Franken gekostet. Zum Vergleich: Das neue Schulhaus Blumenfeld, das die Stadt Zürich bis 2015 in Affoltern bauen will, kostet voraussichtlich 70 Millionen Franken. Dort sollen 440 Kinder zur Schule gehen, geplant sind eine Dreifachturnhalle, eine Bibliothek, ein Hort für 300 Schüler sowie ein Mehrzwecksaal. Gewonnen hat den Architekturwettbewerb ebenfalls das Team von AGPS. Weshalb baut dasselbe Büro, das für seinen günstigen Bau in Adliswil von Experten viel Lob bekam, in Zürich nun fast doppelt so teuer?«Adliswil war ein Glücksfall, wie er sich in den nächsten Jahren nicht wiederholen lässt», sagt Architekt Oester. Dennoch sei kostengünstiges Bauen möglich – auch bei Schulhäusern in der Stadt Zürich. «Das wollen wir mit unserem Projekt für das Schulhaus Blumenfeld beweisen.» Die beiden Zahlen – 70 respektive 36 Millionen Franken – lassen sich laut Oester nicht miteinander vergleichen. Sie beinhalten nicht nur die reinen Baukosten, sondern auch die Aufwendungen für das Land, die Erschliessung, die Vorbereitung, den Architekturwettbewerb, die Ausstattung, die Möblierung und weitere Posten. Vor allem aber ist das Volumen des geplanten Schulhauses in Affoltern um 20 Prozent grösser als beim Gebäude in Adliswil – das allein führt laut Oester schon zu 20 Prozent höheren Baukosten. Das Volumen in Adliswil ist kleiner, weil die Schulzimmer nur 49 Quadratmeter gross und vergleichsweise niedrig sind, da die Oberstufenklassen der ZIS nicht mehr als 16 Schüler umfassen. Im Schulhaus Blumenfeld mit wesentlich mehr Schülern pro Klasse beträgt die Zimmerfläche 80?Quadratmeter. Das führt dazu, dass die Räume höher sein müssen. Und es braucht eine Lüftungsanlage, deren Kanäle Raum beanspruchen. In der ZIS können die Zimmer aufgrund ihrer geringen Grösse mit einer dezentralen und in die Fassade integrierten Anlage belüftet werden.Nicht nur das grössere Volumen führt beim Schulhaus Blumenfeld zu höheren Kosten. Der Baukostenindex wird in vier Jahren, wenn die Fertigstellung des Blumenfelds in Zürich-Affoltern geplant ist, voraussichtlich um 10 bis 15 Prozent höher sein als bei der Eröffnung des ZIS-Schulhauses 2008. Hanspeter Oester zeigt auf einem Rundgang durch das ZIS-Schulhaus, wie es das Planerteam geschafft hat, die Kosten tief zu halten. Das kompakte Gebäude in Adliswil ist ein Rohbau ohne unnötige Verkleidungen. Im Inneren haben die Architekten Beton und Leichtbauelemente verwendet, die hochwertige Fassade besteht aus Glas und Metall. Auch in Affoltern ist ein einfacher, kompakter Rohbau geplant.Die technischen Installationen sind nicht eingebaut, sondern werden offen geführt. Das Konzept soll in Affoltern übernommen werden. Die einzelnen Bauteile erfüllen gleichzeitig mehrere Funktionen. Die Garderobenkästchen und Brüstungen zum Beispiel sind auch akustische Absorptionskörper. Multifunktionalität ist auch im Blumenfeld ein wichtiges Prinzip. Die Fluchtwege führen in Adliswil über Balkone, was teure Brandschutzmassnahmen unnötig machte. In Affoltern sollen die Terrassen als Pausenraum genutzt werden können, weshalb die Architekten eine Lösung mit mehreren Fluchttreppen planen. Damit wollen sie ebenfalls Brandschutzmassnahmen minimieren. Private haben mehr Freiheiten Zwischen den beiden Projekten gibt es aber auch Unterschiede: Das Gebäude in Adliswil ist nicht mit einem Minergie-Zertifikat ausgezeichnet, weil die Bauherren darauf verzichtet haben. Dafür ist der Betrieb der ZIS nahezu frei von Kohlendioxid-Emissionen, geheizt und gekühlt wird mit Erdsonden und einer Wärmepumpe. Beim Schulhaus Blumenfeld schreibt die Stadt eine Minergie-P-Zertifizierung vor, was mehr kostet.Viele Richtlinien sind in den letzten Jahren bereits wieder verschärft worden. So führt eine neue Bundesnorm dazu, dass die Turnhalle im Blumenfeld grösser werden muss als in Adliswil.Grundsätzlich anders waren Budgetplanung und Vorbereitung. Bei der Zurich International School, die nicht gewinnorientiert ist, stand das Budget lange auf wackligen Beinen. Das Geld für den Bau haben ehrenamtliche Mitarbeiter mittels Fundraising gesammelt. Die Baukommission, die ebenfalls ehrenamtlich tätig war, entschied je nach finanzieller Situation, wie es weitergehen soll. Das ermöglichte eine grosse Flexibilität beim Bau. Bei der öffentlichen Hand wäre eine solche Budgetplanung nicht möglich, stimmen doch Gemeinderat und Volk darüber ab. Bei den Bauvergaben ist eine Privatschule freier, als es die öffentliche Hand ist. Sie muss sich nicht an die Submissionsbestimmungen halten und kann erteilte Aufträge nachverhandeln. Das ist der Stadt nicht erlaubt. «Der Schulhausbau in Adliswil war ein Glücksfall, wie er sich in den nächsten Jahren nicht wiederholen lässt.» Hanspeter Oester Hanspeter Oester. Blick ins Treppenhaus des 2008 eröffneten Oberstufenschulhauses in Adliswil mit 450 Schülern. Foto: Reto Oeschger
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