Ticker zur Corona-Lage in der SchweizImpfschutz gilt neu 12 Monate – BAG verlängert auch Gültigkeit des Covid-Zertifikats
Die epidemiologische Lage ist so gut wie lange nicht mehr, berichteten die Expertinnen und Experten des Bundes. Auch die Delta-Variante beunruhigt sie nicht. Der Ticker zum Nachlesen.
Das Wichtigste in Kürze:
Der Bund erhöht die Schutzfrist der Impfung: «Die Impfung schützt wahrscheinlich zwölf Monate vor einer Ansteckung und wahrscheinlich noch länger vor schweren Verläufen», erklärte Virginie Masserey.
Die neue Wirksamkeitseinschätzung wird auch beim Covid-Zertifikat berücksichtigt.
Die epidemiologische Lage ist so gut, wie schon lange nicht mehr, erklärte Virginie Masserey: «Wir waren schon lange nicht mehr auf so niedrigem Niveau.»
Die Zeichen für einen schönen Sommer stehen gut, sagte Rudolf Hauri: «Bei der aktuellen Lage rechtfertigen sich die Lockerungen bei den Masken.»
Die Experten schätzen die Gefahr der Delta-Variante des Coronavirus als «noch klein» ein, sagte Jan-Egbert Sturm, Vizepräsident, National COVID-19 Science Task Force.
Virginie Masserey ergänzte zum Thema: «Die Impfkampagne steht im Zentrum, um möglichst viele Ansteckungen mit der Delta-Variante, bei denen es zu schweren Verläufen kommt, zu verhindern. Wir versuchen diesen Moment hinauszuzögern.»
Guten Nachrichten gibt es aus wirtschaftlicher Sicht: Die Schweiz sei besser als erwartet durch die zweite Pandemiewelle gekommen, sagte Jan-Egbert Sturm, Direktor der Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich.
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Die Medienkonferenz in Bern ist nach einer Dreiviertelstunde zu Ende. Wir danken Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Anzufügen ist noch, dass der Pointe de Presse der Fachleute in den Sommermonaten nur noch zweimal pro Woche durchgeführt wird. Der Termin am 29. Juni fällt aus. Am 6. und 20. Juli sowie am 3. August findet die Medienkonferenz jeweils um 14 Uhr statt.
Masserey wird nicht konkret, aber sie mutmasst, dass bei der stärkeren Verbreitung der Delta-Variante auch der grosse Austausch zwischen Indien und Grossbritannien eine Rolle spiele, und nicht nur die, von derjenigen der Schweiz abweichende, Impfstrategie oder die eingesetzten Impfstoffe.
Sorglosigkeit sei nie ein guter Ratgeber, sagt Hauri. Der Zuger meint, dass die epidemiologische Lage mit den heisseren Temperaturen im Moment sehr günstig sei. Darum befürworte er auch eine wegfallende Maskenpflicht draussen. Das sei verantwortbar.
Masserey sagt: «Wir erwarteten solche Nebenwirkungen aufgrund der klinischen Studie. Die Häufigkeit der Nebenwirkungen ist normal hoch.» Die Nebenwirkungen seien auch ein gutes Zeichen. «Das heisst, dass das Immunsystem aktiviert wird. Das ist eine normale Reaktion.» Das hinterlasse aber keine weiteren Schäden, da müsse man sich keine Sorgen machen, es sei aber natürlich unangenehm, doch nach wenigen Tagen seien diese normalerweise vorbei.
Masserey antwortet, dass man dies auch von anderen Ländern erwarte. «Gewisse Nationen haben dies bereits angepasst. Zumindest ist die Tendenz dazu da.»
Virginie Masserey sagt: «Ich weiss eigentlich nicht viel, eigentlich nichts davon. Vielleicht können meine Kollegen helfen.» Aber weder Hauri noch Sturm sagen etwas dazu.
Masserey: «Wir vergleichen die aktuelle Situation mit der Verbreitung der Alpha (ehemals britische) Variante vor einigen Monaten. Die Impfkampagne stehe im Zentrum, um möglichst viele Ansteckungen mit der Delta-Variante, bei denen es zu schweren Verläufen kommt, zu verhindern. Wir versuchen diesen Moment hinauszuzögern.»
Masserey: Momentan gebe es noch Wellenbewegungen bei den Ansteckungszahlen mit der Delta-Variante. Allerdings müssen der Bund und die Kantone die Entwicklung nach wie vor eng begleiten, unter anderem durch zahlreiches Sequenzieren. Ausserdem ruft die BAG-Leiterin erneut zum Impfen auf.
Virginie Masserey antwortet: Man erwarte aufgrund der neuen Bestimmungen, wonach die Impfungen bis zu zwölf Monate wirken sollen, nicht, dass Auffrischimpfungen vor 2022 nötig sein werden.
Bezüglich der Grippeimpfung analysiere man zurzeit die Entwicklungen auf der Südhalbkugel, wo nun der Winter anfange.
Die Fragerunde beginnt. Sturm erklärt, dass die Schweiz – wie ganz Kontinentaleuropa – derzeit noch weniger stark von der Delta-Variante betroffen sind als Grossbritannien. Die Gefahr sei hierzulande noch klein. Dass Grossbritannien viele Zweitimpfungen aufgeschoben habe, könnte ein Grund dafür sein, gibt Sturm an.
Auf die Bemerkung des Journalisten, dass die Quote für Erstimpfungen für Grossbritannien zurzeit ebenfalls noch höher ist als in der Schweiz, sagt Sturm, dass man die Entwicklungen weiterhin eng begleiten werde.
Task-Force-Ökonom Jan-Egbert Sturm zeichnet ebenfalls ein positives Bild des aktuellen Standes. Die Schweiz habe auch dank den verschiedenen getroffenen Massnahmen das Schlimmste abwenden können. «Die Schweiz ist gut durch die zweite Welle gekommen».
Die Unternehmen seien heute wieder bereit zu investieren. Auch der Privatkonsum zieht laut Sturm wieder an, da die Menschen das gesparte Geld nun auszugeben beginnen. Ein besonderes Augenmerk müsse man weiterhin auf die besonders betroffenen Branchen, wie Verkehr oder Gastronomie werfen.
Negativ sieht Sturm, dass in den vergangenen anderthalb Jahren besonders diejenigen Bevölkerungsschichten von der Pandemie getroffen wurden, die ohnehin schon weniger Mittel zur Verfügung hatten. Es gelte, neue Corona-Wellen zu verhindern.
Sturm erklärt, dass die zweite Impfung gut gegen die neue Delta-Variante, die derzeit etwa in Grossbritannien vermehrt festgestellt wird, wirke. Nach einer ersten Impfung sei der Schutz aber noch ungenügend. Deshalb sei es wichtig, dass die Schweiz mit Vorsicht öffnet und sicherstellt, dass so viele Menschen wie möglich doppelt geimpft werden.
Die Virusaktivität sei nun auf tiefem Niveau, sagt der Zuger. Die Lockerungen von Ende Mai hätten also keine schlimmen Auswirkungen gehabt.
Mit lokalen Ausbrüchen bei Nichtgeimpften müsse man weiterhin rechnen. «Die breite Bevölkerung kann sich impfen lassen, die Termine können schnell vergeben werden.» Die Wartelisten verkürzen sich, es gebe sie aber noch. Schranken wegen knappem Impfstoff können aufgehoben werden. Spontanes Impfen und mobile Impfmöglichkeiten können stattfinden.
«Bei der aktuellen Lage rechtfertigen sich die Lockerungen bei den Masken», erklärt Kantonsarzt Rudolf Hauri. Sinnvoll seien Masken aber nach wie vor in engen Räumen, da man auch den Impfstatus der anderen nicht kenne.
Hauri gibt einen Ausblick: «Wir alle wünschen uns einen schönen Sommer und einen angenehmen Herbst. Die Zeichen dafür stehen gut.»
«Die Impfung schützt wahrscheinlich zwölf Monate vor einer Ansteckung und wahrscheinlich noch länger vor schweren Verläufen», erklärt Masserey. Die entsprechenden Verordnungen würden in den nächsten Wochen angepasst sowie die Dauer des Impfzertifikats.
Bei den Impfstoffen sei es das nach wie vor das Ziel, dass alle Eventualitäten abgedeckt werden können. Lagern werde man aber keine Impfstoffe, die nicht zugelassen seien. Man wolle aber auch schauen, dass man einige alternative Impfstoffe an Lager habe, beispielsweise für Personen, die allergisch wären. «Wir schauen uns auch an, ob es eine Möglichkeit gibt, die Impfstoffe anderen Ländern zur Verfügung zu stellen. Wir überlegen, ob wir drei Millionen von Astra-Zeneca über Covac weitergeben.».
Die Leiterin vom BAG sagt noch, dass 655'000 Impf-Zertifikate schon ausgestellt worden seien. Man sei zuversichtlich, dass bis Ende Monate alle ein Zertifikat erhalten werden, die dies auch wünschen.
Es gebe nur 80 Personen auf den Intensivstationen. «Wir waren schon lange nicht mehr auf so niedrigem Niveau», sagt Masserey. 6 Millionen Dosen Impfstoffe seien ausgeliefert worden, die meisten seien verimpft worden. 3,7 Millionen Menschen hätten eine Erstimpfung gehabt.
2,3 Millionen Menschen seien vollständig geimpft, das entspriche einem Drittel der Bevölkerung. Und: Neue Lieferungen würden eintreffen. 100'000 Impfdosen von Pfizer/Biontech werden noch erwartet.
«Wir wissen aber, dass der Impfwille sich noch verändern kann.» Menschen brauchen Zeit, sich zu entscheiden. Dafür habe man Verständnis.
Mme Masserey beginnt die Konferenz. «Die epidemiologische Lage entwickelt sich nach wie vor positiv. Die Fallzahlen sinken.» Der Inzidenzwert sei auf 60 gesunken, sagt die Romande. «Das ist eine gute Nachricht.» Auch die Zahl der belegten Betten auf den Intensivstationen in den Spitälern sei gesunken.
Die neuen Varianten seien relativ gering in der Verbreitung, weniger als 2,5 Prozent. «Wir bewegen uns in die richtige Richtung. Nach wie vor müssen wir aber vorsichtig sein, zumal noch viele in diesem Land die zweite Impfung noch nicht hatten.»
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der heutigen Medienkonferenz des BAG in Bern:
Virginie Masserey, Leiterin Sektion Infektionskontrolle, Bundesamt für Gesundheit BAG
Rudolf Hauri, Kantonsarzt Zug, Präsident der Vereinigung der Kantonsärztinnen und Kantonsärzte
Jan-Egbert Sturm, Vizepräsident, National COVID-19 Science Task Force
Gewiss werden neben der Beleuchtung der epidemiologischen Lage heute weitere Informationen (oder zumindest Fragen) zum neuen Impfzertifikat erwartet. (Vgl.: So sieht das neue Covid-Zertifikat aus). Etwa: Wie viele Zertifikate sind schon runtergeladen worden?
Eine Erkenntnis aus Impfungen haben britische Wissenschaftler herausgefunden: Eine Spritze reicht nicht, um sich ausreichend gegen das Coronavirus zu schützen, es braucht eine zweite. (Lesen Sie dazu: Eine Spritze nützt nur wenig).
Die Anzahl Fälle sinken im Land, die Covid-Pandemie neigt sich dem Ende entgegen. Der Bundesrat lässt fast alle wichtigen Corona-Massnahmen auslaufen. (Lesen Sie zu diesem Thema: Weniger Masken, mehr Reisefreiheit und Zutritt mit Covid-Zertifikat). Dennoch ist ein Rest Vorsicht weiterhin angebracht, wie wir jüngst in einem Kommentar beschrieben haben.
Nationalen und internationalen Experten bereitet die Virus-Variante aus Indien Sorgen, trotz Impfungen. «Die indische Variante könnte uns auf dem linken Fuss erwischen», erklärte der Tessiner Infektiologe Andreas Cerny dieser Zeitung im Interview. Und obwohl es mit dem Impfen in der Schweiz vorwärts geht, sagt der Experte punkto dieser Variante: «Die Ansteckungszahlen sinken zwar, bewegen sich aber immer noch auf relativ hohem Niveau. Die indische Variante Delta wird ziemlich sicher auch zu uns kommen. Einreisebeschränkungen werden die Verbreitung bei uns bestenfalls verzögern, aber nicht verhindern. Das heisst, wir haben einen ungemütlichen Gast vor der Tür.»
Die Anwesenheit von Jan-Egbert Sturm an der Medienkonferenz ist wohl ein Hinweis darauf, dass auch die Wirtschaftslage des Landes betrachtet wird. Das Jahr 2021 werde das Jahr der wirtschaftlichen Erholung nach dem Einbruch in der Coronakrise sein. Darin seien sich die Schweizer Ökonomen einig. Ob es kommendes Jahr im gleichen Tempo weitergehe, sei hingegen nicht so eindeutig, schreibt die nationale Agentur Keystone-SDA.
Die Schweizer Wirtschaft sei 2020 wegen Corona so stark eingebrochen wie nie mehr seit Mitte der 70er Jahre im Zuge der damaligen Ölkrise. Die hiesige Wirtschaft sei im «Corona-Jahr» um 2,6 Prozent geschrumpft, heiss es weiter.
«Mit den Lockerungen der Corona-Massnahmen zeichnet nun sich eine schwungvolle Erholung der Schweizer Wirtschaft ab. Am Dienstag veranschlagten die Experten der Credit Suisse das Wachstum des realen Bruttoinlandproduktes (BIP) für 2021 auf 3,5 Prozent, jene des Bundes gar auf 3,8 Prozent.»
Der Hund liege nicht zuletzt beim privaten Konsum begraben, weil viele Konsumenten und Konsumentinnen während den beiden Lockdowns etwas zur Seite gelegt hätten. In den letzten 15 Monaten sei doch die eine oder andere geplante Fernreise weggefallen, Restaurantbesuche seien während Monaten nicht möglich gewesen. Und einige hätten grössere Anschaffungen wegen der unsicheren Job-Situation zurück gestellt.
«Mit der Wiedereröffnung grosser Teile der Wirtschaft kommt es nun zu Nachholkäufen, die als Beschleuniger des Wirtschaftswachstums wirken. Zur Erinnerung: Während des «harten» Lockdown im Frühjahr 2020 stand rund ein Drittel aller konsumierbaren Güter und Dienstleistungen gar nicht zur Verfügung», schreibt Keystone-SDA weiter. (Lesen Sie dazu auch: Die Schweiz im internationalen Vergleich).
SDA/fal
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