Gartenschau in Überlingen (D)Blütenpracht am Bodensee
Als grüne Stadt lockte Überlingen mit den historischen Park- und Gartenanlagen schon lange Gartenbegeisterte an. Dieses Jahr gibt es mit der ersten Landesgartenschau am Bodensee noch einen weiteren Grund, hinzufahren.

«Achtung! Dieser Regenwurm muss weg!», ruft Caroline Heidenreich, greift behende zu Boden und befördert das Tier ins Blumenbeet. «Den brauchen wir noch für eine gute Erde», meint die fitte 79-Jährige in der pinken Regenjacke.
Dreimal in der Woche schreitet sie frühmorgens als Freiwillige durch die Landesgartenschau in Überlingen und sorgt dafür, dass alles schön aufgeräumt ist, wenn sich die Tore für die Besucherinnen und Besucher öffnen.
Auch an diesem regnerischen Morgen zieht sie im Villengarten mit einem Bollerwagen los – Harke, Besen und Mülltüte stets griffbereit. Rund 10 bis 15 Kilometer lege sie während eines solchen Einsatzes zurück. «Dafür können wir die Anlage noch fast für uns geniessen», meint ihre Kollegin Sylvia Leiber. Ihre Devise: Entweder flieht man während der Landesgartenschau aus der Stadt, oder man packt mit an.
Seit den erneuten Lockerungen der Corona-Vorschriften ist die Landesgartenschau von Baden-Württemberg am Bodensee fürwahr ein Publikumsmagnet. Sie zieht auf elf Hektaren Blumenbegeisterte aus nah und fern an.
Nachhaltiges Projekt

Überlingen galt mit den historischen Park- und Gartenanlagen zwar schon vorher als Gartenstadt. Nun, mit der ersten Landesgartenschau (Laga) am Bodensee wird ihre grüne Seite noch mehr aufgewertet.
«Diese Schauen verstehen sich auch als städtebauliche Förderprogramme», erklärt Roland Leitner, der zusammen mit Edith Heppeler die Geschäftsführung dieses 16-Millionen-Euro-Projektes innehat. Denn viele der grünen Bereiche werden bestehen bleiben. So zum Beispiel der Uferpark, der vorher eine Industriebrache war und nun zum Filetstück der Laga geworden ist.

Kaum vorzustellen, dass hier vor ein paar Jahren noch eine Strasse am Ufer vorbeiführte und eine Betonwand nicht nur den Zugang, sondern auch die Sicht auf den See versperrte.
Heute flaniert man auf dem modellierten Gelände über geschwungene Wege an Prachtstauden und üppigem Wechselflor mit Dahlien, Phlox, Cosmeen, Rittersporn, Rudbeckien oder Spinnenblumen vorbei. Dazwischen bieten zahlreiche gemütliche Sitz- und Liegemöglichkeiten im Grünen die Möglichkeit für eine Verschnaufpause.
Je weiter westlich man geht, desto ruhiger und wilder wird die renaturierte Küstenlandschaft mit diversen Seezugängen, Spielplätzen und Gastronomie. Stolz zeigt Leitner auf die Bepflanzung des sogenannten Strandrasens in einem Teil des Flachufers: «Da blühen auch das Bodensee-Vergissmeinnicht und die Strand-Schmiele, zwei Arten, die weltweit fast nur noch hier vorkommen.» Allein von diesen wurden 16’000 Einzelpflanzen eingesetzt, sie gedeihen nun prächtig.
Vernetzte Grünsysteme
Seine Kollegin Edith Heppeler hat als Gartenschau-Profi schon mehrere Veranstaltungen quer durch Deutschland mitgeplant und freut sich besonders darüber, dass die Laga diesmal in ihrer Heimat stattfindet.

Wir treffen sie im Rosenobelgarten mitten in der Stadt, einem verwunschenen Garten hinter alten Mauern. Heppeler führt uns auf den 18 Meter hohen Turm mit herrlichem Blick über die Stadt. Sie erklärt, wie wichtig ihr das Vernetzen der Grünsysteme sei, und weist auf den Stadtgraben hinunter, den wir vom See her kurz zuvor durchquert haben. «Diese Verzahnung zwischen den Ausstellungsflächen und den bereits bestehenden Grünflächen ist nicht nur während der Gartenschau wichtig. Davon profitiert die Stadt dauerhaft.»

Von den Ausstellungsbereichen am See führt ein Rundweg vom Rosengarten bis zu unserem aktuellen Standort. Man flaniert erst durch den 1875 von Hermann Hoch angelegten Stadtpark, dessen günstiges Klima am Fuss der Molassefelsen selbst mediterrane und exotische Pflanzen wie Sukkulenten gedeihen lässt.
Schon fast eine mystische Atmosphäre erlebt man im Stadtgraben, wo Uhus heimisch geworden sind, bevor man entlang der historischen Stadtmauern zum Rosenobelgarten gelangt.
Nur ein paar Schritte entfernt liegen, leicht erhöht mit Blick auf die Altstadthäuser und den Bodensee, die Menzinger Gärten. Auch sie, bislang kaum einsehbar, werden nun künftig für die Öffentlichkeit zugänglich sein. Hübsch sind die kleinen umrankten Gartenkabinette, wo Hochbeete, Duft- und Kräutergarten und ein Fürstengarten präsentiert werden.

Wer bei warmen Temperaturen etwas Abkühlung sucht, ist gut beraten, einen Zwischenhalt in der Kapuzinerkirche einzulegen. Das lohnt sich auch deshalb, weil in der ehemaligen Klosterkirche Floristen aus der Region alle zwei Wochen neue florale Inszenierungen unter verschiedenen Stichworten zeigen.
Vorbei am Gondelhafen gelangen wir wieder in den Villengarten.
Schwimmende Gärten
Carolina Heidenreich und Sylvia Leiber sind mit ihrem Bollerwagen längst abgezogen. Wir aber möchten nochmals eine Runde durch die Schwimmenden Gärten gehen, die mit dem Festland über eine Steganlage verbunden sind und so eine andere Perspektive auf die Anlage bieten.

Da ist auch noch die Open-Air-Bibliothek mit Literatur aller Art über den Bodensee, in der man in einem der bequemen Sitzsäcke schmökern kann. Und schon fühlt man sich fast wie auf der legendären Chelsea Flower Show in London – nur dass man hier auch noch den Blick auf die Schweizer Alpen geniessen kann.
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