Bund warnt vor Dauerregen und Hochwasser
36 Stunden lang Regen: Laut dem Bundesamt für Meteorologie besteht im gesamten Rheineinzugsgebiet die Gefahr für Hochwasser. In den Gefahrengebieten macht man sich bereit.
Eine Badewanne voll Regen soll an diesem Wochenende in bestimmten Regionen der Schweiz auf jeden Quadratmeter fallen – das entspricht laut dem Wetterdienst Meteonews einer Regenmenge von 100 bis 150 Litern. Die Wetterdienste Meteonews und Meteo Schweiz haben ihre Unwetter-Alarmstufen für den gesamten nördlichen Alpenraum auf die Stufe Rot (Stufe 4 von 5) erhöht.
In einer gemeinsamen Mitteilung warnen die Wetterdienste und das Bundesamt für Umwelt vor dem Dauerregen, den sie in den nächsten 36 Stunden erwarten. Die Niederschläge liessen voraussichtlich erst am Sonntag nach. Im ganzen Einzugsgebiet des Rheins bestehe Hochwassergefahr. Ausserdem sei die Gefahr von Rutschungen gross. Die Lage werde fortlaufend neu eingseschätzt. Laut dem Naturgefahrenbulletin des Bundes ist bei der Aare und der Reuss vor allem auf dem Gebiet des Kantons Aargau die Hochwassergefahr bereits jetzt erheblich (Stufe 3 von 5, siehe Bildstrecke).
Am meisten Niederschlag bekommen laut Roger Perret von Meteonews die Voralpen ab, vom Berner Oberland bis zum Bodensee. «In diesen Gebieten erwarten wir so viel Regen wie sonst in einem ganzen Monat.» Perret rechnet mit zwei grossen Regenschüben: Der erste fällt in der Nacht auf morgen Samstag, der zweite in der Nacht auf Sonntag. Schon beim ersten Schub könnten die Wasserpegel in vielen Flüssen und Seen «an die Grenzen kommen», so Perret – «beim zweiten Schub könnte es an gewissen Orten schwierig werden». Kommt zum Regen noch viel Schmelzwasser dazu, «könnten Bäche und sogar kleinere Flüsse hochgehen».
Beaver-Schläuche in Aarau und Brugg
Der Kanton Aargau hat auf die Hochwassergefahr reagiert. Ein Teil des Kantonalen Führungsstabs (KFS) ist aufgeboten worden. Für gefährdete Gebiete in Aarau und Brugg wurden Schutzmassnahmen wie mobile Hochwassersperren aufgebaut. Als vorsorgliche Schutzmassnahme wurden am Freitagnachmittag im Schachen in Brugg beim Zeughausareal sogenannte «Beaver«-Schläuche ausgelegt, wie der KFS mitteilte. Es handelt sich um künstliche Dämme, die aufgepumpt und mit Wasser gefüllt werden können, um die Wassermassen aufzuhalten.
Unter Beobachtung steht auch das Aare-Kraftwerk Rüchlig in Aarau, das derzeit für 130 Millionen Franken erneuert wird. Beim Kraftwerk liegen «Beaver»-Schläuche bereit. Beim Hochwasser im August 2007 waren die Zurlindeninsel beim Kraftwerk und die Anlage Rüchlig stark beschädigt worden.
Ostschweiz: «Wir sind in Alarmbereitschaft»
Auch in der Ostschweiz bereitet man sich auf ein ungemütliches Wochenende vor. «Wir sind in Alarmbereitschaft», sagt Markus Jud, Leiter der St. Galler Linthverwaltung. Er ist für den Hochwasserschutz entlang der Linth zwischen Glarus und Zürichsee zuständig. Man rechne anhand der aktuell prognostizierten Regenmengen zwar nicht damit, dass es zu massiven Hochwassern komme, «doch die Prognosen können sich schnell ändern». Die Einsatzkräfte halten sich darum in Bereitschaft, damit sie schnell intervenieren können, wenn die Wasserpegel gefährlich ansteigen – beispielsweise, indem sie Schwemmholz entfernen. Am genauesten beobachtet man laut Jud den Escherkanal zwischen Näfels und Weesen.
Auch entlang des Rheins sind aller Augen auf die Wasserpegel gerichtet. 1000 bis 1500 Kubikmeter Wasser pro Sekunde soll der Fluss morgen laut Prognosen transportieren – normalerweise seien es um diese Jahreszeit etwa 300, sagt Daniel Dietsche, Rheinbauleiter und Leiter der Abteilung Gewässer im Kanton St. Gallen. «Solche Regenmengen verzeichnen wir etwa alle drei bis fünf Jahre.» Besonders genau beobachtet man laut Dietsche die Binnenkanäle im Werdenberg und im Rheintal. Zuspitzen könnte sich die Lage auch an der Mündung vom Rhein in den Bodensee, «denn dort sind die Abflusskapazitäten am geringsten».
Vierwaldstättersee: «Pegel tief halten»
Die Unwetterwarnung von Meteonews gilt auch für die Region Vierwaldstättersee. Dort wurden laut Albin Schmidhauser, Leiter der Luzerner Abteilung Naturgefahren, bereits erste Massnahmen getroffen: «Das Stirn- und das Längswehr der Reusswehranlage in Luzern werden heute komplett geöffnet.» Der Wasserstand ist zwar laut Schmidhauser bis jetzt noch nicht kritisch. Doch weil für morgen und übermorgen so starke Niederschläge prognostiziert seien – 80 bis 110 Liter pro Quadratmeter –, habe man diese Massnahme vorweggenommen: «Der Seepegel soll möglichst lange niedrig gehalten werden.» Probleme könnte es laut Schmidhauser dann geben, wenn die starken Niederschläge von Schmelzwasser überlagert werden und über mehrere Tage hinweg anhalten, «dann könnte das Wasser rund um den Vierwaldstättersee – zum Beispiel bei der Kleinen Emme – gefährlich ansteigen».
Und wie sieht es in Domat/Ems aus, wo man sich seit Wochen vor einer Schlammlawine fürchtet? «Wir überwachen die Lage sowieso bereits 24 Stunden am Tag», sagt die Gemeindepräsidentin Beatrice Baselgia. Seit im Val-Parghera-Tobel oberhalb des Dorfes Mitte April hunderttausend Kubikmeter Gestein, Holz und Geröllmassen ins Rutschen kamen, steht das Gebiet unter ständiger Beobachtung. Weil man befürchtete, dass sich eine Schlammlawine ins Tal ergiessen könnte, rückte damals die Katastrophenhilfe der Armee aus. Ein Schutzwall wurde aufgeschüttet, die Geröll- und Wassermassen werden seither kontrolliert abgeleitet. Im Moment ist die Lage laut Baselgia unter Kontrolle, «doch wie sich die grossen Regenmengen auf das lose Material auswirken werden, das wissen wir nicht».
Erdrutsche schon vor dem grossen Regen
Aufgrund der grossen Regenmengen der letzten Wochen kam es in mehreren Regionen der Schweiz schon vor dem Wochenende zu Erdrutschen. Auch dort könnte die Lage prekär werden.
So zum Beispiel oberhalb von Lauerz im Kanton Schwyz, wo Mitte April ein Hang ins Rutschen geraten ist. Die Lage scheint jetzt unter Kontrolle. Der Hang bewege sich weiterhin gleichmässig einen Zentimeter pro Tag, für Leib und Leben bestehe keine Gefahr, teilen die Schwyzer Behörden mit. In Anbetracht der Wetteraussichten will man jedoch vorbeugen: Zwei im Rutschgebiet stehende Starkstrommasten werden abgebaut. Vorderhand ausser Betrieb genommen hat die Wasserversorgung der Gemeinde Meggen eine Verbindungsleitung zwischen Quelle und Reservoir. Eine zweite, den Hang querende Leitung musste repariert werden, bleibt aber in Betrieb. Ebenfalls provisorisch instand gebracht werden musste die Langerlistrasse. Das Gebiet wird konstant überwacht.
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