
Jetzt kommt er wieder. Dieser weisse, kalte Kristallkram von oben, dieses Geschenk, das unseren Tourismus befördert, unsere Identität ausmacht, unsere Kindheiten geprägt hat, von der blauen Abfahrt in Wildhaus bis zur schwarzen Piste am Flumserberg: Nie war Herzklopfen wilder – und schöner. Zu Corona-Zeiten wiederum wars der Schnee, der uns ein Päckchen Freiheit vom Himmel sandte: Er bescherte frische Luft und Sport mit den eigenen Kids auf der Loipe, als vieles geschlossen war, und Herausforderungen fernab von jenen des pandemischen Alltags, etwa bei meinem (vergeblichen) Versuch, auf Skating umzusteigen.
Ach, Schnee in den Bergen ist toll, ich weiss. Und der bis anhin fehlende Schnee ist so etwas wie ein unsichtbares, furchteinflössendes Menetekel, nicht bloss für die Schweiz, sondern für die ganze Welt. Keine Frage, er fehlt.
In der Stadt ist die weisse Pracht tendenziell lästig.
Bloss, mal ehrlich: mir nicht so sehr. Nicht nur in der Stadt benötigt man ihn so dringend nicht. Obwohl sich weisse Weihnachten natürlich auch dort gut machen und die Kinder vom Schlittenfahren bis Iglubauen mit Feuer und Flamme dabei sind, wenn es im Tal dick schneit – während man mit abgefrorenen Zehen am Chindsgi-Hügel herumsteht.
In der Stadt ist die weisse Pracht tendenziell lästig, wie alle wissen, die es schon mal nicht zur Arbeit geschafft haben, weil der Bus im Schnee liegen blieb. Oder die frühmorgens im Schweisse ihres Angesichts, mit hektischem Blick auf die Uhr, den Eingang zum Haus freischaufeln mussten. Ein volles Schnee-Outfit und Bürokleidung gehen auch nicht so gut zusammen.

Aber eben, auch in den normalerweise skitauglichen Bergen sind grüne Bergwiesen – offen gestanden und subjektiv als Schweizer Mutter gesprochen – in gewisser Weise eine Entlastung. Für einmal muss man nicht hektisch noch Ski für die Kinder ausleihen, in der Weihnachtspause einen Trip in die Höhe klarmachen und den dann auch noch überstehen. Was gerade mit kleinen Kindern durchaus keine kleine Sache ist: Schon allein das Ausrüsten, Anziehen und Anstehen kann ziemlich Nerven kosten (vom Geld ganz zu schweigen); mit dem winzigen, aber ehrgeizigen Skianfänger danach sicher den Berg herunterkommen sowieso.
Auch richtige Skiferien mit dem Nachwuchs sind vorderhand kein Entspannungsurlaub: Man muss die Zwerge in voller Montur in die Skischule schleppen (und auch wieder heim), muss Tickets und Täschli bereithaben, trösten, motivieren, Skirennen mit 67 jungen Teilnehmenden in eisiger Bise am Pistenrand stehend über sich ergehen lassen, beten, dass es gut läuft, und auf keinen Fall den Fotomoment mit dem eigenen Stöpsel vermasseln; Debatten über das Beizenessen führen; und im Familienskilager für die gesamte vierzigköpfige Mannschaft abspülen, auftischen, sich über die Putzämtli-Aufteilung in die Haare kriegen.
Drum piepst es heuer, angesichts der grünen Hügel, still und leise in mir: Danke schön.
Im Grunde ein Horror mit spärlichen Benefits. Und dennoch, sobald in nützlicher Nähe Schnee liegt, kriecht dieses Gefühl in mir hoch: Schneesport muss sein. Für mich selbst kann ich den helvetischen kategorischen Imperativ noch verdrängen; der Imperativ des Fitnesscenters ist deutlich schlimmer und durchdringender.
Ohnehin ist bekannt, dass selbst minimalinvasive Schneesportarten umwelttechnisch kein Knüller sind. Aber, wie gesagt, liegt in Einsiedeln Schnee, erschallt in meinem Inneren aus irgendwelchen Tiefen (oder Höhen) der Ruf: Die Kinder brauchen diese Sozialisation im kalten Weiss, wie ich sie einst erlebt habe – auf den Brettern, die die Schweiz bedeuten! Das ist ein Must, gehört dazu zum Dazugehören wie das Feuer am 1. August! Und ich bin ihm stets gefolgt.
Drum piepste es heuer, angesichts der grünen Hügel, still und leise in mir: Danke schön.
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Glosse zum Schneemangel – Danke, grüne Bergwiesen!
Warum es nicht nur traurig sein muss, wenn der Skilift nicht läuft – aus der Perspektive einer Mutter.