Das grosse Erbe von Landis+Gyr
Landis+Gyr kommt wieder an die Börse. Beim Traditionsunternehmen aus Zug wurde aber mehr erfunden als die Stromzähler, für welche der Firmenname heute steht.

Stromzähler produziert wurden bei Landis+Gyr von Beginn weg, als das Unternehmen 1896 als «Electrotechnisches Institut Theiler & Co.» gegründet wurde. Mittlerweile sehen die Geräte freilich ziemlich anders aus als vor hundert Jahren: Die Ablesung der Strommenge erfolgt nun aus der Ferne übers Internet. Und mehr und mehr erfüllen die Geräte nicht nur die Messung der Strommenge – sie dürften dereinst Teil eines intelligenten Stromnetzes (Smart Grid) werden, in welchem Energiegewinnung, -speicherung und -verbrauch miteinander vernetzt funktionieren. Die Ingenieure in Zug entwickelten indes nicht nur Stromzähler, eine Erfindung von Landis+Gyr war auch das sogenannte Kinegramm, das silberne Hologramm, das heute auf Banknoten, in Pässen und auf vielen anderen amtlichen Dokumenten zu finden ist. Das Geschäft mit den silbernen Marken und Streifen wurde aber abgestossen, kurz bevor 1998 Landis+Gyr von der damaligen Elektrowatt an den deutschen Industriekonzern Siemens verkauft wurde.

Das einst bei Landis+Gyr erfundene Kinegramm ziert auch die neuen Schweizer Banknoten. (Bild: OVD Kinegram AG) Entwickelt wurden die Kinegramme damals allerdings nicht als Sicherheitsmerkmale für Banknoten oder Visadokumente, sondern für Telefonkarten. Das hängt mit einem anderen Produkt zusammen, bei welchem Landis+Gyr einst ein grosser Name war: bei den Münztelefonen. Das Geschäft mit den Telefonen für Telefonkabinen wurde gleichzeitig mit jenem für Kinegramme abgestossen. Die daraus entstandene Landis&Gyr Communications ging einige Jahre darauf aber in Konkurs und die Reste wurden von einem italienischen Konzern übernommen.

Hing einst in den Telefonkabinen vieler Restaurants: Münztelefon von Landis+Gyr. (Bild: www.20th.ch) Während das Geschäft mit Münztelefonen durch die Mobiltelefone bedeutungslos geworden ist, kommen die Kinegramme weiterhin zum Einsatz. Produziert werden sie unter anderem weiterhin in Zug, und zwar von der OVD Kinegram AG, die der deutschen Leonhard-Kurz-Firmengruppe gehört. Ebenfalls teilweise auf Landis+Gyr zurück geht die heutige Siemens Building Technologies. Die auf Gebäudeautomatisierung und Brandschutz spezialisierte Division von Siemens hat ihren Hauptsitz bis heute in Zug. Das ist nicht alleine auf das Gebäudeautomationsgeschäft der Landis+Gyr zurückzuführen: Schweizer Wurzeln haben auch der Brandschutzspezialist Cerberus sowie die Stäfa Control Systems, die ebenfalls der Beteiligungsgesellschaft Elektrowatt gehörte, als diese Landis+Gyr an Siemens verkaufte.

Mit Elektrowatt endete übrigens einst auch die erste Börsenkotierung von Landis+Gyr. Seit den 50er-Jahren wurden Aktien des Unternehmens an der Börse gehandelt. 1995, als Elektrowatt die Mehrheit am Unternehmen aufkaufte, verschwand Landis+Gyr aber vom Börsentableau. Stattdessen kam es in den Jahren darauf zum mehrfachen Besitzerwechsel. Wurde das Unternehmen über Jahrzehnte hinweg von den Gründern und ihren Nachfahren kontrolliert, verkauften die Erben von Karl Heinrich Gyr ihre Anteile an Landis+Gyr 1987 an den Industriellen Stephan Schmidheiny – notabene in einer Zeit, als wirtschaftliche Schwierigkeiten die Firma plagten und Restrukturierungen durchgeführt werden mussten.
Sechs Besitzerwechsel in dreissig Jahren
Acht Jahre später landete das Traditionsunternehmen bei der von der Credit Suisse kontrollierten Elektrowatt. Als diese zwei Jahre später zerschlagen wurde, landete Landis+Gyr zusammen mit allen anderen Industriebeteiligungen der Elektrowatt bei Siemens. Während der deutsche Konzern die Gebäudeautomationssparte bis heute weiterführt, trennte sie sich 2002 nach erfolglosen Restrukturierungsmassnahmen vom Geschäft mit Stromzählern. Dieses ging wieder unter dem Namen Landis+Gyr 2002 an den Finanzinvestor KKR, welcher das Unternehmen zurück in die Gewinnzone führte und darauf an die australische Investmentgesellschaft Bayard Capital weiterreichte. Ziel der Australier war eigentlich, Landis+Gyr wieder an die Börse zu bringen. Doch zum zweiten Börsengang kam es nicht. Während die Vorbereitungen dafür schon liefen, übernahm die japanische Toshiba zusammen mit einem staatlich finanzierten Investitionsfonds 2011 die Firma, die sich dank Investitionen von Bayard mittlerweile zum technologischen Marktführer für digitale und vernetzte Stromzähler gemausert hatte.
Weil nun der japanische Technologiekonzern aufgrund seiner Atomkraftwerksparte in tiefen Schwierigkeiten steckt, wurde Landis+Gyr wieder zum Verkauf gestellt. Realität wird der Börsengang zumindest dann, wenn die zahlreichen Kaufinteressenten, von denen in den letzten Monaten in Medienberichten die Rede war, weniger bieten, als Toshiba mit dem Börsengang des Traditionsunternehmens einzunehmen erhofft. Oder wenn dem japanischen Konzern ein Verkauf zu wenig schnell ginge.
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