Das grosse Desaster der Brexit-Gewinner
Ränkespiele, Machtkämpfe, Chaos – zwei Monate nach ihrem Triumph ist Nigel Farages Ukip auf dem besten Weg, sich selbst zu zerlegen. Das typische Schicksal einer 1-Punkt-Partei?

Was macht eine Partei, die ihr Ziel erreicht hat? Nigel Farage, auch «Mr. Brexit» genannt, und seine rechte Ukip-Partei waren die grossen Sieger beim britischen EU-Referendum. Und nun – der Anfang vom Ende?
Blick zurück: Nigel Farage, der Mann, der seit Jahrzehnten für den Austritt Grossbritanniens aus der EU gekämpft hatte, schrieb beim EU-Referendum Ende Juni Geschichte. Neben dem Londoner Ex-Bürgermeister Boris Johnson war der 52-Jährige das Gesicht des siegreichen Brexit-Lagers. «Einer der einflussreichsten Politiker seiner Generation», meint der britische Sender BBC.
Nigel Farage hat genug und gibt am 4. Juli seinen Rücktritt als Ukip-Chef bekannt.
Anderthalb Wochen nach dem Sieg kommt die überraschende Volte. Statt sich ins Brexit-Getümmel zu stürzen, zieht sich Farage zurück. «Ich will mein Leben zurückhaben», sagt er mit theatralischer Geste. Er habe alles erreicht, ohne Ukip hätte es niemals ein Referendum gegeben.
Auf falschem Fuss erwischt
Der Rückzug erwischt die Partei auf dem falschen Fuss, geschockt und ratlos machen sich die Granden auf die Suche nach einem Nachfolger. Und verheddern sich im Klein-Klein der Parteipolitik. Gespielt wird mit allen Haken und Ösen, windige Tricks inklusive.
Letzte Wendung des Dramas: Ein Parteigremium bringt den Favoriten für die Nachfolge zu Fall. Steven Woolfe, 48 Jahre alt, Rechtsanwalt und EU-Parlamentarier, galt als Kronprinz und Farage-Liebling. Seine Ablehnung durch das Nationale Exekutivkomitee klingt reichlich bizarr: Er habe seine Online-Bewerbungsunterlagen 17 Minuten zu spät eingereicht.

Der Skandal ist perfekt: Kritiker sprechen von einem «Putsch» gegen den Favoriten, mehrere Mitglieder des Komitees treten aus Protest zurück. Medien sprechen vom «Bürgerkrieg» in der Partei, Farage schäumt vor Wut.
Hinter dem Personalgerangel lauert ein ernstes Problem: «Die Partei erscheint sinnlos, sobald der Brexit verwirklicht ist», kommentiert der «Guardian». Will sie überleben, muss die Partei sich neu erfinden, muss frische Ziele setzen.
Im Kern handelt es sich um ein ähnliches Problem, an dem in Europa auch andere Ein-Punkt-Parteien knabbern. Die Grünen etwa brauchten Jahre, bis sie sich zur «echten» Partei mit breiter Programmatik mauserten – schmerzhafte Flügelkämpfe eingeschlossen.
Verfeindete Stämme
Das Grundproblem bei Ukip zieht weitere Probleme mit sich. Auf welches Wählerpotenzial soll sich die Partei konzentrieren: enttäuschte Labour-Leute oder unzufriedene Tory-Sympathisanten? Hier liegt erheblicher Sprengstoff: «Die Landkarte unserer Fraktionen ist komplexer als die Karte Syriens», verrät ein Ukip-Mann dem «Independent». «Wir haben mehr verfeindete Stämme.»
Ein weiteres Problem: Gutes Personal für den Topjob ist knapp. Ukip war nicht zuletzt wegen ihres gewieften Medienmannes Farage erfolgreich. Der liess keine Kamera aus, fühlte sich richtig wohl im Blitzlichtgewitter. Das kann längst nicht jeder.
«Wenn wir nicht einen kompetenten Führer bekommen, der mit den Medien kann, könnte die Partei am Ende sein», befürchtet Douglas Carswell, der einzige Unterhausabgeordnete der Partei. «Es geht jetzt um Leben und Tod.»
Die drei Brexitiere: Sie haben für den Brexit gekämpft, nun müssen sie ihn in der Regierung May umsetzen.
SDA
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