Boeing steht vor dem Batterien-GAU
Gleich in zwei Fällen gerieten die Lithium-Ionen-Akkus an Bord des Dreamliners in Brand. Die amerikanische Luftfahrtbehörde untersucht nun das Gefahrenpotenzial der Akkus. Für Boeing steht viel auf dem Spiel.

Für den Flugzeughersteller Boeing ist es ein Albtraum: Nachdem eine Boeing 787 der All Nippon Airways (ANA) in Japan notlanden musste, zog die amerikanische Luftfahrtaufsicht FAA sämtliche Dreamliner in den USA aus dem Verkehr. Kurz darauf folgten mehrere Fluggesellschaften und schliesslich die Europäische Luftfahrtbehörde Easa dem Startverbot für die Boeing 787. Nun gilt praktisch ein weltweites Flugverbot für die Prestige-Maschine. Boeing, so scheint es, kämpft bei ihrem Flaggschiff längst nicht mehr nur gegen Kinderkrankheiten.
Das grosse Problem der Boeing 787 sind offenbar die Lithium-Ionen-Akkus. Die ANA-Boeing musste notlanden, weil eine schmorende Batterie zu Rauchentwicklung führte. Schon eine gute Woche zuvor hatte die Batterie in einem Dreamliner in Boston ein Feuer verursacht. Die amerikanische Luftfahrtaufsicht FAA versucht zurzeit, die Ursache der Brände zu ermitteln. Solange Boeing die Sicherheit der Batterien im Dreamliner nicht garantieren kann, schreibt das «Wall Street Journal», werde die FAA keine Flüge der Boeing 787 zulassen.
Hohe Brand- und Explosionsgefahr
Der Dreamliner verfügt über zwei Lithium-Ionen-Akkus, die je 30 Kilogramm wiegen und etwa 46 Zentimeter gross sind. Einer der Akkus sitzt unter dem Cockpit und versorgt unter anderem die Instrumente mit Strom. Der andere ist im Heck der Maschine angebracht und liefert der Hilfsturbine Energie. Der Einbau von Lithium-Ionen-Akkus in ein Flugzeug ist bisher einmalig. Die Kapazität der Akkus ist massiv grösser als jene der gewöhnlich in Jets verbauten Nickel-Cadmium-Batterien. Wie die «New York Times» schreibt, ist bei den Akkus aber auch die Gefahr von Bränden oder Explosionen hoch, lädt man sie zu stark auf.
Laut der Zeitung war sich die FAA dieser Problematik durchaus bewusst, als sie Boeing 2007 das Okay für den Einbau der Akkus gab. Damals hielt die Behörde fest: «Lithium-Ionen-Akkus sind massiv anfälliger auf Fehlfunktionen, die zu Temperatur- und Druckanstieg führen können, als gewöhnliche Batterien.»
Nach dem Brand an Bord des Dreamliners in Boston versicherte Boeing-Chefingenieur Mike Sinnett gegenüber der US-Presse, man habe die Maschine so konstruiert, dass allfällige Probleme mit den Akkus keine Auswirkungen auf den Dreamliner haben sollten. Doch auch Sinnett musste eingestehen, dass die Akkus gefährlich sind. «Weil die Lithium-Ionen-Akkus bei einem Brand Sauerstoff freisetzen, ist es fast unmöglich, sie zu löschen.»
Neue Batterie und Dreamliner umbauen?
Boeings Problem mit dem Akku sorgt mittlerweile auch bei Berufspiloten für Gesprächsstoff. Laut Spiegel.de äusserten sie sich im Pilotenforum Professional Pilots Rumour Network PPRuNe kritisch über die Verwendung dieser Energiequelle in einem Flugzeug, welches zu grossen Teilen aus Carbon besteht. So schreibt Dan Winterland: «Ich bezweifle, dass es sinnvoll ist, so viele Lithium-Ionen-Akkus in einem Plastikrumpf unterzubringen.»
Ein weiterer User gibt zu bedenken: «Ich hoffe wirklich, dass es kein systematisches Problem mit den Akkus ist, sonst hätte Boeing wohl ein sehr teures Problem.» Tatsächlich könnte die Sache für den Flugzeughersteller zu einem Desaster werden. Im Optimalfall könnte Boeing das Problem mit stärkeren Batteriegehäusen und einer strengeren Überprüfung der Akkus lösen, schreibt die «New York Times».
Besteht die FAA jedoch darauf, dass der Dreamliner konventionelle Batterien erhält, müsste Boeing massive Anpassungen an den Maschinen vornehmen. Analyst und Ex-Pilot Carter Leake erklärt gegenüber dem «Wall Street Journal»: «Ein Batteriewechsel würde eine Reihe von Modifikationen nach sich ziehen. Teile des Fliegers müssten neu konstruiert und die Kontrollsoftware angepasst werden.»
Boeings kurzes Zeitfenster
Die Auswirkungen für Boeing wären auf mehreren Ebenen massiv. Zum einen würde der Dreamliner mit konventionellen Batterien an Gewicht zunehmen und somit seine Vorzüge als sparsame Maschine einbüssen. Zum anderen hätten die Anpassungen Auswirkungen auf die Produktion. Boeings Plan, die Zahl der monatlich ausgelieferten Dreamliner bis Ende 2013 auf zehn zu erhöhen, wäre nicht mehr realisierbar.
Für Boeing ist nun entscheidend, dass der FAA eine baldige Lösung für die Problematik geliefert werden kann. Schliesslich stehe für den Flugzeughersteller auch die Reputation auf dem Spiel, hebt Luftfahrtanalyst Richard L. Aboulafia in der «New York Times» hervor: «Boeing verfügt nur über ein kurzes Zeitfenster, um der Öffentlichkeit und ihren Kunden zu zeigen, dass der Dreamliner kein Problemkind ist.»
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