China bestreitet Gefahr durch TrümmerErste Bilder der abstürzenden Rakete
Experten warnen vor der 21 Tonnen schweren Rakete, die «unkontrolliert» in die Erdatmosphäre eintritt. China spricht von «internationaler Praxis».

China hat eine Gefahr durch herabfallende Überreste seiner für den Bau der chinesischen Raumstation genutzten Rakete bestritten. Es sei «sehr unwahrscheinlich», dass sie Schaden anrichten könnten, sagte der Sprecher des Aussenministeriums, Wang Wenbin, am Freitag auf Journalistenfragen in Peking. Die Raketenstufe werde beim Wiedereintritt in die Erdatmosphäre verglühen und zerstört. «Das ist internationale Praxis.»
Experten rechnen am Wochenende mit einem «unkontrollierten» Wiedereintritt. Die Rakete sei nicht dafür gebaut, um durch Triebwerke so gesteuert zu werden, dass sie über einem unbewohnten Gebiet oder dem Meer in die Atmosphäre eintritt. Es wurde vor einem möglichen Trümmerregen gewarnt, der ausreichen könnte, Schäden anzurichten.
«Diese Bedingungen machten die Bilderaufnahme ziemlich extrem»
Dem italienischen Astrophysiker Gianluca Masi von der Organisation Virtual Telescope Project ist es nun gelungen, ein erstes Foto der Trägerrakete zu machen. Das Bild entstand in dem Augenblick, als die chinesische Rakete über dem Roboterteleskop Elena vorbeiraste, wie der Nachrichtensender CNN berichtet.
Die Raketenstufe umkreist die Erde derzeit mit einer Geschwindigkeit von sieben Kilometern pro Sekunde in einer Höhe von 165 bis 326 Kilometern. Auf seiner Website erklärt Wissenschaftler Masi, wie das Foto entstand: «Während die Sonne nur wenige Grad unter dem Horizont stand, war der Himmel unglaublich hell. Diese Bedingungen machten die Bilderaufnahme ziemlich extrem. Dabei war unser Roboterteleskop erfolgreich bei der Erfassung dieser riesigen Trümmer.»
«20 bis 40 Prozent der Masse eines grossen Objektes erreichen generell den Boden»
Die Schweiz liegt voraussichtlich nicht in der Risikozone, die jeden Teil der Erdoberfläche zwischen dem 41,5. Grad nördlicher und dem 41,5. Grad südlicher Breite umfasst. In Europa zählen zum Beispiel Teile von Spanien, Italien, Griechenland und Portugal dazu. Zudem gehören Regionen Nord- und Südamerikas und Südasiens sowie ganz Afrika und und das australische Festland dazu. Das Büro für Raumfahrtrückstände der Europäischen Raumfahrtagentur Esa rechnet mit einem Wiedereintritt der Trümmer in die Erdatmosphäre zwischen Samstagabend und dem frühen Sonntagnachmittag.
Die neue, besonders tragfähige Rakete vom Typ «Langer Marsch 5B» hatte am Donnerstag vergangener Woche das Kernmodul «Tianhe» (Himmlische Harmonie) ins All gebracht. Damit begann die junge Raumfahrtnation den Bau ihrer eigenen Raumstation.
Die Raketenstufe und ihr Vorgänger bei dem Jungfernflug im Mai 2020 seien mit 21 Tonnen die sechst- und siebtgrössten Objekte, die jemals wieder in die Erdatmosphäre eingetreten seien, berichtete Marlon Sorge vom Zentrum für Wiedereintritt-Studien (CORDS) der Aerospace Corporation in Kalifornien. Er nannte das Raumlabor Skylab, die russischen Raumstationen Mir sowie Saljut 6 und 7 sowie die Saturn V-Raketenstufe, die Skylab ins All gebracht habe.
«Als generelle Regel gilt, dass 20 bis 40 Prozent der Masse eines grossen Objektes den Boden erreichen. Das genaue Ausmass hänge vom Design ab. Normalerweise seien die Raketenstufen nicht dafür gebaut, in eine Umlaufbahn zu gelangen, sagte der Experte. Vielmehr sei ihre Flugbahn so geplant, dass sie nach dem Start in ein sicheres Gebiet wie den Ozean fielen. Wenn eine Rakete im Orbit sei, müsse ein Deorbit-Manöver vorgenommen werden, bei dem Triebwerke benutzt würden, um den Wiedereintritt-Punkt kontrolliert zu wählen.
Folgen wie beim Absturz eines Kleinflugzeuges gefürchetet
«Die Fähigkeit, ein Deorbit-Manöver vorzunehmen, hängt vom Design und der Mission des Flugkörpers ab», sagte Sorge. Es sei nicht unüblich, dass ein kontrollierter Wiedereintritt von vornherein eingeplant werde, da schwere Raketenstufen ein grösseres Risiko für die Menschen auf der Erde darstellten. «Das ist die bevorzugte Vorgehensweise nach internationalen Standards und wird schnell globale Norm.»
Der Astrophysiker Jonathan McDowell vom Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics in Cambridge (US-Bundesstaat Massachusetts) hatte das Design der Rakete als «fahrlässig» kritisiert. Es entspreche nicht heutigen Standards. «Im schlimmsten Fall» werde es wie der Absturz eines kleinen Flugzeugs, der sich über Hunderte Kilometer verteile. Nach dem ersten Flug des neuen Raketentyps im Mai 2020 waren Trümmer in der westafrikanischen Elfenbeinküste niedergegangen und hatten nach lokalen Berichten Häuser beschädigt. (Lese Sie zum Thema: Was ging bei der China-Rakete schief?)
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