Computerspiel setzt sich für Homosexuelle ein
«Football Manager» will aufzeigen, dass ein Coming-out von Profifussballern positive Folgen haben kann.

Sie sind Fussballmanager. An einem normalen Montagmorgen bekommen Sie ein E-Mail. In diesem steht, dass Ihr talentiertester Stürmer sich öffentlich zur Homosexualität bekannt hat. Wie geht es weiter? Die Gemeinschaft LGBT (Lesbian, Gay, Bisexual, Transgender) stärkt Ihrem Verein den Rücken, Ihr Marketingverantwortlicher informiert, dass Ihre Einnahmen in die Höhe schnellen.
Das ist das Wunschszenario der Herausgeber der Online-Spieleserie «Football Manager». In dieser Sportsimulation übernimmt der Gamer die Führung eines Vereins, kauft und verkauft Spieler, hat mit für Sportchefs alltäglichen Problemen wie Sperren und Verletzungen zu tun und kriegt so einen kleinen Einblick in die Welt des Profifussballs. Nun haben die Entwickler also dieses neue Szenario eingebaut, bei dem ein Spieler der Mannschaft sein Coming-out wagt. Natürlich handelt es sich dabei um fiktive Spieler.
Miles Jacobson, der Studiodirektor von Sports Interactive, dem Herausgeber des Spiels, will damit Spieler zu einem Coming-out motivieren. «Wir wissen, dass es schwule Spieler gibt, die sich nicht bekennen möchten», sagt er zur BBC. «Ich finde es seltsam, dass das immer noch ein Problem ist im Fussball. Darum zeigen wir, dass ein Coming-out nichts Schlimmes, sondern etwas Positives ist.»
Hitzlsperger als positives Beispiel
Das hatte auch Thomas Hitzlsperger im Sinn. Der 8. Januar 2014 hätte eine Zeitenwende im Fussball werden sollen. Der Tag, an dem Homosexualität vom Tabuthema zum öffentlich diskutierten und vor allem akzeptierten Normalfall werden sollte. So zumindest lautete sein Plan. Er wolle die Diskussion über Homosexualität unter Profisportlern voranbringen, sagte er, als er sich als erster Spieler der deutschen Nationalmannschaft zu seiner Homosexualität bekannte.
Das Coming-out verfehlte seine Wirkung kurzfristig nicht. Nach eigenen Angaben gingen beim heutigen Berater des VfB Stuttgart in den Stunden nach dem Video-Interview zahlreiche weitere Anfragen ein. 277 wollten hören, was Hitzlsperger zu sagen hatte. Er wurde kürzlich zum Botschafter für Vielfalt des Deutschen Fussball-Bunds ernannt. Das Thema schien lanciert, öffentliche Bekenntnisse von Berufskollegen nur eine Frage der Zeit.
Langfristig aber kam es anders. Hitzlsperger ist auch über drei Jahre nach dem bewegenden Interview der mit Abstand berühmteste Fussballer, der zu seiner Homosexualität steht. Vielleicht gibt es keine anderen, vielleicht aber haben viele schwule Profis auch die tragische Geschichte von Justin Fashanu im Hinterkopf.
Fashanus Fall könnte abschrecken
Erste Gerüchte über Fashanus sexuelle Orientierung kamen schon in den 80er-Jahren auf, als er noch bei Nottingham Forest unter Vertrag stand. So erfuhr Trainer Brian Clough, dass Fashanu regelmässig in der Schwulenszene Nottinghams verkehrte, wo er auch seinen Freund kennen lernte. Clough hatte dafür kein Verständnis, beschimpfte seinen Stürmer vor versammelter Mannschaft als «verdammte Schwuchtel».
Die Leistungen des Engländers mit nigerianischem Vater litten unter Cloughs Intoleranz. Wobei: Intoleranz ist untertrieben. Ekel und Verabscheuung, damit stand Clough Fashanus sexueller Orientierung gegenüber.
Als dunkelhäutiger und homosexueller Fussballer gehörte Fashanu in England zu einer doppelten Minderheit. Das bekam er auf dem Rasen zu spüren. Rassistische und homophobe Beschimpfungen schlugen ihm entgegen, seine Karriere sollte sich davon nie erholen. Fashanu verliess England, versuchte sein Glück in Kanada und den USA. Ohne Erfolg.
Verstossen, Vergewaltigung, Selbstmord
Nach seiner Rückkehr nach England entschied sich Fashanu zu seinem Coming-out. Die britische Boulevardzeitung «The Sun» soll ihm dafür 80'000 Pfund bezahlt haben. Fashanu plauderte pikante Details aus, das Interview war für seinen weiteren Lebenslauf entscheidend. Im negativen Sinn. Die schwarze Community reagierte mit Ablehnung und Unverständnis, sein Bruder bezeichnete Fashanu als «Verstossenen».
Abermals verliess Fashanu England in Richtung USA. Auch dort lief es nicht besser. 1998 wurde er verhört, weil er einen 17-Jährigen vergewaltigt haben sollte. Eine Verurteilung seitens der Behörden gab es nicht, seitens der Presse jedoch schon, Fashanu sah sich gezwungen unterzutauchen, kehrte nach England zurück und erfuhr, dass er per Haftbefehl gesucht wurde.
Jahre später räumt Fashanus ehemaliger Trainer Clough ein, im Umgang mit dem Stürmer Fehler begangen zu haben. Es hilft Fashanu nichts mehr, er erhängte sich am 2. Mai 1998 – kurz nach dem Haftbefehl – in seiner Garage.
Überwiegend positive Umfrage
Fashanus Geschichte ist eine tragische, «Football Manager» will solchen entgegenwirken und zeigen, dass sich die Zeiten geändert haben. In einer Umfrage von BBC unter Sportfans stossen die Macher vornehmlich auf Zustimmung. Bei der Frage, ob Fans ein Problem damit hätten, wenn ein Spieler ihres Vereins schwul wäre, antworteten 82 Prozent mit Nein.
Bedenklich ist aber die andere Seite der Umfrage: 8 Prozent gaben an, ihr Team nicht mehr weiter zu unterstützen, sollte ein Spieler ein Coming-out wagen. Bis zur kompletten Anerkennung stehen der Homosexualität im Fussball also noch einige Hindernisse bevor.
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