Breitensport gewinnt, Kunstrasenfeld wächst
Luxusvariante statt Minimalsanierung: Sissach beschliesst, sein Kunstrasenfeld nicht nur zu sanieren, sondern auch zu erweitern. Dies geht nicht ohne Emotionen über die Bühne.

Wahrscheinlich waren die Meinungen gemacht, lange bevor sich das Sissacher Volk am Dienstagabend zur Gemeindeversammlung traf. Und wahrscheinlich stand das Resultat in seiner ganzen Deutlichkeit bereits fest, bevor die Emotionen hochkochten. Vielleicht war es aber auch das Votum eines Mannes, das den Ausschlag gab: Rudolf Schaffner.
Der einstige Gemeindepräsident, der seine selbst auferlegte Politikabstinenz nach 16 Jahren brach, um sich für Jugend, Sport und die Vergrösserung eines Fussballfeldes einzusetzen, fand derart klare Worte, dass seine Stimme bebte und ihm die Versammlung Applaus zollte. Doch dazu später.
Sportverrückte Gemeinde
Sissach ist eine sportverrückte Gemeinde, um die 1000 Sportlerinnen und Sportler nutzen das Sportgelände Tannenbrunn regelmässig. Auf diesem befindet sich ein Kunstrasenfeld, 92 mal 56 Meter gross, allwettertauglich, beliebt – und alt. Es ist abgenutzt, seine Kunststoffhalme abgerieben und das Kunststoffgranulat ökologisch nicht mehr vertretbar. Darüber ist man sich in Sissach einig. Also beantragte der Gemeinderat einen Kredit über 640000 Franken. Der beinhaltet Rückbau und Entsorgung des abgewetzten Kunststoffs, dessen granulatfreien Ersatz, eine Beregnungsanlage sowie eine Erneuerung der Beleuchtungsanlage.
Damit begnügt sich die Sportlergilde allerdings nicht. Es bildete sich das Komitee Pro Breitensport, das das Vorhaben des Gemeinderats als Minimalvariante kritisierte und der Gemeindeversammlung einen Änderungsantrag vorlegte. Der sieht eine Erweiterung des Spielfelds vor.
Eigennützige Mobilisierung?
Nicht nur das: Das Komitee mobilisierte dermassen viele junge, kräftige Männer, dass Gemeindepräsident Peter Buser eingangs die Reihen abschritt, um die vielen neuen Gesichter aus der Nähe zu betrachten. Diese Mobilisierung ist eine zweischneidige Klinge: Einerseits attestiert man den «Jungen» kollektives und ebenso lobenswertes Engagement, andererseits wirft man ihnen vor, ihre Anliegen aus Eigennutz und gegen alle Widerstände durchzuboxen, sich sonst aber keinen Deut um die Belange der Gemeinde zu scheren.
Vom «Selbstbedienungsladen Sissach» war in der Folge die Rede, von Zwängerei und einer Luxusvariante, der Verschleuderung von Geld und drohender Verschuldung. Und spätestens an diesem Dienstag hat es Greta Thunberg auch nach Sissach geschafft. Sonst wäre der Abrieb des Kunstrasenfeldes, Kunststoffgranulat in der Umwelt und Mikroplastik im Abwasser kaum derart breit diskutiert worden.
Viel Geld?
Die Erweiterung des Spielfeldes zieht übrigens ausgedehnte Bauarbeiten nach sich, etwa die Abtragung eines Hangs über eine Länge von 100 Metern und die Errichtung einer meterhohen Stützmauer. Das verursacht zusätzliche Kosten von 450000 Franken – allerdings ohne die Gefahr böser Überraschungen, wie die Initianten Jürg Chrétien und Daniel Schaub versprachen. Was einem Ritt auf der Rasierklinge gleichkommt in einer Gemeinde, die noch an der Sanierung der Kunsteisbahn zu kauen hat. Diese verteuert sich mutmasslich um 1,3 Millionen Franken gegenüber dem Voranschlag.
Dennoch hiess die Versammlung den Änderungsantrag des Komitees und die damit einhergehende Verdoppelung des Kredits mit 113 zu 34 Stimmen gut. Anstatt der 640'000 werden nun 1,27 Millionen Franken investiert. Viel Geld? Der angekündigte Rudolf Schaffner sieht das so: «Unser Land investiert Hunderte Millionen von Franken in Integrationsmassnahmen. Ein einziger Jugendlicher, der durch die Maschen fällt, kostet die Gesellschaft Millionen. Wenn der neue Platz es schafft, nur einen halben Jugendlichen davor zu bewahren, zahlt sich die Investition bereits aus.»
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