Erstmals Liste veröffentlichtDafür gingen die Basler 2022 auf die Strasse
Noch nie gab es in Basel so viele Kundgebungen wie im letzten Jahr. Mit einem noch nie da gewesenen Schritt macht die Polizei erneut auf die prekäre Personalsituation aufmerksam.

Noch nie fanden in Basel so viele Kundgebungen statt wie 2022. Erstmals veröffentlicht die Basler Kantonspolizei nun eine Liste aller Kundgebungen mit den einzelnen Themen der Proteste. Insgesamt 287 Demonstrationen, Standkundgebungen und Mahnwachen zählten die Behörden in den letzten zwölf Monaten. Im Jahr davor waren es noch 275, 2020 180 und im Vor-Corona-Jahr 2019 207.
2022 waren 188 Demonstrationen bewilligt, 99 fanden ohne Gesuch statt. Hier gab es einen Rückgang: 2021 verzeichnete die Basler Kantonspolizei 124 unbewilligte Kundgebungen. Zuständig für die Bewilligungen ist die Kantonspolizei.
Letztes Jahr wurden indes neun Kundgebungen abgelehnt. Die Gründe, weshalb Gesuche für Demonstrationen abgelehnt wurden, waren immer individuell, wie Adrian Plachesi sagt, der Leiter der Abteilung Kommunikation bei der Polizei. «Es hat natürlich nie etwas mit dem politischen Inhalt zu tun», führt er aus.
«Ein Grund für eine Ablehnung ist beispielsweise, wenn eine andere Kundgebung oder Veranstaltung am gleichen Tag im öffentlichen Raum stattfindet.» Für den 1. November habe es etwa einen Antrag für einen Autokorso im Zusammenhang mit der Fussball-WM in Katar gegeben. «In diesem Beispiel sahen wir die öffentliche Sicherheit und Ordnung bedroht», sagt Plachesi. «Deshalb wurde dieses Gesuch abgelehnt.»
Gegen Krieg und Abtreibungen
Ein Grossteil der Kundgebungen drehte sich um den Ukraine-Krieg. Mit 73 bildeten diese fast ein Viertel aller Kundgebungen in Basel. Die meisten davon waren Mahnwachen und Standkundgebungen. Letztere bilden die beliebteste Art von Kundgebungen in Basel. Die Demonstrationen sind derweil eine Minderheit.
Insgesamt 42 Kundgebungen lassen das Thema Abtreibung auf Platz zwei der häufigsten Proteste 2022 rangieren: Ganze 40 Tage lang hielten Abtreibungsgegner vor dem Basler Unispital Mahngebete und Proteste. Auslöser dafür war der Entscheid des Obersten Gerichtshofs in den USA, das Abtreibungsverbot wieder möglich zu machen.
Plachesi bestätigt, dass internationale Vorfälle die hiesigen Demonstrationen beeinflussen. «Es ist sicher so, dass bei grossen, weltbedeutenden Ereignissen mehr Kundgebungen mit Bezug darauf stattfinden», erklärt er. «Es ist klar und nachvollziehbar, dass mit dem Ukraine-Krieg einige Kundgebungen und Mahnwachen stattfanden.»
Dasselbe gelte etwa für Ereignisse, die die Kurden betreffen. «Ereignisse in diesem Konfliktgebiet haben direkt Auswirkungen auf Basel. Wenn dort Bomben fallen, dann wird vermehrt in Basel demonstriert. Das ist die Realität.» Mit 35 Kundgebungen liegen diese Proteste auf Rang drei der häufigsten Themen.
Viel Platz nahmen auch Tierschutz (22), Klima (24) und Frauenrechte (23) ein. Mit dem Stopp der Corona-Massnahmen beschränkten sich die Demonstrationen – siebenmal gegen und einmal für die Massnahmen – derweil auf den Anfang des Jahres.
«Transparenz, wer öffentlichen Raum beansprucht»
Ob der Aufwärtstrend bei der Zahl der Kundgebungen auch im kommenden Jahr fortgeführt wird oder mit einem möglichen Ende des Ukraine-Kriegs gestoppt wird, kann Plachesi nicht sagen. «Das wäre ein Blick in die Kristallkugel.»
Will man mit der erstmaligen Veröffentlichung der Liste der Kundgebungen deren Zahl bremsen? «Die Liste wurde im Auftrag der Departementsvorsteherin wegen des gesteigerten öffentlichen Interesses veröffentlicht. Es geht vor allem darum, Transparenz darüber zu schaffen, wer den öffentlichen Raum beansprucht», sagt Plachesi. «Die Polizei äussert sich grundsätzlich nicht dazu. Was wir aber sagen können: Der zunehmende Druck durch Demonstrationen führt bei uns zu Problemen, denn das bedeutet jedes Mal ein Extraaufgebot, was die aktuelle Stellensituation umso schlimmer macht.»
Derzeit sind 80 Vollzeitstellen bei der Basler Kantonspolizei nicht besetzt. Noch vergangene Woche kommunizierte die Polizei, dass 100 Stellen unbesetzt seien. Dabei habe es sich aber um einen Fehler gehandelt, der aufgrund eines Schnittstellenfehlers zwischen zwei Softwareprogrammen passiert sei.
Die ganze Auflistung der Kundgebungen können Sie hier einsehen.
Fehler gefunden?Jetzt melden.