
Wenn ein Staat seine Bürger nicht schützt, hat das Folgen. Die verunsicherte Bevölkerung verschanzt sich. Misstrauen macht sich breit, und irgendwann patrouillieren private Sicherheitsdienste oder sogar Bürgerwehren in den Strassen.
In der digitalen Welt ist das genauso. Wenn das Betriebssystem sich selbst und die Daten des Anwenders nicht zu schützen vermag, springen Dritte ein. Bei Windows übernimmt das Antivirenprogramm die Rolle eines privaten Sicherheitsdiensts. Es pariert Angriffe, killt Schadsoftware und schützt System und Anwendungen.
In der realen Welt ist es hochproblematisch, wenn hoheitliche Aufgaben ausgelagert werden. Und auch hier stimmt die Analogie zur digitalen Welt: Es gilt für sie genauso. Die Sicherheitssoftware auf dem PC ist schwer zu kontrollieren. Sie bremst das Betriebssystem aus. Sie ist manchmal übergriffig: Entwickler klagen seit Jahren darüber, dass ihre Produkte fälschlicherweise als Virus markiert und gelöscht oder zumindest behindert werden. Und die Hersteller der Antivirenprogramme haben nicht nur das Wohl des Anwenders im Sinn, sondern auch ihre eigenen finanziellen Interessen. Darum schüren sie manchmal mehr Angst, als angebracht wäre – und verkaufen auch Extradienstleistungen, deren Nutzen angezweifelt werden darf.
Übergriffige Helfer
In der realen Welt würde diese Situation politische Reaktionen auslösen. Nicht so in der digitalen Welt. Die Nutzer von Windows nehmen es als gegeben hin, dass sie Jahr für Jahr Geld für die neueste Version eines Sicherheitsprodukts ausgeben müssen. Für die Hersteller der Schutzprogramme ist das ein gutes Geschäft. Es garantiert ihnen jährliche Milliardenumsätze.
Nach langem Zuwarten hat Microsoft realisiert, dass es die Sicherheit nicht delegieren sollte. In Windows 8 und 10 ist Windows Defender eingebaut, Anwender von Windows 7 können sich Security Essentials kostenlos herunterladen. Die Software arbeitet so dezent, dass man kaum je mit ihr zu tun bekommt.
Das passt nicht allen. Jewgeni Kasperski vom Antivirenhersteller Kaspersky Lab hat Ende 2016 in lauten Worten die «Monopolisierung des Sicherheitsmarktes» kritisiert und Windows Defender als minderwertig bezeichnet: «Microsoft nötigt den Anwendern das eigene Produkt auf und killt so die unabhängigen Hersteller.»
Unsinnig und durchsichtig
Diese Aussage ist so unsinnig und vor allem durchsichtig, wie wenn sich der Betreiber eines privaten Sicherheitsdiensts über die Polizei beklagt. Windows Defender schützt auch die Computer jener Leute, die sich einen kommerziellen Virenschutz nicht leisten können oder wollen – oder keine Lust oder Kompetenz haben, sich mit dem Thema überhaupt zu beschäftigen. Das macht das Internet für alle sicherer. Denn jene ungeschützten Computer sind die Soldaten, aus denen Cyberkriminelle ihre Bot-Armeen rekrutieren, um Spam zu versenden, Malware zu verbreiten und Attacken zu fahren.
Andererseits: Defender bietet zwar einen soliden Basisschutz, doch Internet Security von Kaspersky Lab schneidet in manchen Vergleichen (zum Beispiel des Testlabors Av-test.org) ein paar Zehntelprozentpunkte besser ab. Das heisst: Es gibt weiterhin einen Markt für Drittprodukte und keineswegs ein Monopol. Dennoch sind die Zeiten vorbei, als die desolate Sicherheitslage bei Windows das beste Verkaufsargument für Antivirenprogramme war.
In der digitalen Welt gibt es übrigens eine weitere Strategie, die Sicherheit verheisst: die Abschottung. Ein Betriebssystem kann man sicherer machen, indem man Mauern hochzieht und Datenverkehr strikt limitiert. Das führt Apple mit den iPads und iPhones vor. Apps dürfen nicht frei installiert, sondern nur aus dem kontrollierten Store bezogen werden. Auch auf dem Gerät sind Apps isoliert und damit nicht in der Lage, andere Apps oder das Betriebssystem zu manipulieren. Das macht Fehlverhalten zwar nicht unmöglich, aber sehr viel schwieriger.
Hier greift die Analogie nicht mehr. In der realen Welt bringt diese Strategie keinen Schutz, sondern Unfreiheit.
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Das Antivirenprogramm gelassen abschalten
Unser Autor erklärt, wie er seinen Computer schützt und wie Sie das auch können.