«Das erschüttert die Schweizer Bankenwelt»
An Swissleaks waren Medien aus aller Welt beteiligt. Ein Überblick über die wichtigsten, interessantesten Enthüllungen.

Swissleaks dominiert die Schlagzeilen rund um die Welt. Von Frankreich über Grossbritannien bis in die USA ist das Thema den Medien mehrseitige und -minütige Beiträge wert. Im Folgenden eine Übersicht über die wichtigsten, interessantesten Enthüllungen im Ausland.
Frankreich
In Frankreich hat Swissleaks vor sechs Jahren seinen offiziellen Anfang genommen: Dort lud Hervé Falciani im Dezember 2008 die Daten, die er von seinem Arbeitgeber HSBC gestohlen hatte, von seinem Server herunter und übergab sie den französischen Ermittlern. Zuvor war er von den Schweizer Behörden verhaftet und vernommen worden, hatte aber flüchten können.
Die französische Zeitung «Le Monde» hat an der Analyse dieser Daten von Anfang an mitgearbeitet. Anfang 2014 realisierte sie, wie gross das internationale Ausmass der Sache war. Und beschloss, das International Consortium of Investigative Journalists einzubeziehen (siehe Box).
Die Zusammenarbeit habe «atemberaubende Erkenntnisse» hervorgebracht. Unter anderem Daten von rund 3000 Franzosen, die der Steuerhinterziehung verdächtigt werden. Sie sollen mithilfe der HSBC über 5,7 Milliarden Euro (fast 6 Milliarden Franken) vor dem französischen Fiskus versteckt haben. Das Finanzministerium habe Verfahren gegen 72 Kunden eröffnet. Die meisten anderen Betroffenen hätten ihre Steuerangelegenheiten seit Bekanntwerden des Datenklaus freiwillig geregelt. Unter ihnen seien Prominente jeglicher Couleur: Chirurgen, Diamantenhändler, Politiker, Sportler und Wirtschaftskapitäne.
Swissleaks sei eine der «grössten journalistischen Operationen dieses Jahrhunderts», schreibt «Le Monde». Etwa 40 Journalisten aus aller Welt hätten seit September unermüdlich daran gearbeitet.
Belgien
Die belgische Zeitung «Le Soir» berichtet online: Vor zwei Monaten hat der belgische Untersuchungsrichter, der im Fall HSBC federführend ist, ein Rechtshilfegesuch an die Schweizer Behörden gestellt. Der Richter berief sich auf ein Anti-Geldwäscherei-Abkommen zwischen Belgien und der Schweiz. Doch bis jetzt habe die Schweiz nicht darauf reagiert.
Nun droht der Untersuchungsrichter gemäss dem Artikel: Sollte sich die Kooperation seitens der Schweizer Justizbehörden nicht bessern, werde er Haftbefehle gegen die ehemalige und derzeitige Führung der Bank ausstellen.
Zudem stehe der Richter mit der HSBC in ständiger Verbindung. Denn die Bank könne den Ermittlern freiwillig die geforderten Informationen aushändigen – besonders Kontodaten zu Zahlungen. Über 1000 belgische Steuerzahler könnten betroffen sein. Die Gesamtsumme beträgt mehrere Milliarden Dollar zwischen 2003 und 2015.
Deutschland
Auch die «Süddeutsche Zeitung» war Teil dieses Journalistenkonsortiums. In den Daten seien knapp 2000 Personen mit Verbindung zu Deutschland enthalten. Die Zeitung nennt keine Namen, schreibt aber: «Die deutschen Finanzämter konnten einiges an entgangenen Steuern zurückholen. Wie viel genau, wurde von den Finanzbehörden nicht zentral ermittelt.»
Nun sei ein Konto in der Schweiz nichts Verbotenes, gibt die Zeitung zu bedenken, «all diese Konten sind möglicherweise absolut legal». Doch die HSBC habe in den vergangenen Jahren für auffällig viele Kunden ein Konto eröffnet, die grosses Interesse an einem Missbrauch gehabt haben könnten.
«Die Daten geben auch einen Einblick in die geheime Welt des Schweizer Bankensystems», schreibt die Zeitung weiter. Beispielsweise seien Millionen Euro an Schwarzgeld in bar ausgezahlt, Briefkastenfirmen in der Karibik gegründet und die Zinsabschlagsteuer kreativ umgangen worden. Kunden hätten ihre Taschen mit Bargeld vollgestopft und ihre Bankunterlagen noch in der Bank zerrissen. Kunden mit nicht deklarierten Konten hätten spezielle Kreditkarten erhalten, damit sie im Ausland sicher an ihr Geld kommen. Und man habe ihnen Unterlagen vorbeigebracht, damit sie nicht selbst mit belastendem Material herumlaufen mussten. «Schweizer Banken sind einzigartige Orte, man betritt dort eine Welt, die sehr international und dann doch wieder erstaunlich klein ist. Hier treffen sich – im Foyer oder nur in den Kundendaten – Israelis und Palästinenser, Amerikaner und Iraner, Russen und Ukrainer. Verfeindet in der Welt, vereint in ihren ureigenen Interessen.»
Grossbritannien
Auch die britische Zeitung «The Guardian» hat an den Enthüllungen mitgearbeitet. Der Story gehört die ganze Titelseite, es handelt sich laut dem «Guardian» um «das grösste Bankenleck der Geschichte». Die Diskussionen um ein Ende der Offshore-Steuerhäfen würden dadurch angeheizt.
Die Zeitung weist auf die Verantwortung der HSBC-Gruppe mit Hauptsitz in London hin: Sie sei offensichtlich ihrer Aufsichtspflicht über die Schweizer Tochterfirma nicht nachgekommen. Zudem bringt der «Guardian» den Namen Stephen Green ins Spiel: Er war von 2006 bis 2010 HSBC-Konzernchef, bevor er als Handelsminister der Regierung des britischen Premiers David Cameron beitrat. Er wollte zu der Affäre und seiner Rolle keine Stellung nehmen. «Entweder er wusste nichts davon und war am Steuer der Bank eingeschlafen, oder er wusste davon und war demnach in heikle Steuerpraktiken involviert», sagt die Vorsitzende des britischen Rechnungsausschusses, Margaret Hodge.
In Frankreich, Belgien, den USA und Argentinien wurden nach den Enthüllungen bereits Strafermittlungen gegen HSBC aufgenommen, nicht aber in Grossbritannien. Laut dem britischen TV-Sender BBC sind in den Swissleaks-Daten die Namen von etwa 7000 Briten enthalten. Die britischen Steuerbehörden hätten diese seit 2010 untersucht und mindestens 1100 undeklarierte Konten entdeckt. Fünf Jahre später sei erst ein einziger Steuerhinterzieher verurteilt worden. Insgesamt seien aber 135 Millionen Pfund (190,5 Millionen Franken) an Steuern, Zinsen und Bussen nachgezahlt worden.
Die Bank HSBC betont, dass solche illegalen Tätigkeiten schon lange eingestellt und die Kontrollen verbessert worden seien. BBC zitiert hingegen eine Whistleblowerin, die 2013 bei der Bank arbeitete – und aussagte, dass es auch damals noch krumme Steuertricks gegeben habe.
Australien
Auch in Australien hat der Datenklau von Hervé Falciani bereits vor Jahren erste Konsequenzen gehabt – was allerdings erst heute offiziell bekannt wurde. Die australischen Steuerbehörden bestätigen gegenüber dem «Guardian», schon 2010 Zugriff auf die Unterlagen erhalten zu haben. Sie hätten eine «Reihe von Widersprüchen» zwischen den Daten und ihren eigenen Unterlagen beziehungsweise nicht rechtmässig deklarierte HSBC-Konten entdeckt.
Man habe eine Reihe von Kontrollen angeordnet, «die bis zum heutigen Tag zu nachträglichen Steuereinnahmen von 30 Millionen Dollar führten». Ausserdem hätten sich mindestens 70 HSBC-Kunden freiwillig gemeldet, um bis dahin undeklarierte Konten anzumelden. «Einige davon waren Schweizer Konten.» Swissleaks sei der Beweis dafür, wie wichtig eine weltweite Zusammenarbeit im Kampf gegen Steuerhinterziehung sei, sagt der australische Politiker Andrew Leigh.
USA
Der US-TV-Sender CBS war das amerikanische Medium, das an der Auswertung der Daten beteiligt war. Er berichtet darüber in einem 12-minütigen Beitrag. Die Affäre «erschüttere die Schweizer Bankenwelt in ihren Grundfesten». Die Daten enthielten mehr als 4000 Namen von Bankkunden mit Verbindungen zu den USA, die zusammen mehr als 13 Milliarden Dollar (12 Milliarden Franken) auf ihren HSBC-Konten hielten. CBS berichtet exemplarisch über den Fall einer Immobilienmaklerin aus New Jersey, die von der Bank eine Garantie eingefordert hatte, dass ihre Daten zuverlässig vor den US-Steuerbehörden versteckt würden. Sie formulierte diese «Bitte» gegenüber der Bank – und erhielt eine entsprechende Zusage.
CBS interviewt auch den Datenlieferanten Hervé Falciani. Dieser sagt zum ersten Mal aus, nicht allein gehandelt zu haben: Er habe von Partnern, «Freunden», Hilfe erhalten. «Ich war nicht der Einzige, der Alarm schlagen wollte.» Auch Falcianis Ex-Freundin kommt im Beitrag zu Wort: Sie bezeichnet Falciani als Schwindler, der mit dem Verkauf der Daten Millionen habe verdienen wollen. Falciani wiederum sagt, er habe seine Ex-Freundin zur Flucht benutzt. Die Beweggründe Falcianis spielten im Endeffekt keine Rolle, sagt ein französischer Journalist gegenüber CBS. Was zähle, sei das Resultat.
Tunesien
Wie weit die Kreise sind, die Swissleaks zieht, zeigt das Beispiel Tunesien. Laut dem tunesischen Web-Magazin Inkyfada.com sind 142 individuelle Bankkunden und 32 Offshore-Gesellschaften betroffen, mit einem Gesamtbetrag von 554 Millionen Dollar (511 Millionen Franken).
Auch einige prominente Namen tauchen auf der Liste auf, die bekanntesten sind wohl jene von Mitgliedern des Ben-Ali-Clans. Nach dem Sturz des autokratischen tunesischen Präsidenten Ben Ali Anfang 2011 wurden in der Schweiz rund 60 Millionen Franken aus seinem Umfeld gesperrt. Seither fordert Tunesien die möglicherweise illegal erworbenen Gelder von der Schweiz zurück. Letztes Jahr wollte die Bundesanwaltschaft einen Teil davon überweisen, wurde vom Bundesstrafgericht aber gestoppt.
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