Das ganz normale Leben einer Olympiasiegerin
Tia Hellebaut war in Peking bereit, als ihr im Hochsprung die Chance geboten wurde. An ihrem Leben ändert das nichts.
Beim Beruferaten käme man nie auf die richtige Lösung. Ist sie vielleicht Primarlehrerin - oder Sekretärin? Mit ihrer markanten Brille sieht Tia Hellebaut nicht wie eine Spitzensportlerin aus, erst recht nicht wie eine, die hoch durch die Luft fliegt. Doch das tut die 30-Jährige. Sie ist Hochspringerin und mit einer Goldmedaille aus Peking zurückgereist. Dabei hatte die ganze Welt nicht auf sie, sondern auf Blanka Vlasic, die grosse (im Wortsinn: 1,94 m gegenüber Hellebauts 1,82) Favoritin, geschaut. Als diese sich auf 2,05 m einen Fehlversuch geleistet hatte, war Hellebaut bereit, um zu übernehmen. Sie sprang im ersten Versuch persönliche Bestleistung sowie Landesrekord und holte Gold, weil Vlasic danach auf 2,07 dreimal scheiterte.
Nur 36 Stunden zu Hause
Das war am vergangenen Samstag. Nach ihrer Rückkehr nach Europa und dem grossen Empfang am Flughafen - «Ich brauchte mehrere Stunden, um da herauszukommen» - blieben der ersten belgischen Olympiagoldgewinnerin gerade 36 Stunden, um zu Hause im Städtchen Tessenderlo das Nötigste zu erledigen. Was das war? «Ich musste meine Kleider waschen und einkaufen gehen. Nach meiner langen Abwesenheit hatte ich nichts mehr zu essen im Haus», erzählt Hellebaut, die mit ihrem Freund zusammenlebt und von ihm trainiert wird. Zu viel mehr reichte es nicht, weil bereits die Reise nach Zürich anstand. «Ich habe gemischte Gefühle. Es ist zwar schön, hier zu sein, aber es wäre auch schön gewesen, einige Tage zu Hause zu bleiben.»
Dort hätte sie wohl auch das Geschehene zu verarbeiten versucht. Auf ihrer Homepage trägt der Olympiatagebucheintrag am Tag nach dem Sieg den Titel «Bed gezien, maar niet geslapen». Sie wälzte sich also die ganze Nacht im Bett, beim Versuch, irgendwann etwas Schlaf zu finden. Gross geändert hat sich diese Situation nicht. Wohl schläft sie mittlerweile besser, aber die Gedanken kreisen immer um das eine Thema. «Ich habe nach wie vor das Gefühl, dass die Goldmedaille nicht real ist. Olympiagold ist doch etwas für US-Superstars, nicht für ein Mädchen von nebenan, wie ich eins bin.»
Nun stehen für die 30-Jährige noch zwei Golden-League-Meetings (Zürich und Brüssel) auf dem Programm. Nach dem Höhepunkt in Peking gilt für Hellebaut nur noch eine Devise: «Ich will die drei Wettkämpfe geniessen und Spass haben.»
Übrigens: Für ihr Image, das ihr wegen ihres Äusseren anhaftet, kann die diplomierte Chemikerin nicht viel. Als Folge einer Augeninfektion kann sie keine Kontaktlinsen mehr tragen. «Ich sehe sogar besser mit der Brille», sagt sie. Muss sie ja wohl sagen: Sie wird von einem belgischen Brillenhersteller gesponsert.
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