Schweizer Volley-Frauen planlosDas Erfolgsprojekt ist gefährdet
Beim Schweizer Volleyball-Frauen-Nationalteam läuft zurzeit nicht alles rund. Eine vertiefte Aufarbeitung der EM-Finalrunde sowie wichtige Personalentscheide stehen noch aus.

Eigentlich sind es gute Zeiten für den Schweizer Frauen-Volleyball. Mit Maja Storck, Laura Künzler und Julie Lengweiler haben drei nationale Topspielerinnen den Sprung ins Ausland gewagt und spielen in starken europäischen Ligen mittlerweile eine führende, im Fall der Münchensteinerin Storck gar überragende Rolle.
Und das Nationalteam schaffte zuletzt das, was vor zehn Jahren noch utopisch schien: sich zweimal in Folge für die EM-Finalrunde zu qualifizieren. Als Europas Nummer 22 bewegen sich die helvetischen Volleyballerinnen inzwischen im guten internationalen Mittelfeld.
Der Aufwärtstrend der letzten Jahre scheint nun aber gefährdet zu sein. Was die nächste Zukunft betrifft, gibt es im Umfeld der Nationalequipe derzeit mehr Fragen als Antworten. Nachdem das Team Ende August unter der neuen Cheftrainerin Saskia van Hintum das grosse Ziel «Einzug in die Achtelfinals» verpasst hatte und dabei auch leistungsmässig hinter den Erwartungen zurückblieb, herrschte in der Schweizer Delegation Ratlosigkeit und teilweise gar Frust. Auch fast drei Monate nach der Rückreise aus Kroatien scheint der sportliche Rückschlag noch nicht aufgearbeitet zu sein.
Denn am Verbandssitz in Bern fragt man vergeblich nach Erkenntnissen und Konsequenzen der zwiespältig verlaufenen dritten EM-Finalrundenkampagne (2013, 2019 und 2021). «Trotz einer Maja Storck und Laura Künzler sind wir halt noch nicht so weit, wie einige gedacht haben», entgegnet Swiss-Volley-Direktor Philippe Saxer auf eine entsprechende Frage.
Die für das Nationalteam verantwortliche Schweizer Rekordinternationale Anne-Sylvie Monnet räumt immerhin ein, dass inzwischen zwar Gespräche mit dem Trainerstaff, aber noch nicht mit den Spielerinnen geführt worden seien.
Bleiben Storck und Künzler dabei?
Nationalmannschafts-Capitaine Laura Künzler bestätigt diese Aussage und fügte hinzu: «Wir sind also weiter auf Wartestation.» Nach der für sie unglücklich verlaufenen EM – die langjährige Teamstütze verpasste wegen einer Oberschenkelblessur das entscheidende Gruppenspiel gegen Weissrussland – weiss die neuerdings bei Bundesligist VC Wiesbaden unter Vertrag stehende Aargauerin noch nicht, ob und wie es für sie im Nationaltrikot weitergehen wird.
Und sagt dazu: «Es gibt derzeit einige offene Fragen. Etwa: Gibt es eine Nationalteam-Vision für die nächsten zwei, drei Jahre? Bleibt Saskia van Hintum Cheftrainerin, oder wer würde auf sie folgen?»
Die deutsche Meisterin Maja Storck wurde von Swiss Volley ebenfalls noch nicht kontaktiert. Die Topskorerin der vergangenen Bundesliga-Saison will dies nicht gross kommentieren, lässt indes durchblicken, dass für sie im Umfeld des EM-Finalturniers das eine oder andere nicht gestimmt habe. Zumindest indirekt kritisiert sie den Trainerstaff und bemängelt die suboptimale Vorbereitung: «Wir sind ein junges Team und waren in Kroatien insbesondere im taktischen Bereich nicht genügend vorbereitet. Da bin ich von der Arbeit in Dresden jetzt eben auch andere Massstäbe gewohnt.»
Auf die Nachfrage, ob sie sich denn wie ihre frühere Sm’Aesch-Pfeffingen-Teamkollegin Künzler ebenfalls ein Time-out im Nationalteam überlege, mag das Kraftpaket mit dem Hammerschlag keine klare Antwort geben. Sie warte jetzt mal auf das Gespräch mit Frauen-Chefin Monnet und wolle sich dann ihre Meinung bilden.
Swiss Volley ist gefordert
Was die Trainerfrage betrifft, will sich die Alleinverantwortliche des Frauen-Nationalteams noch nicht festlegen. Und begründet dies mit dem Fakt, dass die Gespräche mit den Spielerinnen – darunter auch die drei gegenwärtigen Sm’Aesch-Pfeffingen-Teamstützen Madlaina Matter, Méline Pierret und Sarah van Rooij – noch ausstünden.
So oder so: Die derzeit drängenden personellen Fragen können nicht darüber hinwegtäuschen, dass für den nächsten Schritt des Indoor-Aushängeschilds von Swiss Volley grössere Anstrengungen nötig sein werden. Die Fortsetzung des Aufwärtstrends der letzten Jahre wäre etwa, in Europa in die Top 16 vorzustossen und an grossen Turnieren jeweils die Gruppenphase zu überstehen.
Von allein wird dies jedoch nicht geschehen, die Konkurrenz in der Frauen-Weltsportart Volleyball ist riesig. Zwei Voraussetzungen müssten wohl primär erfüllt werden: erstens eine Aufstockung des bisherigen Budgets (etwa für die Bestreitung der European League) und zweitens der Einbezug aller nationalen Topspielerinnen. Wie fordert Kapitänin Künzler? «Es braucht eine klare Vision für uns Spielerinnen.»
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