Klimabewusstsein beim AutokaufBund soll mit Doris Leuthard und Roger Federer für E-Autos werben
Die E-Auto-Kampagne des Bundes ist weitgehend wirkungslos. Nun macht ein Professor der Uni St. Gallen Reformvorschläge. Die Kritiker lassen sich indes nicht besänftigen.

Überrascht? Andreas Herrmann schüttelt den Kopf. «Immer wieder scheitern Innovationen», sagt der Professor für Betriebswirtschaftslehre an der Universität St. Gallen. Aber nicht weil sie technisch mangelhaft seien. Vielmehr würden die Unternehmen die «psychischen Kosten» der Kunden ignorieren.
Exakt dieses Problem liegt nach Herrmanns Analyse bei der Aktion «CO2tieferlegen» des Bundes vor, über welche diese Zeitung berichtet hat – mit dem Unterschied, dass der Unternehmer in diesem Fall der Bund ist. Mit einer eigenen Website, Broschüren, Medienpartnerschaften und Roadshows versucht das Bundesamt für Energie (BFE) seit 2015, Autokäufer für klimaschonendere Fahrzeuge zu gewinnen – weitgehend erfolglos, wie ein Prüfbericht aufzeigt.
Kampagnen sind nebst Massnahmen wie etwa Kaufprämien oder speziellen Parkplätzen ein weiteres Element, die E-Mobilität zu fördern. Die Krux laut Herrmann: Wer eine Innovation vermarktet, kommuniziert ihre Vorteile, zum Beispiel also, dass ein Elektroauto CO2-frei fährt. Der Kunde dagegen sieht zunächst vor allem – mögliche – Probleme: Ist die Reichweite genügend gross? Das Netz an Ladesäulen genügend dicht? Der Preis zum konventionellen Fahrzeug höher? Im Gegenzug überbewertet er die Vorzüge seines herkömmlichen Wagens.
Kampagne der falsche Ansatz
Dabei winken ihm handfeste persönliche Vorteile. So etwa liegen die Unterhalts- und Energiekosten bei E-Autos heute schon unter den Kosten von Verbrennern. Diese Vorteile, so Herrmann, seien beim E-Auto jedoch überschaubar. Vielmehr lägen sie auf einer gesellschaftlichen Ebene, etwa in Form von besserer Luft. Das mache es dem Kunden nochmals schwerer, sich für diese Innovation zu entscheiden. «Eine flächendeckende Kampagne für E-Autos bringt deshalb nicht viel», resümiert Herrmann, der zu Themen wie Verhaltensökonomie und Markenmanagement forscht und publiziert. Der Bund soll deshalb seine Kampagne auf drei Gruppen ausrichten:
- Junge Menschen: Mit Benzin- oder Dieselautos haben sie kaum Erfahrung, sind also in ihrem Verhaltensmuster noch nicht festgefahren.
- Umweltschützer: Der Bund soll seine Kommunikation verstärkt auf diese Gruppe fokussieren. Diese würden dadurch Rückenwind erhalten und die Argumente weitergeben, so Herrmann. «Man muss Missionare entwickeln, die für die Sache der E-Fahrzeuge kämpfen.»
- Prominente: Der Bund soll möglichst prominente Vorbilder aufbauen, die E-Autos nutzen, weil sie der Gesellschaft etwas Gutes tun wollen. Als gelungenes Beispiel sieht Herrmann die ehemalige Umweltministerin Doris Leuthard, deren Dienstwagen ein Tesla war. «Auch ein Sportler wie Roger Federer wäre ein idealer Botschafter für E-Autos», findet Herrmann. Bis jetzt jedoch wirbt Federer für eine deutsche Automarke, deren Sortiment zum Grossteil aus herkömmlichen Fahrzeugen besteht.
Der Bund widerspricht
Herrmanns Vorschläge sind politisch insofern bedeutsam, als im Parlament der Ruf laut geworden ist, die Aktion, die bislang 6 Millionen Franken gekostet hat, ganz zu stoppen. Wie stark sich mit seinen Vorschlägen das Kaufverhalten beeinflussen liesse, dazu wagt Herrmann keine Prognose. Er hält ihre Umsetzung aber für kostengünstiger als die aktuelle Variante.
Das BFE beurteilt die Vorschläge unterschiedlich. Sich auf die Jungen zu konzentrieren, hält es für falsch. Der durchschnittliche Neuwagenkäufer sei circa 50 Jahre alt. Junge Menschen dagegen würden sich primär Gebrauchtwagen kaufen, so Thomas Weiss, Experte für Mobilität beim BFE. «Insofern erscheint uns ein Fokus auf junge Menschen kurz- bis mittelfristig nicht zielführend.» Die Zielgruppe müsse weiter gefasst werden.
«Der Bund kann die Werbung ruhig der Autobranche überlassen.»
Einig geht das BFE mit Herrmann, dass Prominente Botschaften gut überbringen und Zielgruppen erreichen können, die sonst nur schwer zu gewinnen sind. Der Schweizer Snowboard-Olympiasieger Iouri Podladtchikov war Teil der Kampagne «CO2tieferlegen». Ob das BFE weitere Prominente gewinnen will, lässt es offen. Sicher ist dagegen: Das BFE will die Aktion weiterführen, wenn auch in modifizierter Form.
Die Kritiker lassen sich davon nicht besänftigen. Der Bund habe die Aufgabe, den privaten Firmen die richtigen Rahmenbedingungen für neue Technologien zu bieten, also etwa den Aufbau des Ladenetzwerkes, sagt FDP-Nationalrat Christian Wasserfallen. «Werbung kann er ruhig der Autobranche und anderen Firmen überlassen.»
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