Bundesratswahl: «Wer hinter den Kulissen etwas arrangiert, muss schweigen»
Der ehemalige SP-Parteipräsident Helmut Hubacher über Intrigen, Komplotte und die «Nacht der langen Messer».
Die ganze Schweiz rätselt, wer am 10. Dezember neuer Bundesrat wird. Noch haben die Parteien Zeit für Manöver. Was läuft hinter den Kulissen ab? Eine Bundesratswahl ist ein Highlight, denn sonst ist Politik in diesem Land eher langweilig und haut einen nicht vom Sessel. Da alle Parlamentarier eine Stimme haben, kann jeder mitmischen. Es ist wie im Fussball, wo es jeder besser wissen will als der Trainer. Wenn morgen bekannt wird, wen die SVP-Fraktion für die Wahl nominiert, werden die Parlamentarier und ihre Parteien zusammensitzen und diskutieren.
Werden dann Pläne für eine «Nacht der langen Messer» vor dem Wahltag geschmiedet? Ich glaube nicht. Der Anspruch der SVP auf den Sitz von Samuel Schmid ist unbestritten – ausser sie nominiert Christoph Blocher als einzigen Kandidaten. Die Bundesversammlung wird ihn aber sicher nicht wählen. Dann wäre es vorstellbar, dass der CVP-Ständerat Urs Schwaller gewählt würde. So wie es aussieht, wird die SVP aber wohl ein Zweierticket aufstellen, und dann – wie Christoph Mörgeli es sagt – würde die Nummer zwei nach Blocher gewählt.
Was ist mit dem grünen Kandidaten Luc Recordon? Der hat keine Chancen. Die Grünen hätten, um den Hauch einer Chance zu haben, einen Deutschschweizer bringen müssen.
Und wenn die SVP den Hardliner Caspar Baader neben Blocher aufstellt? Baader würde sicher Unbehagen auslösen. Dann stellt sich die Frage, ob die Mehrheit Baader schluckt. Auch hier wäre wieder Urs Schwaller die Alternative. Hinter den Kulissen wurde sicher schon alles eingefädelt.
Die Ereignisse in der Nacht vor der Wahl könnten sich also überstürzen, wie vor einem Jahr bei der Abwahl von Christoph Blocher. Wenn die SVP vernünftig ist, wird es nicht so weit kommen. Und ich glaube, die Partei ist sich bewusst, dass sie dem Parlament einen annehmbaren Kandidaten vorlegen muss. Alles andere würden die Schweizer nicht verstehen. Doch es gibt keine Regel für eine Bundesratswahl: Die Nomination wird diskutiert werden und die Fraktionen haben zwei Wochen Zeit, eine einheitliche Meinung zu finden.
War es früher einfacher, Absprachen zu treffen? Ja. Als ich in den Sechzigerjahren in die eidgenössische Politik einstieg, traf man sich in der Beiz. Wollte man mit einem CVPler sprechen, musste man in Bern ins Metropol. FDP-Parlamentarier sassen in der Bellevue-Bar. Parlamentarier aus verschiedenen Fraktionen fand man im Bristol. Heute muss alles organisiert werden: Die Parlamentarier treffen sich privat; viele haben wegen ihrer beruflichen Verpflichtungen keine Zeit mehr, nach den Sitzungen zusammenzusitzen.
Intrigen gab es aber auch schon früher. So zum Beispiel 1983 bei der Wahl von Otto Stich anstelle Ihrer Kandidatin Lilian Uchtenhagen. Damals stimmten vier bis sechs SP-Parlamentarier nicht für Lilian Uchtenhagen. Wenige Parlamentarier können eine Bundesratswahl entscheiden. Drahtzieher für die Wahl von Otto Stich war der freisinnige Nationalrat Felix Auer, der mit Uchtenhagen studiert hatte und sie nicht mochte. In der Nacht vor der Wahl fuhr er mit dem Taxt von Beiz zu Beiz, um die Stich-Anhänger in den verschiedenen Fraktionen zu mobilisieren. Am nächsten Tag wählte die Bundesversammlung Otto Stich zum Bundesrat. Wir hatten alle eine riesige Wut im Ranzen. Darauf zog sich die Fraktion zurück und akzeptierte seiner Wahl mit eisigem Schweigen.
Die Nicht-Wahl von Christoph Blocher wühlte die Schweiz auf. Sogar ein Film wurde darüber gedreht. Im Film spielten sich CVP-Präsident Christophe Darbellay und SP-Nationalrätin Ursula Wyss als Drahtzieher der Blocher-Abwahl auf. Dabei war die federführende Person der Bündner SP-Nationalrat Andrea Hämmerle. Er machte im Film aber gar nicht mit. Wer hinter den Kulissen etwas arrangiert, muss schweigen. Doch es gibt zu viele Wichtigtuer in der Politik.
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