G20-Gipfel in Rom«Booorrris!» – Zuspätkommer Johnson und Trudeau sorgen für Lacher
Mit einer kleinen Unpünktlichkeit haben der britische Premierund Kanadas Regierungschef zum Start des G20-Gipfels in Rom für Erheiterung gesorgt. Ernst wurde es bei den Themen Corona und Iran.

Mit einer kleinen Unpünktlichkeit haben der britische Premier Boris Johnson und Kanadas Regierungschef Justin Trudeau zum Start des G20-Gipfels in Rom für Erheiterung gesorgt. Ihre Amtskollegen hatten sich am Samstagvormittag schon zum Gruppenfoto aufgestellt und in die Kameras gelächelt, als auffiel, dass zwei Plätze auf dem Podium leer waren. In dem Moment erst kamen Johnson und Trudeau dazu. «Boris! Booorrris!», rief Italiens Ministerpräsident Mario Draghi seinem Kollegen aus Grossbritannien feixend zu.
Johnson und Trudeau huschten an den wartenden und amüsierten anderen Spitzenpolitikern vorbei. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron begrüsste die beiden Zuspätkommer breit grinsend mit einem Handschlag, auch EU-Kommissionspräsident Ursula von der Leyen musste lachen. Später holten die Spitzen der G20-Gruppe für ihr Familienfoto auch Ärzte, Krankenpfleger und Sanitäter auf das Podest (mehr dazu lesen Sie weiter unten).

G20 will Kampf gegen Corona verstärken
Die wichtigsten Wirtschaftsmächte wollen den Kampf gegen die Corona-Pandemie in ärmeren Ländern stärker unterstützen. Zum Auftakt des letzten G20-Gipfels mit der deutschen Kanzlerin Angela Merkel stellte sich der italienische Ministerpräsident Mario Draghi als Vorsitzender der Staatengruppe am Samstag hinter das Ziel der Weltgesundheitsorganisation WHO, bis Mitte 2022 70 Prozent der Bevölkerung aller Länder der Welt gegen das gefährliche Virus impfen zu lassen. Man nähere sich jetzt schon dem Ziel, bis Ende Dezember 40 Prozent der Menschen zumindest eine Impfdosis zu geben. «Nun müssen wir alles tun, um bis Mitte 2022 70 Prozent zu erreichen.»
Draghi kritisierte die grossen Unterschiede bei den Impffortschritten. Während in reichen Staaten rund 70 Prozent der Einwohner mindestens einmal geimpft seien, falle die Quote bei den ärmsten Ländern auf drei Prozent. Diese Unterschiede seien «moralisch nicht akzeptabel» und würden den weltweiten Kampf gegen die Pandemie untergraben.
Die Gesundheits- und Finanzminister der G20 hatten sich bereits bei ihrem Treffen am Freitag hinter das 70-Prozent-Ziel gestellt. Unklar ist aber, was die wirtschaftsstarken Industrie- und Schwellenländer genau tun wollen, um dieses Ziel zu erreichen. Nach WHO-Angaben sind aktuell 48,7 Prozent der Weltbevölkerung mindestens einmal geimpft. Das von der Universität Oxford unterstützte Statistik-Portal «Our World in Data» gibt die Zahl der vollständigen Impfungen mit 38 Prozent der Weltbevölkerung an.
Deutschland im Duett: Scholz sitzt hinter Merkel
Die nur noch geschäftsführende Kanzlerin nahm zusammen mit ihrem Finanzminister und wahrscheinlichen Nachfolger Olaf Scholz von der SPD an der Konferenz der wichtigsten Wirtschaftsmächte teil. Die beiden haben sich vorgenommen, Kontinuität in der deutschen Aussenpolitik nach dem bevorstehenden Regierungswechsel zu demonstrieren.
Protokollarisch war aber alles wie immer bei den G20-Gipfeln: Merkel sass zusammen mit den Staats- und Regierungschefs am ovalen Verhandlungstisch, die Finanzminister und damit auch Scholz nahmen dahinter an Einzeltischen Platz. Am Samstagnachmittag wollten sich die beiden zusammen mit US-Präsident Joe Biden treffen, der zum ersten Mal an einem Präsenzgipfel der G20 teilnimmt.
Xi und Putin fehlen in Rom
Zwei wichtige Staatschefs fehlen in Rom: Der chinesische Präsident Xi Jinping und der russische Präsident Wladimir Putin reisten wegen der Corona-Pandemie nicht an. Vor allem für das zweite Hauptthema Klimaschutz ist das nicht ganz unproblematisch: China ist der grösste Produzent von klimaschädlichen Treibhausgasen. Xi und Putin wollen sich aber immerhin per Video zuschalten.
Insgesamt ist die G20 für mehr als drei Viertel der Emissionen verantwortlich. Über neue Zusagen im Kampf gegen die Erderwärmung gibt es weiter Uneinigkeit. Beim Gipfel ist der Klimaschutz erst am Sonntag Topthema. Parallel beginnt im schottischen Glasgow die Weltklimakonferenz, bei der es darum geht, wie das 2015 im Pariser Klimaabkommen formulierte Ziel erreicht werden kann, die gefährliche Erderwärmung möglichst auf 1,5 Grad zu begrenzen.
Biden berät mit Europäern über Atomabkommen mit Iran
US-Präsident Biden ist bereits seit Donnerstag in Rom und traf sich mit Papst Franziskus und dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron. Am Samstagnachmittag standen Beratungen mit Merkel, Macron und dem britischen Premierminister Boris Johnson über das Abkommen zur Verhinderung einer iranischen Atombombe auf dem Programm. Bidens Vorgänger Trump war aus dem Abkommen ausgestiegen, während die drei europäischen Länder es zu retten versuchten. Die Amerikaner sind unter Biden von der ganz harten Trump-Linie abgerückt.

Nach Abgang Merkels wohl keine Frau mehr an Spitze eines G20-Staats
Die G20 vereint knapp zwei Drittel der Weltbevölkerung und vier Fünftel der weltweiten Wirtschaftskraft. Nach dem Ausscheiden Merkels wird es voraussichtlich zunächst keine Frau mehr an der Spitze eines Staates der «Gruppe der 20» geben. Ihr gehören 19 Länder an, die abgesehen von Deutschland derzeit alle von Männern geführt werden. Weil auch die Europäische Union G20-Mitglied ist, nimmt mit Ursula von der Leyen neben Merkel trotzdem eine weitere Frau am Gipfel in Rom teil.
Merkel wird bei ihrem letzten Gipfel auch von ihrem Ehemann Joachim Sauer begleitet. Er nahm am Partnerprogramm teil, das unter anderem einen Besuch im Kolosseum vorsah.
Mehr als 10 000 Kräfte sichern den Gipfel
Vor Beginn des G20-Gipfels räumte die Polizei in der italienischen Hauptstadt eine Blockade einiger Dutzend Klima-Aktivisten. Die Demonstranten hatten sich am Samstagmorgen auf die Fahrbahn einer mehrspurigen Strasse nahe des Umweltministeriums gesetzt, wie die Polizei auf Nachfrage bestätigte. Die Strasse führt zum Veranstaltungsort des Gipfeltreffens der 20 wichtigsten Wirtschaftsmächte.

Der Gipfel wird von 8000 bis 9000 Polizisten gesichert. Rund 2000 Soldaten bewachen ausserdem wichtige Gebäude, Sehenswürdigkeiten, Botschaften und Ministerien. Am Freitag kam es bereits zu kleineren Protesten für eine gerechtere Verteilung von Impfstoffen und eine Schulreform in Italien. Am Samstagnachmittag will die Kommunistische Partei unweit des Kolosseums gegen Ministerpräsident Mario Draghi demonstrieren. Zudem ist eine Demonstration von Klimaaktivisten, darunter Fridays for Future, geplant. Erwartet werden nach Medienberichten etwa 5000 Teilnehmer.
Familienfoto mit Corona-Helfern – Merkel: «Grossartig»
Die Spitzen der G20-Gruppe haben für ihr traditionelles Familienfoto beim Gipfel in Rom Ärzte, Krankenpfleger und Sanitäter auf das Podest geholt. Nachdem sich die Staats- und Regierungschefs der wichtigsten Industrieländer am Samstag vor Beginn der Beratungen für ein Foto aufgestellt hatten, winkte Gastgeber Mario Draghi zwei Dutzend Sanitätsmitarbeiter auf die Bühne.

Unter dem Applaus der Politiker stellten sich diese dann zwischen die Staatschefs. Angela Merkel wurde von zwei Ärzten in die Mitte genommen und plauderte kurz mit ihnen. «Das war eine grossartige Idee», sagte Merkel laut G20-Kreisen zum Einfall der Italiener. «Uns ist bewusst, welchen Dienst sie an der Gesellschaft tun.» Sie stellte sich auch noch für Selfies mit den Ärzten des Krankenhauses Spallanzani in Rom zur Verfügung. Auch US-Präsident Joe Biden machte Bilder mit den medizinischen Helfern.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen twitterte, mit der Aktion würde man den Helfern Anerkennung zollen «für ihre harte Arbeit, Hingabe und Opfer in der Pandemie.» Die Welt danke ihnen.
Francesco Vaia, einer der Ärzte auf dem Gruppenbild, sagte: «Wir repräsentieren die italienische Art des rationalen Optimismus und der Geradlinigkeit». Mit dieser Art «werden wir die Pandemie ein für alle Mal besiegen», meinte der Mediziner laut Nachrichtenagentur Ansa.
Italien war im vergangenen Jahr eines der am härtesten von Corona betroffenen Länder in Europa. Bilder von Militärfahrzeugen, die die Toten aus Bergamo transportierten, gingen um die Welt. Wochenlang versuchte das Land, mit einem harten Lockdown der Situation Herr zu werden. Inzwischen zählt das Land dank seiner Impfpolitik aber vielen als Vorbild: Mehr als 86 Prozent der Italiener über zwölf Jahren sind mindestens einmal geimpft. Für diesen Fortschritt bekam Draghi auch bei diesem G20-Gipfel Lob von vielen seiner Kollegen.
Das Programm vom Sonntag
Am zweiten und letzten Tag des Gipfels beraten die Staats- und Regierungschefs über Klimawandel und Umwelt sowie nachhaltige Entwicklung. Das sind die Themen der Gesprächsrunden am Sonntag. Danach soll eine gemeinsame Erklärung verkündet werden im Hinblick auf die Weltklimakonferenz in Glasgow. Umweltschützer sind pessimistisch, dass sich die G20-Staaten auf ein klares und ambitioniertes Signal einigen können.
Nach der Abschlusssitzung (15.40 Uhr) werden Angela Merkel und andere Gipfelteilnehmer in Pressekonferenzen ihr Fazit zu dem zweitägigen Event mitteilen.
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