Millionen für Baselbieter RettungsdienstBürgerliche Partner treiben SVP zur Weissglut
Vor allem im Oberbaselbiet treffen Ärzte oft verspätet ein. Ein millionenschwere Massnahmenpaket soll nun Abhilfe leisten. SVP und Grüne sind dennoch frustriert.

Scharmützel unter den Bürgerlichen. Zwist bei den Linken und ein Regierungsrat im Zwiespalt.
Im Baselbieter Parlament ging am Donnerstagmorgen so richtig die Post ab. Die Oberbaselbieter Landräte gerieten heftig aneinander. Verantwortlich dafür war allen voran die Frage, ob ein zusätzlicher Krankenwagen in ihrem, also im oberen, Teil des Kantons stationiert werden müsse, und ob dies etwas bringt – oder eben nicht.
Ausschlaggebend war das im März vorgelegte Massnahmenpaket der Regierung, mit dem der Krise beim Rettungsdienst begegnet werden soll. Der Kanton möchte in den kommenden Jahren einen stärkeren Fokus auf akute Notfälle und zusätzliche Rettungswagen legen – in diesen Bereichen gibt es in Baselland Nachholbedarf.
Für die Umsetzung der Vorschläge beantragt der Regierungsrat, zusätzliche Mittel in der Höhe von rund 5,6 Millionen Franken für den Zeitraum 2022 bis 2025 zu sprechen. So viel vorweg: Diesem Anliegen kam das Parlament nach einer flammenden, rund eineinhalbstündigen Debatte nach.
Mittelfristige Vorschläge umstritten
Zur Erklärung: Wer den Rettungsdienst ruft, darf erwarten, dass die Einsatzkräfte innerhalb von 15 Minuten eintreffen, wie der Interverband für Rettungswesen vorschreibt. Die Frist sollte in mindestens 90 Prozent aller Notfälle eingehalten werden, was im Landkanton derzeit nicht überall der Fall ist. Im Oberbaselbiet hat sich die Lage sogar verschlechtert – so wurde die Frist im Bezirk Waldenburg zuletzt nur in 61 Prozent der Fälle eingehalten.
Dass speziell in diesen Kantonsgebieten Handlungsbedarf besteht, darüber herrschte im Landrat Konsens. Doch das Millionenpaket der Regierung gliedert sich zum einen in Sofortmassnahmen wie einer Informationskampagne und zum anderen in mittelfristige Massnahmen, zu denen etwa die Beschaffung eines zusätzlichen Rettungsteams in Liestal sowie eines neuen Krankenwagens gehört.
Und genau diese mittelfristigen Vorschläge waren umstritten. SVP und Grüne monierten sinngemäss, der Kanton solle zuerst abwarten, die rasch umsetzbaren Massnahmen wirken lassen, bevor weitere Millionen gesprochen würden, deren Sinn und Zweck nicht über jeden Zweifel erhaben seien. Tatsächlich hält der Regierungsrat um Gesundheitsdirektor Thomas Weber (SVP) in seinem Bericht fest, dass heute noch nicht klar sei, was die Vorschläge in Zukunft brächten.
Ausserdem kritisierten die beiden Fraktionen, die Sanität würde Jahr für Jahr häufiger gerufen, zum Teil auch in Bagatellfällen. Deshalb forderte die SVP, 1,7 Millionen Franken aus dem Budget zu streichen. Rahel Bänziger (Grüne) bekräftigte: «Die Vorlage ist eine Blackbox der Wirkung, was uns berechtigt, einzelne Massnahmen herauszufiltern und zu priorisieren. Wir schauen darauf, wo und wie unsere Gelder eingesetzt werden.»
«Was ihr da macht, ist Sozialismus.»
Anders sah das Urs Roth (SP). «Wir können nicht zuwarten, die Lage ist ernst. Wir müssen jetzt Ressourcen sprechen.» Und Parteikollegin Pascale Meschberger, Fachärztin beim Kantonsspital Baselland (KSBL), sagte: «Wir müssen Arbeitsbedingungen schaffen, dass die Leute im Beruf bleiben. Wenn wir hier um Zahlen streiten, laufen uns die Menschen endgültig davon.»
Gleicher Meinung ist Marc Scherrer (Mitte). Zum SVP-Begehren meinte er: «Der Streichungsantrag macht keinen Sinn. Das Paket ist kein Strauss, aus dem wir wählen können, sondern ein Bündel von Massnahmen, das in sich konsistent ist.» Die Massnahme, welche die Volkspartei und die Grünen kippen wollten, war die besagte Beschaffung eines zusätzlichen Rettungsteams in Liestal, also für das Oberbaselbiet.
Markus Graf (SVP), heimisch in Maisprach, betonte: «Wir fühlen uns nicht abgehängt, wir sind gut versorgt.» Mit den anderen Massnahmen werde der Problematik Rechnung getragen, genügend Abhilfe geleistet. «Nachbessern können wir immer. Aber wir müssen sorgsam mit Steuergeldern umgehen.»
Zudem habe der obere Kantonsteil mit dem Millionenpaket bereits Massnahmen ergriffen. Denn der Rettungsdienst des Kantonsspitals Baselland (KSBL), der jährlich 1500 Einsätze durchführt, würde im Laufental durch eine andere Notfallorganisation, nämlich den Rettungsdienst Nordwestschweiz, entlastet. «Durch die Aufstockung um ein Rettungsteam haben die Ambulanzen des KSBL mehr Zeit fürs Oberbaselbiet.»
Insbesondere kritisierte Graf die bürgerlichen Parteien, FDP und Mitte, die sich hinter das Paket der Regierung stellten. «Lest einmal euer Parteiprogramm», sagte er. «Die Dämpfung der Kosten im Gesundheitswesen war euch doch immer ein Anliegen. Aber das, was ihr da macht, ist Sozialismus.»

Scherrer widersprach vehement: «Die SVP torpediert ihre eigene Vorlage.» Der Mitte-Mann argumentierte, dass Regierungsrat Weber, ebenfalls Oberbaselbieter (wohnhaft in Buus), die Vorlage selbst ausgearbeitet – und die Massnahmen vorgeschlagen habe. «Am Schluss geht es um Leben und Tod, dafür setzen wir uns ein.»
Peter Riebli (SVP, Buckten) hielt dagegen: «Thomas Weber vertritt den Regierungsrat. Ob das seine persönliche Meinung als Oberbaselbieter ist, sei mal dahingestellt.»
Nach einer langen Diskussion wurde der SVP-Antrag mit 44 zu 30 Stimmen bei 3 Enthaltungen abgelehnt. Klar angenommen wurde hingegen ein Antrag der FDP-Fraktion, der verlangt, die Wirksamkeit der Massnahmen mit einem Monitoring zu begleiten.
Schliesslich stimmte der Landrat mit 70 zu 3 Stimmen bei 4 Enthaltungen dem millionenschweren Paket zu. Es untersteht dem fakultativen Referendum.
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