Wochenduell: Skifans ohne MaskeBraucht es für Wengen zusätzliche Sicherheitsmassnahmen?
In Adelboden feierten auf den Tribünen Tausende Fans Marco Odermatt und Co. – viele ohne Maske. Was heisst das für die Lauberhornrennen in den kommenden Tagen?

Ja: Für die Schweiz stellt sich die Frage, ob sie als Land wahrgenommen werden möchte, das auf Durchseuchung setzt.
Ein kurzer Satz von Manuel Feller vergangene Woche in Adelboden liess aufhorchen. Mit einem ungläubigen Lachen sagte der österreichische Skifahrer in die Kamera des ORF: «Die Schweizer gehen einen etwas andern Weg, sie versuchen, an einem Wochenende alles zu durchseuchen.» 12'000 eng zusammenstehende Skifans feierten auf der Tribüne den Chuenisbärgli-Triumph von Marco Odermatt. Abstand: nicht möglich. Masken: freiwillig. Impfung: keine Voraussetzung. Stattdessen 3-G und Partystimmung.
Ob es tatsächlich sinnvoll ist, dass sich mit einem Schnelltest getestete Ungeimpfte und überhaupt nicht getestete Geimpfte jubelnd in den Armen liegen, sollen Virologen beurteilen. Was jedoch feststeht: Die Bilder der Adelboden-Tribüne gingen um die Welt und sorgten für Unverständnis. Zumal die zeitgleich ausgetragenen Frauen-Skirennen in Slowenien ohne Zuschauer stattfanden.
Für die Schweiz also stellt sich die Frage, ob sie tatsächlich als Land wahrgenommen werden möchte, das lasch mit Corona umgeht und auf Durchseuchung setzt. Das mag unfair klingen gegenüber den Veranstaltern, die sich natürlich an alle geltenden Gesetze gehalten und ein aufwendiges Schutzkonzept erstellt haben. Was TV-Stationen aber in die Welt senden, sind nun mal nicht die Bilder freiwilliger Helfer, die sich mit grossem Einsatz für einen sicheren Anlass einsetzen, sondern die Aerosole herausbrüllenden Zuschauermassen. Kein Wunder, dass in den sozialen Medien die Hashtags #DummWieDieSchweiz oder #SwissCovidFail ein Hoch erlebten. Insbesondere der Alpentourismus, der auf zahlreiche Gäste aus dem Ausland hofft, dürfte daran kaum Freude haben.
Und dann sind da ja auch noch die Athleten. Sie bereiten sich seit Monaten auf den Höhepunkt einer Skikarriere vor: die Olympischen Spiele. Ein positiver Corona-Test jetzt, nur wenige Tage vor dem Start des Grossanlasses, würde ihren Traum platzen lassen. Sie müssen also bestmöglich geschützt werden. Natürlich werden sie von den Fans abgeschirmt. Doch Tatsache ist: Je stärker das Virus zirkuliert, desto grösser ist auch die Chance, dass sich eben doch jemand aus der Bubble der Sportler ansteckt. Das beweisen die zurzeit zahlreichen Corona-Fälle im Skizirkus. Und es zeigt, dass es dringend zusätzliche Massnahmen braucht. Fabian Löw
Nein: Die epidemiologische Lage lässt zu, dass mehr an die Eigenverantwortung appelliert wird.
Die Bilder aus dem Zielraum in Adelboden waren ungewohnt. Über 12'000 Fans bejubelten ausgelassen Marco Odermatts Sieg im Riesenslalom, und das auf engstem Raum und grösstenteils ohne Maske. Logisch, dass dieser Anblick für Verunsicherung im Hinblick auf die Lauberhornrennen sorgt.
Doch bei vielen Leuten sorgt er auch für Freude und vor allen Dingen für Hoffnung auf baldige Lockerungen der Massnahmen und ein Ende der Pandemie. Gerade wenn sich die Fallzahlen auf einem derart hohen Level befinden wie zurzeit, sind es Momente des gemeinsamen Jubelns und Siegens, die wieder Mut machen und Energie geben, den sonst so grauen Alltag zu bewältigen. In diesen Momenten soll man die Pandemie vergessen können und sich nicht mit Abstandsregeln und Maskenpflichten herumschlagen müssen.
Denn die epidemiologische Lage ist nun eine ganz andere als noch vor einem Jahr, als die Rennen in Adelboden nur ohne ZuschauerInnen und die Lauberhornrennen gar nicht stattfinden konnten. Die Verläufe werden zunehmend milder, über zwei Drittel der Bevölkerung sind vollständig geimpft und die Lage auf den Intensivstationen ist verglichen mit letztem Jahr weniger prekär. Somit kann und soll stärker an die Eigenverantwortung der Skifans appelliert werden.
Wer sich impfen lassen will, kann sich impfen lassen. Wer bei den Rennen Maske tragen will, kann Maske tragen. Und wer das erhöhte Risiko einer Ansteckung durch ein Beiwohnen des Renngeschehens im Zielraum eingehen will, der soll auch dies tun. Die Berner Behörden haben für Adelboden schliesslich abgeklärt, welche Massnahmen nötig sind und auf diese sollte man sich berufen dürfen, ohne von Kritik überschwemmt zu werden.
Die einzigen, die nicht völlig aus freien Stücken nach Wengen reisen und damit unweigerlich dem Risiko einer Ansteckung ausgesetzt werden, sind die FahrerInnen und deren Teams. Eine Infektion zum jetzigen Zeitpunkt würde für sie eine Teilnahme an Olympia verunmöglichen. Deswegen ist es richtig, dass keine Autogrammstunden stattfinden, dass die FahrerInnen zwischen den Läufen isoliert werden und untereinander kaum Kontakt haben. Jedoch hat dies nichts mit der Eigenverantwortung der Fans zu tun. Linus Schauffert
* Das Wochenduell: Die «Basler Zeitung» stellt sich ab sofort in regelmässigem Abstand Themen, die die Sportwelt bewegen – und beleuchtet dabei in einem Pro und Kontra beide Seiten. Zuletzt erschienen: Sind die Medaillenträume von Dario Cologna nun vorbei? War 2021 ein gutes Jahr für die Schweizer Sportfans? Wird die Nations League mit den südamerikanischen Teams attraktiver? Löst ein Kunstrasen die Rasenprobleme im Joggeli? Wäre Max Verstappen der verdiente Weltmeister?
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