
Fahren zwei Frauen auf der Rolltreppe aneinander vorbei, kennen sich irgendwie. Rennen einander nach, trinken Tee. Finden heraus, dass sie sich noch gar nie begegnet sind. Sie haben sich gegenseitig für jemand anders gehalten.
«Wheel of Fortune and Fantasy» des Japaners Ryusuke Hamaguchi zeigt Gefühle auf kubistische Art, je nach Blickwinkel verschieben sie sich.
Der bezaubernde Spielfilm ist ein typischer Festival-Geheimtipp, laufen tut er in der Sektion «Special Screenings», deren Profil weiterhin rätselhaft bleibt – abgesehen davon, dass es berauschende Filme von Joanna Hogg oder Apichatpong Weerasethakul zu sehen gibt.
Das Programm des Zurich Film Festival (ZFF) wirkt dieses Jahr wie die Frau auf der Rolltreppe. Man glaubt, man kenne die Auswahl, geht ihr nach – und wird überrascht. Wirkte es früher so, als stehe Geglücktes wie zufällig neben Grauenvollem, deutet sich mit der neuen künstlerischen Leitung eine Linie an, die ein Best-of der grossen Festivals mit der Frische von Erstlingswerken verbindet.
Das ZFF zählt gern auf, wie viele Oscarsieger es bereits im Programm hatte. Das Festivalpublikum interessiert das weniger, es will Qualität, egal ob die Filme schon in Cannes oder Berlin waren, so wie dieses Jahr so einiges im Spielfilmwettbewerb. Spricht ja für die Geschichten, wenn sie schon einmal ausgewählt worden sind. Und heute jeder Weltpremiere nachzurennen, macht keinen Sinn.
Als Plattform für Debütantinnen kann man sich ja immer noch positionieren, da gibt es halt mal einen Absturz. Man merkt jetzt aber, dass es über die Sektionen hinweg einen Blick auf die Filme gibt, der weniger damit zu tun hat, wovon sie handeln, als vielmehr damit, wie sie erzählen.
Die vielen gstabigen Einführungen – da könnte man auch mal was machen.
Jane Campion beispielsweise, die in ihrem Extremspätwestern «The Power of the Dog» aufs Sorgfältigste die Geschlechtervorstellungen dekonstruiert. Ende Jahr ist der Film auf Netflix zu sehen. Dazu zupft Johnny Greenwood seinen Stakkato-Sound, was mehr als entschädigt für das ZFF-Signet, das man nun vor jeder Vorführung überstehen muss.
Fast so unangenehm sind die vielen gstabigen, abgelesenen Filmeinführungen – da könnte man auch mal was machen. Als Sofortmassnahme hätten wir gern ein Moratorium auf jegliche Vergleiche von grosser Leinwand und kleinem Bildschirm. Das haben wir verstanden, danke. Jetzt gehen Sie bitte zur Seite, damit der Film beginnen kann.

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Kommentar zum ZFF-Programm – Das Film-Glück von Zürich
Bisher zeigte das 17. Zurich Film Festival eine erfreuliche Auswahl. So kennt man es gar nicht.