Null-Covid-StrategieChina riegelt wegen des Virus auch mal Disneyland ab
Dass Peking steigende Fallzahlen akzeptiert, ist kaum vorstellbar: Die Olympischen Winterspiele stehen an, und im Herbst 2022 dürfte Staatschef Xi Jinping den 20. Parteitag der KP nutzen, um sich eine historische dritte Amtszeit als Präsident zu sichern.

Als Ende Oktober eine Frau in der Provinz Jiangxi positiv auf das Coronavirus getestet wurde, reagierten die Gesundheitsbehörden im rund 700 Kilometer entfernten Shanghai sofort. Tags zuvor war die Infizierte im Disneyland der Millionenmetropole gewesen. Die Tore des Freizeitparks wurden abgeriegelt, 34’000 Besucher, die noch im Park waren, durften das Gelände nicht verlassen.
Um ihre Flucht zu verhindern, wurden die Parkplätze abgesperrt und die U-Bahn-Station geschlossen. Einziger Weg, um nach Hause zu dürfen: ein Corona-Test. (Hier geht es zum Video, worin Korrespondentin Lea Deuber über den Alltag mit Corona in China berichtet.) Im Netz kursierten dystopisch anmutende Handyaufnahmen von Menschen in weissen Schutzanzügen, die vor der Kulisse des berühmten Märchenschlosses im Schein des Feuerwerks entnervte Besucher testeten.
Zunächst gab es Nachahmer in Asien
Was drastisch wirkt, gehört in Chinas Kampf gegen das Virus zum Alltag. Fast zwei Jahre nach Entdeckung des Coronavirus in Wuhan hält Peking an seiner Null-Covid-Strategie fest. Zu Pandemiebeginn hatten die rigorosen Massnahmen Nachahmer gefunden, besonders in Asien. Dann kam die Delta-Variante und in den meisten Ländern die Einsicht, dass die Welt womöglich dauerhaft mit dem Virus leben müsse.
Nicht so in China. Die Regierung stellt hohe Todeszahlen im Ausland als Beleg für das systemische Versagen demokratischer Staaten dar. Das eigene Krisenmanagement ist aus Sicht Pekings hingegen der Standard für gute Führung.
Dazu kommen gleich zwei Grossereignisse 2022: Einerseits will die KP bei den Olympischen Winterspielen im Februar der Welt beweisen, dass sie das Virus besiegt hat. Und im Herbst dürfte Staatschef Xi Jinping den 20. Parteitag nutzen, um sich eine historische dritte Amtszeit als Präsident zu sichern. Dass Peking zuvor steigende Fallzahlen akzeptiert, ist kaum vorstellbar.

Ähnlich äusserte sich diese Woche Chinas Top-Epidemiologe Zhong Nanshan. Er erklärte in in den Staatsmedien, das Land werde voraussichtlich noch «lange Zeit» an der harten Corona-Politik festhalten. Wie lange, hänge jedoch nicht von China ab. Denn es werde immer importierte Fälle geben, solange andere Staaten das Virus nicht in den Griff bekämen. Seine Prognose: Bis Ende 2022 dürfte sich nichts ändern.
Kaum ein Staat ist noch so isoliert
China hat seit März 2020 die Grenzen faktisch geschlossen. Kaum ein Staat ist noch so isoliert wie das Milliardenland. Grenzverkehr abseits dringender Geschäftsreisen und Familienzusammenführung ist kaum möglich. Visa gibt es nur in Ausnahmen. Einreisende müssen zudem zwei bis drei Wochen in staatliche Quarantäne. Selbst Staatschef Xi Jinping hat das Land seit gut 21 Monaten nicht verlassen.
Aus Sicht Zhongs bleibt diese Politik in den nächsten Monaten absolut nötig. Das Land kämpft mit der vierten Delta-Welle und dem grössten Ausbruch seit Pandemiebeginn. In 20 der 31 Provinzen und Regionen sind neue Fälle registriert. Insgesamt geht es aber um kaum mehr als 800 Infizierte. In den USA gab es zugleich teils rund 100-mal mehr – pro Tag.
Schulkinder stundenlang festgehalten
Seit Ankunft der Delta-Variante reagieren Chinas Behörden dennoch mit Massnahmen, die dort ungewöhnlich harsch wirken. In Peking hielten die Behörden zuletzt stundenlang Primarschulkinder fest, weil ihr Lehrer infiziert war. Kreativ reagierte eine Nachbarstadt von Dalian. Als dort einige Fälle entdeckt wurden, schalteten die Behörden alle Ampeln auf Rot, um die Menschen am Verlassen der Stadt zu hindern.
Offiziell sind mehr als 80 Prozent der Menschen in China geimpft. Wie wirksam chinesische Impfstoffe jedoch sind, ist unklar.
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